Ausbildungs- und Berufsverbote in Bayern mit dummdreisten Begründungen

AfD-Maßstäbe wirken

Kolumne

Am 4. Februar berichteten verschiedene Medien, Gabriel Bruckdorfer, Kandidat bei den Bundestagswahlen für „Die Linke“, habe wegen seines politischen Engagements seinen Nebenjob an der Augsburger Universität verloren. Grund dafür sei, dass man als Mitglied der Linkspartei unter 35 Jahren automatisch auch Mitglied in der Linksjugend Solid sei. Die aber steht in Bayern auf der Liste „extremistischer oder extremistisch beeinflusster Organisationen“. Der 25-Jährige steht vor dem Abschluss seines Bachelorstudiums in Erziehungswissenschaften, angestellt war er für die EDV-Betreuung. Die Universität ließ seinen Arbeitsvertrag Ende 2024 auslaufen mit Verweis auf „extremistische Zielsetzungen“, wie es in einer E-Mail der Universität an Bruckdorfer hieß. Damit gemeint war die Mitgliedschaft in der Linksjugend. Gegenüber „junge Welt“ erklärte Bruckdorfers Anwältin Adelheid Rupp, laut Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg reiche die reine Mitgliedschaft in einer „extremistischen Vereinigung“ nicht für Kündigungen aus, dazu müsse das „aktive Stellen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung“ kommen.

Darauf kam es bei Berufsverboten in der BRD allerdings noch nie an. Einziges Kriterium war stets die Vokabel „extremistisch“. Die ist juristisch nicht definiert, beruht auf der Gesäßgeographie bürgerlicher Parlamente und ist als Willkürwaffe vom Verfassungsschutz aufwärts bei allen rechten Kräften in der BRD seit jeher beliebt. Allein das berechtigt dazu, Bruckdorfer als verfassungsfeindlich zu bezeichnen. Rechtsstaatlichkeit des eigenen Handelns interessiert dort nicht.

Diesen Prägestempel trug der „Radikalenerlass“ von 1972, was international zwar Stirnrunzeln auslöste, aber den hartleibigen BRD-Staat nicht beeindruckte. Schon deswegen wird nach diesem Muster in Bayern bis heute rausgeworfen und ausgegrenzt. Nur bei den Berufsverboten für Hunderttausende, wenn nicht Millionen DDR-Bürger nach 1990 verzichtete man auf Schriftliches, das öffentlich gemacht werden kann. Die Verbote galten zumeist unausgesprochen, es herrschte sozusagen Willkür hoch zwei. Das Gejammer über zu wenig Ostdeutsche in Führungspositionen ist Heuchelei und gehörte stets zum Geschäft von Eroberern. Ach, da gab es Begabungen? Wie schade um sie.

Am Montag nun postete die angehende Lehrerin und Klimaaktivistin Lisa Poettinger auf X: „Heute hätte mein erster Schultag als Referendarin angefangen. Stattdessen hat meine Anwältin Adelheid Rupp die einstweilige Anordnung eingereicht.“ Am 11. Februar war Poettinger der 105 Seiten umfassende Bescheid des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus zugestellt worden mit der Aussage: „Die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Gymnasien zum Termin Februar 2025 wird Ihnen untersagt.“ Zur Begründung wurden fast ausschließlich Stellungnahmen des Verfassungsschutzes herangezogen. Darunter zum Beispiel diese: „Nach Mitteilung des Verfassungsschutzes vom 5. 11. 2024 stammt der Begriff der ‚Profitmaximierung‘ aus dem Kommunismus und wertet Gewinnstreben in der Wirtschaft ab.“ Poettinger hatte den Begriff in einem Interview zur Internationalen Automobilausstellung benutzt. Weiter belehrten die offenbar umfassend gebildeten Geheimdienstler: „Eintreten für den ‚Klassenkampf‘“ sei mit der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ nicht vereinbar, denn dies sei „synonym für die Forderung nach Abschaffung des Kapitalismus“ und damit der Demokratie.

Das dummdreiste Niveau des Alice-Weidel-Diktums, wonach Hitler ein „linker Kommunist“ gewesen sei, erreichen solche Herrschaften spielend. Es bedarf keiner AfD in Regierungen, um deren Maßstäbe zur Zerstörung von Berufsbiographien durchzusetzen. Die Bundesrepublik ist nicht nur in Bayern längst weiter.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"AfD-Maßstäbe wirken", UZ vom 21. Februar 2025



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Haus.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit