Was ist los, wenn die deutschen Leitmedien einen neuen Militäreinsatz der EU nicht loben und preisen, sondern ihn kritisch betrachten, ja sogar gute Argumente gegen ihn vorbringen? Nun, ganz einfach: Dann geht es um eine Intervention, die einmal nicht den Interessen von Deutschlands herrschender Klasse entspricht, ihnen vielleicht sogar zuwiderläuft. Genau dies ist bei dem neuen EU-Einsatz in Mosambik der Fall, den die Union am 12. Juli beschlossen hat. Bei ihm handelt es sich um einen sogenannten Ausbildungseinsatz, ähnlich wie in Mali. Im Rahmen von EUTM Mozambique sollen bis zu 300 Militärs aus der EU Soldaten der mosambikanischen Streitkräfte trainieren, und zwar zunächst einmal für zwei Jahre. Die Führung übernimmt Portugal. Truppen stellen daneben vor allem Frankreich und Italien. Die Bundeswehr hält sich fern.
Anlass für den Einsatz ist ein blutiger Aufstand in Cabo Delgado, Mosambiks nordöstlichster Provinz an der Grenze zu Tansania. Die Provinz ist von der Regierung in Maputo, mehr als 2.000 Kilometer südlich unweit der Grenze zu Südafrika gelegen, lange sträflich vernachlässigt worden. Sie ist eine der ärmsten Regionen des ohnehin schwer darbenden Landes. Eigentlich hätte sie durchaus Chancen, ökonomisch Fortschritte zu erzielen: Im vergangenen Jahrzehnt sind im Landesinneren Rubin-Minen, vor der Küste wiederum satte Erdgaslagerstätten entdeckt worden. Mit beidem lässt sich viel Geld verdienen. Nur: Von dem Reichtum kommt kaum etwas bei der Bevölkerung an. Während auswärtige Konzerne sich in Deals mit Maputo den profitablen Zugriff auf die Rohstoffe gesichert haben – Gemfields (Großbritannien) auf die Rubine, Total (Frankreich), Eni (Italien) und CNPC (China) auf das Gas –, wurden hunderte Familien zwangsweise umgesiedelt, weil sie den Förderprojekten an der einen oder anderen Stelle im Weg waren.
Der Unmut ist breit. Gezündet hat er jedoch vor allem bei Teilen der Muslime, die gut die Hälfte der Bevölkerung von Cabo Delgado ausmachen. Jahrelang hatten kenianische Dschihadisten sich bemüht, an der Küste hinunter bis nach Mosambik hinein zu agitieren. Ihr Bestreben hatte letzten Endes Erfolg: Nach zunehmenden Übergriffen junger mosambikanischer Dschihadisten startete am 5. Oktober 2017 eine Organisation, die zumeist Ansar al Sunna, zuweilen aber auch Al Shabab genannt wird, mit einem Überfall auf die Küstenstadt Mocímboa da Praia den bewaffneten Aufstand. Dieser hat inzwischen rund 3.000 Menschen das Leben gekostet; fast 800.000, knapp ein Drittel der Einwohner, sind vertrieben worden. Für die EU ausschlaggebend war allerdings, dass Ansar al Sunna am 24. März 2021 die Küstenstadt Palma überfiel, das Tor zu dem drittgrößten Erdgasfeld Afrikas, das Total ausbeuten will. Das Investitionsvolumen beläuft sich auf 17 Milliarden Euro.
Total sah sich nach dem Überfall gezwungen, die Förderaktivitäten einzustellen. Das aber hat die französische Regierung veranlasst, den Druck bezüglich militärischer Schritte in Mosambik zu erhöhen. Portugal war wegen seiner Sonderinteressen als ehemalige Kolonialmacht ohnehin daran interessiert – Deutschland jedoch nicht. Schließlich mischt Wintershall bei der Erdgasförderung in Mosambik nicht mit. Berlin kann dem Einsatz auch deshalb nichts abgewinnen, weil die Soldaten aus der EU, die dort intervenieren, anderswo fehlen, wo deutsche Interessen betroffen sind. Und so zitiert nicht nur die „Tagesschau“, sondern sogar „Die Welt“ zwei Vertreterinnen von „Brot für die Welt“, die warnen, eine militärische Intervention werde „die Probleme nicht lösen“ und die Lage der Bevölkerung „noch weiter verschlechtern“. Damit haben sie vollkommen Recht. Nur: Weder in der „Tagesschau“ noch bei Springer kommen sie, wenn es um Einsätze im Interesse der herrschenden Klasse Deutschlands geht, mit ihrer zutreffenden Kritik zu Wort. Kritisiert werden dort ausschließlich Einsätze, die Berlin nicht wünscht.