Dieses Mal hat Bundeskanzler Olaf Scholz persönlich eingeladen. Am 10. Mai trifft er mit den Ministerpräsidenten der Länder zusammen, um über den desolaten Zustand der Flüchtlingsunterbringung sprechen. Wegen der persönlichen Beteiligung des Kanzlers wurde das Gespräch zum „Flüchtlingssondergipfel“ gekürt. Die bisherigen Flüchtlingsgipfel von Bundesinnenministerin Nancy Faeser im Oktober 2022 und Februar 2023, die außer leeren Versprechungen jeweils ohne Ergebnis blieben, erzählen die Geschichte eines grandiosen Scheiterns der ampelkoalitionären Flüchtlingspolitik.
Die Frage, was bei der anstehenden Sonderkonferenz konkret besprochen oder entschieden werde, ließ die zuständige Regierungssprecherin ratlos zurück. „Ergebnisoffen“ werde das Treffen verlaufen, im Übrigen könne sie den Besprechungen nicht vorgreifen. Vom Kanzler sind sicher keine neuen Impulse zu erwarten. Scholz wird ohnehin eher damit beschäftigt sein, letzten Schliff an seine Laudatio für die Karlspreis-Verleihung am 14. Mai an Wladimir Selenski anzulegen. In den Kommunen steht die Situation Spitz auf Knopf, es fehlt am Nötigsten, und das seit Monaten. Die chronisch unterbesetzten Ausländerbehörden arbeiten am Limit, zehntausende Verfahren bleiben monatelang liegen, weil vorrangig Anträge der über eine Million ukrainischen Geflüchteten bearbeitet werden müssen. Die noch vor Jahresfrist von der Regierung enthusiastisch gestreute Hoffnung, die kriegsbedingte Zuwanderung werde den Mangel an Fachkräften vor allem im Bereich der Pflege beseitigen, hat sich zerschlagen. Obschon unmittelbar nach Grenzübertritt mit Arbeitserlaubnissen ausgestattet, fand mittlerweile lediglich ein Zehntel eine Anstellung, mehr als 400.000 sind in die Arbeitslosenstatistik eingegangen.
Derweil schwelt der Streit zwischen Bund, Ländern und Kommunen über die Finanzierung des Wohnraums für Flüchtlinge und Schutzsuchende. Anders als bei den ukrainischen Flüchtlingen, die keinen Asylantrag stellen müssen, sind Asylantragsteller aus anderen Kriegs- und Krisengebieten verpflichtet, in Gemeinschaftsunterkünften zu leben. Aufgrund des Mangels an bezahlbarem Wohnraum bleibt das Containerdorf, die umfunktionierte Gewerbehalle oder die Behelfsunterkunft für die meisten Geduldeten auch nach Jahren noch ihre Heimat, selbst wenn sie sich zu schlechtem Lohn in einem Arbeitsverhältnis verdingen konnten.
Mittlerweile können die kommunalen Haushalte noch nicht einmal mehr diese Unterkünfte finanzieren. Die Ebbe in den kommunalen Kassen führte Gerd Landsberg, Chef des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), in einem SWR-Interview vom 8. April auf die Ukraine-Politik der Bundesregierung zurück: Der Bundestag beschließe den Bundeshaushalt, habe „sich für die Aufnahme ukrainischer Vertriebener entschieden (und müsse) insofern auch die Kosten tragen“. Für Unterbringung, Sprachkurse, Schul- und Kitaplätze sowie Eingliederungsmaßnahmen fehle schlicht das Geld. Die Kommunen gehen für das laufende Jahr von einem Finanzbedarf von insgesamt 8 Milliarden Euro aus, der Bund hat aber bisher nur 2,75 Milliarden zugesichert.
Finanzminister Christian Lindner hat für die Forderung der Kommunen wenig Verständnis. „Wir haben die Flüchtlinge aus der Ukraine alle ins Bürgergeld übernommen, das heißt, der Bund zahlt für ihren Lebensunterhalt“, so Lindner. Eines sagte er nicht: Dass die milliardenschweren Waffenlieferungen an die Ukraine genau jenes Flüchtlingselend produzieren, zu dessen Linderung nun kein Geld mehr da ist. Für die Asylbewerber aus den aktuellen Krisenregionen Syrien, Nordirak, Afghanistan und Nordafrika wird der Flüchtlingsgipfel neue Maßnahmen zur Abschottung diskutieren: Marokko, Algerien und Tunesien sollen als „sichere“ Drittländer eingestuft werden, Asylanträge werden von vornherein unzulässig. Innenministerin Nancy Faeser träumt laut „Bild“ inzwischen von „hohen Zäunen und Mauern“ an den EU-Außengrenzen. Laut der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vom 30. April plant sie zudem „rechtsstaatliche Migrationsabkommen mit Drittstaaten“. Deutsche Asylverfahren sollen demnächst, so der Plan, vor Ort in Afrika oder sonst wo auf der Welt durchgeführt werden – Hauptsache, weit weg.