Das Bündnis „AufRecht bestehen“ hat für den 10. März zu einem bundesweiten, dezentralen Aktionstag aufgerufen, um über die Folgen der geplanten „Rechtsvereinfachung“ bei Hartz IV aufzuklären. Unterstützt wurde das Bündnis von Erwerbsloseninitiativen unter anderem von dem Sozialverband „Volkssolidarität“, und in zahlreichen Städten kam es zu Kundgebungen. Was der Öffentlichkeit seitens der Bundesregierung als „Rechtsvereinfachung“ verkauft werden soll, bringt für Langzeitarbeitslose und „Aufstocker“ gravierende Verschlechterungen mit sich.
Noch im April soll der Bundestag über den neuen Gesetzentwurf zur Änderung der Hartz-IV-Regeln beraten und diesen beschließen. Doch dieser Entwurf müsse gründlich überarbeitet werden, fordert der Verbandspräsident der Volkssolidarität, Wolfram Friedersdorff, in einer Presseerklärung. Die vorgesehene Deckelung bei den Heizkosten, verschärfte Anrechnung von Einkommen und Kürzungen bei Freibeiträgen sowie die Beibehaltung der besonders strengen Sanktionen für unter 25-Jährige dürften nicht zum Zuge kommen. „Rechtsvereinfachung darf nicht zur Umschreibung von mehr Rechtlosigkeit der Betroffenen werden“, sagte Friedersdorff.
Dabei verwies er darauf, dass die im Gesetzentwurf enthaltenen Verbesserungen verhältnismäßig dürftig ausfallen. Zwar gebe es tatsächlich einige Verbesserungen, die aber teilweise längst überfällig gewesen seien. So sei zu begrüßen, dass Langzeitarbeitslosen jetzt der Weg zu besseren Leistungen der Arbeitsförderung eröffnet werden soll, dass Wiederholungsanträge nur noch alle 12 Monate gestellt werden müssen oder dass die „unsägliche Erbenhaftung abgeschafft“ werde.
Dem gegenüber stehe aber, dass Sanktionen bei „sozialwidrigem Verhalten“ auf Grundlage unklarer Rechtsbegriffe deutlich verschärft werden. „Damit wird der Willkür Tür und Tor geöffnet“, machte Friedersdorff deutlich. Statt die Jobcenter in Strafanstalten umzuwandeln, müssten „Betreuung und Vermittlung der Leistungsbezieher im Mittelpunkt stehen“. Doch dafür gebe es zu wenig Personal in den Jobcentern.
„AufRecht bestehen“ machte im Vorfeld des Aktionstages darauf aufmerksam, dass das Arbeitsministerium eigentlich angekündigt hatte, „zumindest die verschärften und völlig überzogenen Sanktionen für junge Erwachsene unter 25 Jahren abschaffen zu wollen“. Doch diese Entschärfung sei auf Druck der CSU wieder kassiert worden.
Dabei seien Sanktionen asozial, erklärte das Bündnis. Hartz IV soll eigentlich das Minimum gewährleisten, welches ein Mensch zum Leben braucht. Werde hier noch gekürzt, sei die Verelendung die Folge: „Eine Kürzung um 121 Euro (30 Prozent), 242 Euro (60 Prozent) und erst recht den Totalentzug aller Leistungen kann niemand verkraften.“ Es drohe unter anderem Wohnungslosigkeit. Von Sanktionen könne man schnell betroffen sein: „Wer nichts anderes tut, als darauf zu bestehen, eine Arbeit mit Sozialversicherungsschutz haben zu wollen oder mit Tariflohn oder zumindest mit Mindestlohn (der für Langzeitarbeitslose nicht gilt), der bekommt sein Hartz IV schrittweise auf Null gekürzt.“
Dass es bei den Sanktionen nicht darum geht, „faule“ Menschen wieder in das Arbeitsleben zu integrieren, geht unter anderem aus einer Studie des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen (UDE) hervor. Demnach hätten in den vergangen Jahren „nie mehr als 20 Prozent der Arbeitslosen, die Arbeitslosengeld II oder Hartz IV erhalten, einen regulären Job“ gefunden, schreiben die Wissenschaftler in der Studienauswertung. Im vergangenen Jahr seien es sogar nur knapp 17 Prozent gewesen. An mangelnder Bereitschaft zur Arbeit liegt es allerdings nicht, kommen doch auf eine Stelle rund fünf Bewerber.
Und sollte es doch gelingen, einen Arbeitsplatz zu bekommen, bedeutet das oft keine ernst zu nehmende Verbesserung. Arbeitsplätze werden in vielen Fällen nur befristet erteilt oder sind in Teilzeit mit einer geringen Entlohnung, so dass die Betroffenen aufstocken müssten, heißt es in der Studie weiter. „Die zunehmend befristeten Arbeitsverträge bieten von vornherein nur geringe Chancen, dauerhaft übernommen zu werden“, so die Forscher. Auch Fördermaßnahmen oder Eingliederungszuschüsse an die Betriebe brächten kaum stabile Beschäftigung.
Vor diesem Hintergrund gibt es nur einen Profiteur der Sanktionspraxis – die Unternehmer. Denn völlig unattraktive und prekäre Jobs werden angenommen oder ertragen, weil ansonsten eine Sanktion droht. „Generell schwächt es die Verhandlungsposition der abhängig Beschäftigten gegenüber den Unternehmen, wenn jede Arbeit unter Androhung heftiger Strafen angenommen werden muss“, so „AufRecht bestehen“. Dass sich die Jobcenter als willige Helfer der Unternehmer betätigen, zeigt unter anderem auch, dass Sanktionen oftmals rechtswidrig sind. In fast der Hälfte aller Fälle wird das Existenzminimum zu Unrecht gekürzt – und nach langer Wartezeit werden diese Sanktionen von den Sozialgerichten wieder aufgehoben.