Die türkische Lira rauscht in den Keller, die Preise für Lebensmittel gehen durch die Decke. Die Wirtschafts- und Währungskrise in der Türkei findet kein Ende und der Präsidentenpalast keinen Ausweg. Seit Jahresbeginn hat die türkische Währung zum Dollar fast 40 Prozent an Wert verloren. Wie das Statistikamt in Ankara am Montag vergangener Woche mitteilte, sind die Verbraucherpreise im Jahresvergleich um 17,9 Prozent gestiegen.
Um die Lira zu stützen, hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die Bevölkerung aufgerufen, Dollar, Euro und Gold in die heimische Währung zu tauschen. Beim Appell ließ er es nicht bewenden. Um nachzuhelfen, hat Erdogan per Dekret die Steuern auf Guthaben in ausländischer Währung auf bis zu 20 Prozent erhöht. Wer dagegen sein Geld in der heimischen Währung für mindestens ein Jahr aufs Konto packt, zahlt null Prozent. Allerdings langt da dann die Inflation zu, die auf mehr als 16 Prozent gestiegen ist. So oder so ist also Verlust angesagt.
Durch den Einbruch der Lira sind die Schulden kleiner und mittelständischer Unternehmen dramatisch gestiegen. Vielen droht der Konkurs. Die Deutsche Welle zitiert einen Geschäftsmann, der in Istanbul im Textilsektor tätig ist: „Bis zum Ende des Jahres muss ich fünf Millionen Dollar Schulden zurückzahlen. Zu Beginn des Jahres waren das noch umgerechnet 19 Millionen Türkische Lira. Als aber der Kurs fiel, stiegen meine Schulden auf 31 Millionen Lira. Zudem sind die Geschäfte ins Stocken geraten. So viele Schulden kann ich nicht bezahlen. Ich weiß nicht, was ich machen soll.“ Um seine Schulden abbezahlen zu können, müsse er mindestens die Hälfte seiner Angestellten entlassen. Wenn die Lira weiter an Wert verliert, wird er wohl Insolvenz anmelden müssen. Und so geht es hunderttausenden Geschäftsleuten in der ganzen Türkei, die ihre Kredite in US-Dollar aufgenommen haben, ihre Einnahmen aber vor allem in der Landeswährung generieren. Betroffen sind letztlich auch Millionen von Menschen, die ihren Lebensunterhalt mithilfe ihrer kleinen Familienbetriebe bestreiten.
Die gesamte Bevölkerung leidet unter steigenden Energiepreisen. Benzin, Öl, Gas, Strom, alles wird teurer. Und die Preissteigerungen beim Lebensmittelkauf lassen die Inflation täglich spüren. Laut türkischem Statistikamt sind Lebensmittel im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent teurer geworden. Die Preissteigerung bei Obst und Gemüse aus türkischem Anbau liegt sogar bei 40 Prozent. Vor allem die unteren Einkommensschichten trift das natürlich hart. Sie haben schon vor der Preisexplosion 28,6 Prozent ihres Einkommens für den Einkauf von Lebensmitteln und Getränken ausgeben müssen.
Längst machen Bilder von leeren Gassen im großen Istanbuler Basar die Runde.
Der Vorsitzende der Konföderation Türkischer Händler und Handwerker, die über zwei Millionen registrierte Unternehmer repräsentiert, Bendevi Palandöken, warnt vor einem dramatischen Rückgang des Binnenkonsums. „Je weniger die Menschen in der Türkei ausgeben, umso schlechter geht es den Unternehmen.“ Steigende Schulden und sinkende Einnahmen verstärkten sich so gegenseitig zu einem Teufelskreis. „Der Staat“, sagt Palandöken, „muss auf jeden Fall Maßnahmen einleiten, damit der Handel zunimmt.“
Allein, der Staat, das ist Präsident Erdogan und seine islamistische AKP, die für die Wirtschafts- und Währungskrise verantwortlich sind. Bisher kamen da bestenfalls kosmetische Korrekturen. Ein „Unterstützungs- und Maßnahmenpaket“ etwa stundet Unternehmen Außenstände bei staatlichen Stellen. So sollen Firmen ihre öffentlichen Schulden erst 2019 zurückzahlen müssen. Es gehe dem Land „heute besser als gestern“, tönte Erdogan im August – und am nächsten Tag werde es sogar noch besser. Man solle nicht vergessen, zwar hätten die USA den Dollar, doch „wir haben Allah“.