Alarm

Kolumne von Georg Fülberth

Georg Fülberth

Georg Fülberth

In der alten Bundesrepublik gab es zwei Volksparteien: CDU/CSU und SPD. Sie verstanden sich als Mitte und versuchten ihre Ränder zu halten: die Sozialdemokratie links, die Union rechts. Zu Beginn der achtziger Jahre entglitten die Grünen der SPD. Auf dem Territorium der ehemaligen DDR vermochte diese ab 1990 kein Monopol diesseits der Union zu errichten. Sie musste sich das sozialdemokratische Potential zunächst mit der PDS, dann mit der Linkspartei teilen. Diese wurde auf regionaler Ebene ebenfalls eine Volkspartei.

Lange wurde übersehen, dass Union und SPD nicht nur einen rechten bzw. linken Rand haben, sondern außerdem – jede für sich – einen rechten Sektor, fast möchte man sagen: eine rechte Hälfte. Deren Substanz ist der Wohlstandschauvinismus. Wird dieser gereizt – vorzugsweise durch Fremde –, kündigt der rechte Sektor seinen Stammparteien die Loyalität auf und kehrt zu ihnen erst zurück, wenn diese ihm seine Wünsche erfüllen. So geschah es mit den „Republikanern“ zwischen 1989 und 1992. Sie schrumpften, nachdem 1993 das Asylrecht demontiert war. Als Roland Koch 1998/99 gegen die doppelte Staatsbürgerschaft mobilisierte, standen halbe SPD-Ortsvereine Schlange vor den Tapeziertischen, auf denen die Unterschriftenlisten der CDU auslagen.

Jetzt stößt die AfD in die rechte Flanke der Volksparteien hinein. Ihr Reservoir dort ist noch nicht ausgeschöpft. In Sachsen-Anhalt hat auch „Die Linke“ stark an sie verloren. Es zeigt sich, dass sie ebenfalls einen rechten Sektor hat. Er besteht da weniger als im Westen aus aktuellen Wohlstands-Chauvinisten und mehr aus verhinderten: Menschen, die zwar nicht mit dem Kapitalismus zurechtkommen, die Ursachen aber nicht bei diesem suchen, sondern bei Fremden.

Der Durchbruch der AfD im Osten ist für „Die Linke“, die ja nur dort eine Volkspartei ist, gefährlich und gesamtdeutsch sogar – hält man sich nur ans Parlamentarische – lebensbedrohlich. In der „Welt“ hat Stefan Aust ihre Ergebnisse von Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt hochgerechnet und kommt dabei für sie, wären an diesem Tag Bundestagswahlen gewesen, gesamtdeutsch auf 4,9 Prozent. Er schränkt ein: es mag auch anders kommen. Soll heißen: vielleicht mehr, vielleicht aber auch weniger. Die Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern könnten die Tendenz verstärken.

Wozu diese Unkerei? Antwort: damit eine Gefahr rechtzeitig erkannt und bekämpft wird.

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"Alarm", UZ vom 1. April 2016



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