Bäcker fordern Hilfe – Pfiffe gegen grüne Kriegstreiber im Landtagswahlkampf

Alarmstufe Brot

Anke Wittkopp

Rund 40 Bäckereien der Region Hannover schlossen am 14. September um 14 Uhr ihre Betriebe und sammelten sich mit über 2.000 Angestellten und Unterstützern vor dem Neuen Rathaus, im Anschluss fuhren sie im Autokorso aus rund 250 Lieferfahrzeugen durch die Innenstadt. „Rettet uns Bäcker!“ – Caterina Künne, Initiatorin der Kundgebung, und ihre Kollegen fordern finanzielle Unterstützung in Art eines Rettungsschirms, denn horrende Rohstoff- und Energiepreise sorgen bei ihnen für Existenzängste. Aktuell zahlt Bäcker Künne nach eigenen Angaben rund 120.000 Euro im Jahr für Energie, zukünftig soll es eine Million sein. Dabei sei sein Unternehmen erst vor wenigen Jahren auf Gas umgestiegen, nachdem er seine Öfen eigentlich mit Holzpellets heizen wollte, so Künne. Die CO2-Umlage habe ihn zum Umrüsten gezwungen. Jetzt explodiert genau hier der Preis – und was jetzt?!

Offenbar ist es in der Bäckereibranche angekommen, dass die grün- und schöngelogene Energiewende mit schuld am momentanen Desaster ist, denn die Grünen-Politikerin Julia Hamburg (Fraktionsvorsitzende im Niedersächsischen Landtag) wird minutenlang ausgebuht und ausgepfiffen, als sie die Bühne betritt. Als sie nach dem besänftigenden Einschreiten von Axel Oppenborn (Vorstandsmitglied der Bäckerinnung Niedersachsen-Bremen) doch noch zu ihren scheinheiligen Versprechungen über kurzfristige Hilfen kommt, werden auf dem Platz nur die Köpfe geschüttelt.

„Kriegstreiber!“, „Lügner!“ und „Habeck muss weg!“ sind die Antworten, die sie aus der Menge auf ihren Vorschlag zu hören bekommt, ein Sondervermögen zur Bewältigung der Energiekrise auf den Weg zu bringen. Man wolle Betriebe beim Umbau auf andere Energieformen sponsern, denn „Gas ist eine endliche Ressource, und irgendwann haben wir kein Gas mehr“, doziert sie.

Diesem Höhepunkt der Kundgebung waren so manche Einseifversuche vorangegangen. Verständlich, dass sich das Bäckerhandwerk von der Politik nicht ernst genommen fühlt und verbindliche Hilfsangebote fordert, auch zum Arbeitsplatzerhalt für die circa 40.000 Beschäftigten in Niedersachsen. Diese kann man so gesehen gleich stellvertretend für die gesamten 325.000 Menschen nehmen, die hierzulande im Mittelstand arbeiten.

Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) dazu salopp: Man müsse mit 20 Prozent Betriebsaufgaben in diesem Jahr in Niedersachsen rechnen: „Wenn nicht 20 Prozent Gas über Nord Stream 1 kommen, wenn nicht 20 Prozent Energie eingespart werden, wenn nicht zusätzliche LNG-Terminals kommen, dann werden wir in Deutschland in eine extrem schwierige Situation kommen.“ Ein Energiepreisdeckel müsse her und „übermäßige“ Gewinne der Energieerzeuger sollten „abgeschöpft“ werden, fordert auch Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Zu den Ursachen und Verursachern von Preisanstiegen und Energieknappheit wird einvernehmlich geschwiegen, die galoppierende Inflation, drohende Arbeitslosigkeit und Armut damit als naturgegeben dargestellt: Die ruinöse Gasumlage zur Rettung der Gewinne der Energieunternehmen bleibt ebenso unerwähnt wie dass die Ampelregierung die Preistreiberei auf den Spotmärkten erst durch den Abbruch der zuverlässigen und günstigen Lieferverträge mit dem russischen Gaslieferanten selbst verursacht hat. Oppenborn formulierte diplomatisch, dass man nun wisse, wie man so eine Protestaktion „in dieser Größenordnung mit entsprechender Medienwirksamkeit“ durchführt. „Wenn wir hier in Niedersachsen nicht weiterkommen, sehen wir uns in Berlin!“, so sein Fazit.

Der vollständige Bericht findet sich auf: www.dkp-hannover.de

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"Alarmstufe Brot", UZ vom 23. September 2022



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