„Game of Thrones“ geht in die 6. Staffel

Alle müssen sterben

Von Friedhelm Vermeulen

Von solchen Serien lebt der Bezahlsender HBO: „Game of Thrones“ ist nicht nur als Fernsehserie ein Verkaufsschlager, auch die Bücher von George R. R. Martin verkaufen sich millionenfach, dazu kommen die üblichen Devotionalien für Freunde des kostümierten Spektakels. Und der Start der 6. Staffel am letzten Sonntag war ein gut vorbereitetes Ereignis, das sogar in anderen Serien wie Big Bang Theory gründlich beworben wurde.

Die Besonderheit der neuen Staffel ist, dass es dieses Mal keine Buchvorlage gibt, an der sich die TV-Produzentinnen abarbeiten können. George R. R. Martin ist schlicht und einfach noch nicht so weit. Dass nicht auf die weiteren Werke seiner Fantasy-Saga „A Song of Ice and Fire“ gewartet werden kann, liegt daran, dass HBO nicht auf Geld verzichten will. Die Fan-Gemeinde ist so angefixt, dass sie sich alles anschauen wird und begehrlich auf neue Folgen wartet.

Der Erfolg mag unter anderem an der gegenwärtigen Beliebtheit des Genres liegen, Martin hat aber vor allem eine Fülle von starken Figuren geschaffen, die jede für sich nach seinem Tod wahrscheinlich eine eigene Serie oder zumindest einen eigenen DC-Comic bekommen wird. Während sich andere Autoren an ihre mühsam geschaffenen und publikumserprobten Hauptcharaktere klammern, lässt Martin gleich zu Beginn der Geschichte den Patriarchen des Herrscherhauses von Winterfell – so etwas wie die moralische Instanz in einer unmoralischen Zeit – zum Entsetzen der ZuschauerInnen köpfen, ohne dies etwa zum Finale einer Staffel zu machen, wie es den Fernsehgewohnheiten entspräche. Diese ungewohnten Wendungen, mit denen er ganz selbstverständlich die Publikumslieblinge aus dem weiteren Verlauf seiner Geschichte verbannt, machen die Sache etwas spannender als die in anderen Fernsehserien praktizierte Umsetzung der Star-Trek-Regel, dass bei der Erkundung eines Planeten nur diejenigen umkommen dürfen, die vorher noch nie aufgetaucht sind und dementsprechend noch keinen Namen haben.

Was die eigentliche Geschichte anbetrifft, so ist „Game of Thrones“ fast schon unkreativ nah dran am politischen Geschehen in den USA, sodass Intrigen innerhalb der auf Mord und Inzucht begründeten Herrschaft der Königin eher mit einer Serie wie „House of Cards“ wetteifert, denn mit einer Erzählung wie „Herr der Ringe“. Aber gerade die verkappte Realitätsnähe unter all der bösen Magie, den Drachen und den Eiswesen, machen die großen Handlungsstränge interessant.

Sei es nun der Kampf gegen die Invasion der Eiswesen aus dem Norden, der niemand Beachtung schenkt, weil die Herrschenden mit internen Machtkämpfen voll ausgelastet sind, oder sei es die Hoffnung aus dem Süden, Daenerys Targaryen, die auf ihren Feldzügen SklavInnen befreit und dabei zwischen Repression und Kompromiss mit den alten Eliten schwankt.

Der eigentliche Held – und wahrscheinlich auch die Figur, die Martin selbst am stärksten verkörpert –, der die verstreuten Handlungsstränge zusammenführt, ist ein zynischer, alkoholkranker Kleinwüchsiger. Er durchschaut die Machtspiele mühelos und mischt sich zunehmend ein. Hoffentlich überlebt er das.

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"Alle müssen sterben", UZ vom 29. April 2016



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