Nein, man hat’s nicht leicht als Bundesaußenministerin, schon gar nicht, wenn man nach Ostafrika fliegen will. Die beiden A340, die Annalena Baerbock früher für längere Strecken nutzte? Sie wurden ausgemustert, nachdem die Ministerin auf dem Weg zum Pazifik mit einer von ihnen in Abu Dhabi liegenblieb. Die A350, die der Regierung zur Verfügung steht? Die hat sich der Bundespräsident bereits geschnappt. Die A319, die Baerbock eigentlich nutzen wollte? Triebwerkschaden. Immerhin, eine A321 funktioniert. Los geht’s also nach Dschibuti. Nur: Niemand hat eine Überfluggenehmigung für Eritrea besorgt und es stellt sich nach Anfrage aus der Luft heraus, dass die Behörden in Asmara sie – warum auch immer – nicht gewähren. Ein Ersatzplan? Den gibt’s nicht; Sudan überfliegen geht nicht (Krieg), den Jemen überfliegen auch nicht (Krieg). Bleibt wegen der geringeren Reichweite der A321 nur, im saudischen Dschiddah zu übernachten, die Gespräche in Dschibuti ausfallen zu lassen und am nächsten Tag nach Kenia zu fliegen, dessen Präsident es sich auf seinem Landsitz am Mount Kenya bequem macht und nicht daran denkt, für Baerbock in die Hauptstadt zurückzujetten. Also: in Nairobi auf eine kleine gecharterte Propellermaschine nach Sagana umsteigen – Erfolg! Keine eineinhalb Tage unterwegs, und schon trifft Baerbock William Ruto.
Nein, derlei Umstände, derlei Pannen sind nicht egal und es ist nicht billiger Spott, auf sie hinzuweisen. Baerbock hatte bei ihrer Ostafrikareise zweierlei vor. Das Eine: den deutschen Anteil an dem bevorstehenden EU-Marineeinsatz vorzubereiten, bei dem Handelsschiffe auf dem Weg durch das Rote Meer von europäischen Kriegsschiffen geschützt werden sollen. Dschibuti ist dafür strategisch in mehrfacher Hinsicht interessant. Es besitzt einen Hafen, den die Bundeswehr schon einmal über viele Jahre hin genutzt hat, und es liegt an der Meerenge Bab al Mandab direkt gegenüber dem Jemen, zu dem es gute Verbindungen unterhält. Wer das Umfeld für den Einsatz im Roten Meer ein wenig besser kennenlernen, dort einen kooperationsbereiten Staat enger anbinden will, ist in Dschibuti am richtigen Ort. Das Zweite: Das Einsatzumfeld wäre weniger heikel – siehe die Probleme mit Baerbocks Überflug –, wenn im Sudan kein Krieg herrschte oder wenigstens über einen Waffenstillstand verhandelt würde. Baerbock hatte deshalb einen Fünf-Punkte-Plan für Sudan im Gepäck, der wenig hergibt: Vermittlung besser koordinieren, zivile Opposition fördern, äußere Militärhilfen unterbinden, Sanktionen, eine Medienkampagne; so weit, so platt: Aus Sicht Berlins genügt das, um einen Anspruch auf deutsche Mitsprache anzumelden und Druck zu machen.
Druck machen? Nun, dazu bräuchte es mehr als moralinsaure Predigten und stumpfe Pläne. Wirkliche Machtmittel aber hat Berlin in Ostafrika kaum noch auf der Hand – ein wenig ökonomischen Einfluss in Kenia vielleicht; in vielen anderen Staaten jedoch sieht es dürftig aus. Wirtschaftlich hat China, militärisch Russland der Bundesrepublik in Afrika längst den Rang abgelaufen; die Türkei oder die Vereinigten Arabischen Emirate gelten als weitaus dynamischer, die Kooperation mit ihnen oft als nützlicher als diejenige mit Deutschland. „Wenn wir mit China sprechen, bekommen wir einen Flughafen“, erläuterte im Sommer die aus Nigeria stammende WTO-Generaldirektorin Ngozi Okonjo-Iweala, „wenn wir mit Deutschland sprechen, bekommen wir eine Belehrung.“ Es kommt hinzu, dass mittlerweile auch der letzte große deutsche Mythos zu wanken begonnen hat: der von der ökonomischen und der technologischen Effizienz der Bundesrepublik. Das wirtschaftliche Desaster, in das die Bundesregierung Deutschland geritten hat, spricht sich international genauso herum wie das hässliche Erstarken der extremen Rechten; Baerbocks gescheiterter Flug bestätigt nur noch die Misere. Wieso aber soll man neokolonialen Oberlehrern zuhören, die in der Praxis versagen? Berlin hat Einfluss lange auch aus seinem Ruf gezogen. Die Zeiten sind vorbei.