Die Proteste in Bonn anlässlich der UN-Weltklimakonferenz richteten sich unter anderem gegen die deutsche Klimapolitik, die nach Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wirtschaftsverträglich sein müsse. „Wenn Stahlwerke, Aluminiumwerke, Kupferhütten, wenn die alle unser Land verlassen und irgendwohin gehen, wo die Umweltvorschriften nicht so gut sind, dann haben wir für das Klima auf der Welt auch nichts gewonnen“, hatte sie in einer Videobotschaft gesagt. Demonstranten zeigten daraufhin am Samstag Transparente mit dem Schriftzug „Frau Merkel verschläft den Klimaschutz“.
Allerdings: Sie verschläft nicht den Klimaschutz, sondern hat in den vergangenen Jahren in erster Linie eine Politik im Interesse der Industriekonzerne und Banken gemacht. Angesichts der hoffnungslosen Lage, dass die deutschen Klimaziele noch irgendwie zu erreichen sind, erteilt sie der Klimapolitik eine deutliche Absage.
Dass die Lage hoffnungslos ist, zeigt ein Bericht von Experten des Bundeswirtschaftsministeriums, auf acht Seiten haben sie ein Papier als Argumentationshilfe für die Sondierungsgespräche geschrieben. Kern der Aussage: Deutschland verfehlt seine Klimaziele meilenweit. Und unter ökonomischen Gesichtspunkten sei es unmöglich, die Versprechen umzusetzen, welche die schwarz-rote Bundesregierung bis 2030 gegeben hat. Es sei denn, man riskiere notfalls auch Deutschlands Wohlstand.
In dem Arbeitspapier heißt es: „Gemäß der aktuellen Schätzung des Jahres 2016 konnte das Ausmaß an Treibhausgas-Emissionen seit dem Jahr 1990 – also in mehr als 25 Jahren – um ca. 28 Prozentpunkte reduziert werden“.
Für die verbleibenden 13 Jahre bis 2030 habe sich Deutschland das Ziel gesteckt, die Emissionen noch einmal um 27 Prozentpunkte zu senken. „Um dieses Ziel zu erreichen, müsste die Reduktionsleistung pro Jahr fast doppelt so groß ausfallen wie in den zurückliegenden 26 Jahren.“ Es handele sich um ein „extrem ambitioniertes – genauer – nicht realisierbares Ziel“.
Die Bundesregierung wird sich kaum als Antreiber zu ehrgeizigen Zielen betätigen. Deutschland wird die selbstgesetzten Klimaziele deutlich verfehlen und es ist nicht sichtbar, dass dies der Bundesregierung Kopfzerbrechen bereiten würde. Vielmehr nehme sie Veränderungen der Klimasysteme skrupellos in Kauf, sagte Günter Hermeyer von „Don’t nuke the climate“ und Sprecher des Bündnisses. „Wenn wir den Klimawandel bekämpfen wollen, darf nicht gleichzeitig der weltweite Warenverkehr durch immer mehr Freihandel angeheizt werden. Die nicht nur von der Atomlobby ins Spiel gebrachte angebliche Alternative des Atomstroms als ‚Klimawandelretter‘ könnte weltweit und besonders hier im Großraum Aachen-Köln-Bonn in absehbarer Zukunft die totale Vernichtung jeglicher Lebensmöglichkeit bedeuten. Auf gar keinen Fall lassen wir uns die todbringende Atomindustrie als grüne Energie verkaufen.“ Die Verstromung von Braunkohle gilt als mit Abstand klimaschädlichste Form der Stromgewinnung und als wesentlich mitverantwortlich für ein mögliches Verfehlen der deutschen Klimaziele. Andererseits stammt trotz aller Bemühungen um eine Energiewende weiter knapp ein Viertel des deutschen Stroms aus der Braunkohle. Noch-Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) hat derweil für einen Ausgleich zwischen Klimaschutz und wirtschaftlichen Interessen geworben. „Wir müssen zeigen, dass Klimaschutz und wirtschaftlicher Erfolg keine Gegensätze sind“, sagte Gabriel. Dabei betonte er die Verantwortung Deutschlands. „Nur wenn wir unter Beweis stellen, dass eine anspruchsvolle Klimapolitik nicht dazu führt, dass Arbeitsplätze und industrieller Erfolg darunter leiden, werden uns andere Länder folgen.“ Was für Arbeitsplätze erhalten werden müssen, welche neuen industriellen Bereiche ausgebaut werden sollten, sagt der Resteminister natürlich nicht, er will sich doch keinen Ärger mit Merkel und den Energiekonzernen einhandeln.