Landtagswahl befördert Spekulation um Merkel-Dämmerung

AfD kommt im Bürgerblock an

Von Lucas Zeise

Die AfD hat bei der Landtagswahl 20,8 Prozent der Stimmen in Mecklenburg-Vorpommern geholt. Das ist weniger als in Sachsen-Anhalt, ungefähr so viel, wie von den Meinungsforschern vorhergesagt und vor allem mehr als die Volkspartei CDU in Meck-Pomm gewann. (19 Prozent). Offiziell ändert das Wahlergebnis nicht viel. Die SPD bildet voraussichtlich mit der CDU weiter die Regierung in Schwerin. Dafür ändert sich bundesweit spürbar die politische Großlandschaft.

Ganz offen und von vielen Seiten spekuliert die Presse über ein Ende der Regierung Merkel. Die Kanzlerin räumt – vom G-20-Gipfel im chinesischen Hangzhou herab – Fehler ein. Der Ausgang der Wahl habe etwas mit ihrer Flüchtlingspolitik zu tun. Damit stimmt Frau Merkel in den neuen Konsens ein, der da lautet: Die Alternative für Deutschland habe zum Ausdruck gebracht, dass die Menschen im Lande eine andere Flüchtlingspolitik wollen. Die Legitimität der AfD und ihrer Forderungen ist damit allgemein festgestellt. CSU-Vorsitzender Horst Seehofer stellt dröhnend und zu Recht fest, dass seine Partei keine Kurskorrektur in der Flüchtlingsfrage vornehmen muss, und bringt sich selbst als besserer Kanzlerkandidat der Union ins Spiel. Dass die Berliner Regierungsparteien die Kurskorrektur nach rechts bereits vorher vorgenommen hatten, wird ansonsten meist verschwiegen. Neu ist, dass die Rechtspartei nun als Korrektiv einer legitimen Oppositionspartei gilt.

Die AfD ist damit in der bürgerlichen Mitte angekommen. Von dort, aus den Reihen der Union und der FDP, ging sie auch aus. Der Spitzenkandidat der AfD, Leif-Erik Holm, betont am Wahlsonntag in Schwerin wiederholt, dass seine Partei eine bürgerliche sei. Und Alexander Gauland, früher CDU und heute AfD, sieht voraus, dass seine jetzige Partei die CDU als Partei der bürgerlichen Mitte ablösen werde. In Schwerin wollen die im Landtag verbliebenen drei Parteien, SPD, CDU und „Linke“, den Kurs der Ausgrenzung, wie er gegenüber der NPD galt, gegenüber der AfD ausdrücklich nicht fortsetzen. Der „Igitt-Faktor“, mit dem laut Feuilleton der „FAZ“ die Parteiführer bis dato die AfD vom politischen Geschäft ausgeschlossen hatten, wird nun abgebaut. Die Forderungen der AfD nach Kurskorrektur sind bereits weitgehend akzeptiert. Wie weit und auf welche Weise diese Partei selbst ins politische Gefüge aufgenommen wird, bleibt noch offen.

Das Parteiengefüge muss nicht immer so stabil sein wie in der Bundesrepublik bisher. Erinnerungen an Italien werden wach, als Christdemokraten, Sozialisten und Kommunisten verschwunden und der Rechtspartei des Milliardärs Silvio Berlusconi gewichen sind.

Die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern war eine Protestwahl nicht nur gegen die Flüchtlingspolitik, sondern auch gegen den Sozialabbau der Regierung Merkel, schreibt völlig zu Recht Oskar Lafontaine. Weder die Regierungsparteien noch die Presse oder gar die AfD selber heben diesen wichtigen Punkt hervor. Auch die Linkspartei hält sich mit Hinweisen darauf zurück. Der DKP gelang es nur ganz vereinzelt, ihr Sofortprogramm und den Wählern nahe zu bringen. Das Ergebnis dieser Wahl ist somit ein weiterer Ruck nach Rechts. Offen bleibt, ob die neue bürgerliche Rechtspartei AfD oder der etablierte Bürgerblock dabei die Führung übernehmen.

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"AfD kommt im Bürgerblock an", UZ vom 9. September 2016



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