Über die Amnestie für Waffendiebe beim Kommando Spezialkräfte

Alle Schäfchen im Trockenen

Wer bisher mit dem Begriff „kreative Buchführung“ geschönte Zahlen in Unternehmensbilanz und Steuererklärung verband, den belehren die Schieß- und Munitionskladden des Kommandos Spezialkräfte (KSK) nun eines Besseren. Im Kleingarten von Philipp Sch., Oberstabsfeldwebel und Ausbilder beim KSK, fand man im Mai vergangenen Jahres 7.000 Patronen unterschiedlichster Art, zwei Kilogramm PETN-Sprengstoff, Irritationskörper, Handgranaten und ein Sturmgewehr vom Typ AK-47. Von den herumliegenden antisemitischen Postkarten, dem SS-Liederbuch und den Hitlerbildern reden wir nicht. Beim Prozessauftakt vor dem Landgericht Leipzig Ende Januar erklärt das „Schäfchen“ – sein Spitzname bei seinen KSK-Kameraden – wie das so lief mit der Munitionsbeschaffung deutscher Elitesoldaten.

Sein Waffenlager habe ihm zur Überbrückung von Munitionsengpässen, die es bei der Bundeswehr immer mal gäbe, gedient. Schließlich könne er als Ausbilder seine allzeit lernbegierigen Soldaten nicht ohne schussfähiges Material stehen lassen. „Für mich selbst war es ein persönliches Anliegen, die mir anvertrauten Soldaten bestmöglich auszubilden.“ Pädagogische Gründe also. Da beim KSK Waffen und Munition „äußerst laissez-faire“ gehandhabt wurden, sei es nicht schwierig gewesen, hie und da mal ein paar tausend Patronen abzuzweigen. Sagt‘s und bricht vor Selbstmitleid in Tränen aus.

Im Frühjahr des letzten Jahres erreichte die Kunde vom Waffenfund in Schäfchens Garten das KSK-Hauptquartier in Calw. Dort haben sich die Mannen um Kommandeur Brigadegeneral Markus Kreitmayr gleich an ihre soldatische Fürsorgepflicht, nachzulesen in Paragraph 10, Absatz 3 Soldatengesetz, erinnert. Da heißt es anschaulich, der Vorgesetzte habe stets „für seine Untergebenen zu sorgen“. Also flugs ein paar Holzkisten gezimmert, auf dem Kasernengelände aufgestellt und per Appell die Soldaten aufgefordert, dort anonym und ohne Angst vor Verfolgung Munition und Sprengschnüre einzuwerfen, die man so nebenbei mal hat mitgehen lassen und im privaten Haushalt gebunkert hat. Praktische Kriminalprävention eben. Was zählen da schon Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, das Waffengesetz und das Sprengstoffgesetz? Chefbefehl ist Chefbefehl.

Noch ist es ein Geheimnis, wie viele aufrechte Elitesoldaten sodann unter ihren heimischen Blumenbeeten die Projektile wieder ausgebuddelt haben, jedenfalls kam einiges zusammen. Bei der im Juni 2020 durchgeführten Inventur, im KSK-Deutsch: „unangekündigte Bestandsprüfung“, wurde ein Überbestand von etwa 50.000 Munitionsteilen festgestellt. Überbestand? Bei ordentlicher Buchführung wäre ein „Unterbestand“ von 50.000 Patronen und Sprengschnüren zu erwarten gewesen, der nun wieder ausgeglichen sein müsste. Dafür fehlen immer noch 62 Kilogramm Sprengmittel, Verbleib ungeklärt. Der Bestandsbericht vermutet „mögliche Zählfehler“.

Kann ja auch jedem Waffen- und Geräteoffizier im Kriegsdienst mal passieren, dass zigtausende Patronen und läppische 62 Kilo Sprengmittel in den Schieß- und Munitionskladden verschütt gehen. Wie Generalinspekteur Eberhard Zorn vergangene Woche erklärte, war die Amnestieaktion im Ministerium von Annegret Kramp-Karrenbauer seit langem bekannt. Passiert ist nichts. Nach dem Motto: Augen zu und durch. Oder wie es KSK-Chef Kreitmayr seinen Schäfchen beim Auflösungsappell für die 2. KSK-Kompanie am 30. Juli 2020 mit auf den Weg gab: „Auch diesen Weg mit all seinen Hürden, Tücken und Herausforderungen gehen wir gemeinsam.“

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"Alle Schäfchen im Trockenen", UZ vom 5. März 2021



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