Deutsche Gewerkschaften solidarisch mit französischen Eisenbahnern

Agenda 2010 als Vorbild

Von Manfred Dietenberger

Frankreichs Staatspräsident Makro ist wild entschlossen, seine „Reform“ der staatlichen Eisenbahn (SNCF) – sprich deren Zerschlagung – durchzusetzen. Betroffen wären nicht nur die rund 250 000 SNCF-Beschäftigten. Die in den vier Gewerkschaften (CGT, Unsa, SUD Rail und CFDT) organisierten Kolleginnen und Kollegen sind nicht bereit, kampflos klein bei zu geben. Mit beeindruckender Mehrheit beschlossen die französischen „Cheminots“ – also die „Eisenbahner“ – im Mai in einer Urabstimmung die von Macron beabsichtigte Bahn–“Reform“ abzuwehren weil die Regierung „keinen Verhandlungswillen“ zeige und daher „die Verantwortung für (einen) intensiven Konflikt über einen sehr langen Zeitraum“ übernehmen müsse.

Die gewerkschaftlich organisierten Eisenbahner sind eine der letzten Bastionen der in Frankreich kämpferischen, aber mitgliederschwachen Gewerkschaften. Macron behauptet, er beabsichtige keine Privatisierung der Bahn, sondern er wolle mit der Bahnreform den „öffentlichen Dienst auf der Schiene“ retten. „Nur“ die „Privilegien“ der Eisenbahner sollen gestrichen werden.

In Wirklichkeit verfolgt Marcron in Sachen Bahn eine eiskalte Strategie, die sich am Vorbild der deutschen „Agenda 2010“ orientiert. Auch er will die massive Prekarisierung der Arbeitswelt durchsetzen und den Niedriglohnsektor ausweiten. Viele Medien hetzen, den Präsidenten dabei unterstützend, gegen die vermeintlichen „Privilegien“ der Eisenbahner. In Wirklichkeit geht es nicht um die Abschaffung von Privilegien, sondern um die Schleifung erkämpfter Sonderregelungen für die Eisenbahner als Ausgleich für die Nachteile und Erschwernisse der vielen Nacht- und Feiertagsarbeit und andere. Es geht also auf beiden Seiten der Barrikade um sehr viel.

Deshalb bedient sich Emmanuel Marcron auch des Mittels der Täuschung und Arglist. So versuchte er schon vor Streikbeginn, die Bahnbelegschaft zu spalten und unterbreitete dazu das vergiftete Angebot, die Streichung der sozialen Errungenschaften solle nur für neueingestellte Mitarbeiter gelten. Der gelernte Investmentbanker Macron versucht durch merkelsches „Aussitzen“ den Widerstandswillen der Kolleginnen und Kollegen buchstäblich auszuhungern und damit die Streikfront zu brechen. Bekanntlich erhalten in Frankreich die Streikenden kein Streikgeld. Dieser Arbeitskampf muss erfolgreich sein, Sieg oder Niederlage sind von immenser Tragweite nicht nur für die französische, nein auch für die gesamte europäische Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung.

Eine Niederlage der französischen Cheminots veränderte das Kräfteverhältnis zwischen Arbeit und Kapital ein weiteres Mal zu Ungunsten der arbeitenden Menschen. So wie damals 1984, als die erzkonservative „Eiserne Lady“ Margaret Thatcher die britischen Bergarbeiter in einen zwölfmonatigen Arbeitskampf trieb, der die Kumpels am Ende erfolglos in die Knie zwang. Und noch ein anderer Aspekt, auf den die Kolleginnen und Kollegen der GEW Hessen hinweisen, macht diesen Arbeitskampf so bedeutsam. „Der Streik ist also der Kampf einer sozial abgesicherten Belegschaft für die Rechte der jungen Generation. Diese Haltung ist bemerkenswert und verdient den höchsten Respekt!“

Um diesen Kampf zu unterstützen startete unlängst die GEW Hessen eine Spendenkampagne für die streikenden französischen Eisenbahner dem sich inzwischen auch der hessische ver.di-Fachbereich Medien anschloss. Schon im April meldete sich die deutsche Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) mit einen Solidaritätsaufruf: „Die EVG solidarisiert sich ausdrücklich mit den streikenden Kolleginnen und Kollegen in Frankreich (…) Und „Damit dieser Druck aber auch weiterhin aufrechterhalten werden kann, benötigen unsere Schwesterngewerkschaften unsere Hilfe.“ Die EVG ruft daher dazu auf, die Kolleginnen und Kollegen bei ihrem Widerstand gegen die Reform zu unterstützen und zu spenden.

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"Agenda 2010 als Vorbild", UZ vom 15. Juni 2018



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