Absurde Propaganda auf der Straße widerlegen

Lars Mörking im Gespräch mit Wera Richter und Björn Schmidt

Björn Schmidt ist Mitglied des Parteivorstandes der DKP und kandidiert auf der konstituierenden Sitzung des PV erneut als Leiter der Friedenskommission.

Wera Richter ist stellvertretende Vorsitzende der DKP.

UZ: Die DKP hat auf ihrem 22. Parteitag Anfang März beschlossen, bis zu ihrem UZ-Pressefest Anfang September 30000 Unterschriften für den Aufruf „abrüsten statt aufrüsten“ zu sammeln. Nun sind ja noch einige andere Aufrufe im Umlauf, die die DKP unterstützen könnte, zumal dieser Appell nicht thematisiert, dass Deutschland Krieg führt. Was ist das Besondere an „abrüsten statt aufrüsten“?

Wera Richter: Die Kampagne richtet sich gegen die Aufrüstungspläne der Bundesregierung, gegen die Erhöhung der Rüstungsausgaben auf 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Diese Erhöhung haben die NATO-Staaten auf Anforderung der USA 2014 in Wales vereinbart. Die Große Koalition hat das 2-Prozent-Ziel entgegen den Wahlversprechen der SPD in ihrem Koalitionsvertrag bestätigt. Dabei geht es um die Verdopplung des Rüstungshaushaltes von 37 auf etwa 75 Milliarden Euro im Jahr 2024.

Hinter diesen 2 Prozent stecken nicht nur Unsummen von Geld, die wir für anderes brauchen. Dahinter steht die Kriegführungsfähigkeit der Bundeswehr und damit die Stärkung des deutschen Imperialismus im Rahmen der US-geführten NATO und des europäischen Kriegsbündnisses PESCO. Deutsche Soldaten sind heute weltweit an 14 Kriegseinsätzen beteiligt und nehmen innerhalb der NATO Führungspositionen nicht zuletzt beim Vormarsch gegen Russland ein. Dafür werden die 2 Prozent gebraucht.

Die imperialistischen Kriege und die gefährliche NATO-Aggression müssen gestoppt werden. Dazu braucht es Aufklärung – nicht zuletzt gegen die absurde Feindpropaganda gegen Russland, mit der die Hochrüstung begründet wird. Die Kampagne der Friedensbewegung ist dafür ein sehr gutes Instrument.

UZ: Die DKP hat bereits im Bundestagswahlkampf mit Plakaten „Meinst du, die Russen wollen Krieg?“ geworben. Nun wird der russischen Regierung unter anderem vorgeworfen, Morde in Auftrag zu geben, sie greift in Syrien militärisch ein und rüstet auf. Ist Russland nicht doch Aggressor?

Unterschriftenaktion der DKP in Berlin

Unterschriftenaktion der DKP in Berlin

( Gabriele Senft)

Björn Schmidt: Die Hysterie wegen der Vergiftung eines ehemaligen Agenten in Großbritannien ist eine durchsichtige Hetzkampagne gegen Präsident Wladimir Putin. Sie steht im Einklang mit der Aggression des Westens gegen die Russische Föderation.

Zur jüngsten Aufrüstung in Russland ist zu sagen, dass es sich vor allem um eine Neutralisierung des US-Raketenabwehrschildes handelt. Für den Fall, dass der Westen versuchen sollte, die russische Zweitschlagsfähigkeit zu verhindern, hatte Russland diesen Schritt bereits vor mehr als 15 Jahren angekündigt. Russland sieht seine Sicherheit nur durch das nukleare Gleichgewicht gewährleistet. Insofern sind die von Putin vorgestellten neuen Waffensysteme keine Überraschung.

Ich verstehe es aber, wenn nun bei Friedensaktivisten Stirnrunzeln einsetzt und ein neues atomares Wettrüsten befürchtet wird. Man muss genau hinsehen, wer da auf die Tube drückt. Der Westen gibt derzeit mehr als das Zehnfache des russischen Militärhaushalts aus. Im vergangen Jahr hat Russland seinen Militäretat um rund 12 Prozent gekürzt. Für 2018 und 2019 sind weitere Kürzungen angekündigt.

UZ: Bleibt Syrien …

Björn Schmidt: Seitdem Russland auf Bitten der syrischen Regierung in den Konflikt eingegriffen hat, konnte der Westen seinen Plan nicht umsetzen, das Land mit Hilfe von diversen Söldnerbanden zu zerschlagen. Die Journalistin Karin Leukefeld und der UZ-Autor Manfred Ziegler berichteten vielfach über die Bemühungen Russlands zum Beispiel über sogenannte Versöhnungskomitees den Frieden innerhalb Syriens wiederherzustellen. Die blutige Neuordnung des Nahen Ostens nach den Vorstellungen des Imperialismus ist durch Russlands Eingreifen massiv gebremst geworden.

UZ: Wem nutzt dieser Propagandafeldzug?

Wera Richter: Die Bevölkerung will keinen Krieg. Die massive Aufrüstung steht völlig quer zu den Interessen der Menschen in diesem Land. Auch die Aggression gegen Russland ist nur schwer zu verkaufen. Die Losung „Frieden mit Russland“ ist doch viel näherliegend.

Das wissen auch die Kriegstreiber. Sie geben ihr Mögliches, um diese Stimmung zu kippen. Dafür stehen die aggressive Bundeswehrwerbung, die Soldatenbesuche in Schulen und neuerdings sogar in Kitas. Die Aufrüstungspläne werden flankiert von Jammerberichten über den Zustand und die schlechte Ausrüstung der Bundeswehr. Es scheint ja, als müssten „unsere Jungs“ barfuß und mit bloßen Händen unsere Interessen an der russischen Grenze verteidigen.

Wir haben oft bemängelt, dass sich die breite Ablehnung gegen Kriegspolitik nicht in Widerstand auf der Straße ausdrückt. Die Kampagne „abrüsten statt aufrüsten“ hat das Zeug, das zu ändern, wieder mehr Menschen zu mobilisieren. Das besondere an dem Aufruf ist nicht zuletzt, dass zu den Erstunterzeichnern vier Gewerkschaftsvorsitzende gehören. Die Friedensfrage muss stärker in die Interessenvertretungen, Betriebe und Belegschaften getragen werden. Dazu wollen wir unseren Beitrag leisten.

UZ: Welche Akzente will die DKP in der Kampagne setzen?

Wera Richter: Wir haben immer auf den Zusammenhang von Kriegspolitik und Sozialabbau hingewiesen. Das tun wir, und das tut die Friedensbewegung auch mit dieser Kampagne. Das Geld, das in die Rüstung fließt, gehört in den Bau von Schulen, Kindergärten und Krankenhäusern. Wir brauchen es für mehr LehrerInnen, ErzieherInnen und Pflegekräfte, den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs …

Darum geht es aber nicht allein. Wir wollen über die Ursachen und Verursacher der Kriegspolitik aufklären. Wir müssen die Propaganda widerlegen, immer wieder deutlich machen, dass die NATO der Hauptaggressor ist, dass von diesem Kriegsbündnis die Hauptkriegsgefahr ausgeht.

UZ: Ist das nicht eine Überbewertung der NATO? Mit dem Beginn der Amtszeit von US-Präsident Trump scheinen die Konflikte innerhalb des Militärbündnisses größer zu werden. Die deutsche Regierung treibt das Projekt einer EU-Armee voran. Wackelt das Militärbündnis NATO nicht?

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( Gabriele Senft)

Björn Schmidt: Leider nein. Der Kern bleibt die Aufrechterhaltung der westlichen, imperialistischen Weltordnung, die sich vor allem in der gemeinsamen Gegnerschaft zu China, der Russischen Föderation und anderer Staaten ausdrückt.

Das ist auch an der bundesdeutschen Militärstrategie sichtbar, wie sie im „Weißbuch der Bundeswehr“ niedergelegt ist. Darin wird Russland praktisch zum Gegner der BRD erklärt. Im Koalitionsvertrag der neuen GroKo wird ausführlich die „Werte- und Interessengemeinschaft“ mit den USA beschworen.

Dass das US-amerikanisch-deutsche Bündnis in den letzten Jahren an Gewicht gewonnen hat ist kein Zufall. Es ist ja gerade der ökonomische Abstieg der USA, der einen ökonomisch, politisch und militärisch potenten Bündnispartner wie die BRD tendenziell bedeutsamer macht. In der zwischenimperialistischen Konkurrenz ist es nun für die europäischen Staaten tatsächlich möglich, gegenüber dem US-Imperialismus als Bündnispartner mit Gewicht aufzutreten – aber nicht gegen ihn. Das ändert sich auch nicht durch das europäische Kriegsbündnis PESCO, das einen perfekten Rahmen für die NATO-Aufrüstungspläne schafft.

UZ: 30 000 Unterschriften – das ist in etwa auch die Summe, die bisher insgesamt unter den Aufruf gesammelt wurde – will die DKP beisteuern, das ist schon eine Ansage. Wie kann das Ziel erreicht werden?

Wera Richter: Unsere Parteigruppen, unsere Genossinnen und Genossen, müssen nun mit dem Aufruf auf die Straße und in die Aktion. Die Orientierung des Parteitages auf die Kampagne „abrüsten statt aufrüsten“ gehört nun auf die Tagesordnung der Gliederungen. Dort muss diskutiert und geplant werden: Wo können und wollen wir sammeln, wen wollen wir ansprechen? Können wir vor oder in Betrieben, bei Kolleginnen und Kollegen aktiv werden? In welche Stadtteile gehen wir? Wie machen wir uns fit für die Diskussion? Wie viele Unterschriften trauen wir uns zu, was setzen wir uns in der Gruppe für Ziele?

In Berlin haben wir am Samstag eine Aktion auf dem Alexanderplatz gemacht. Die Dimension der Rüstungsausgaben wurde mit Hilfe von stapelbaren Pappkartons dargestellt. Die Bilder von Panzern und Bomben wurden schließlich durch Bilder von Wohnungen und Krankenhäusern ersetzt. Das hat selbst im größten Einkaufsrummel Aufmerksamkeit erregt und geholfen, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen und Unterschriften zu sammeln. Eine solche Aktion kann jede Gruppe recht einfach auch im Wohngebiet machen.

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"Absurde Propaganda auf der Straße widerlegen", UZ vom 29. März 2018



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