Zäune, Stacheldraht, Soldaten – besonders die südöstlichen EU-Staaten verstärken die Befestigung ihrer Grenzen. Nach Bulgarien und Griechenland schottet sich nun auch Ungarn mit einem mehrere Meter hohen, stacheldrahtbewehrten „Grenzzaun“ gegen Flüchtlinge ab – und verhindert damit präventiv deren Weiterreise in die Bundesrepublik.
Weil selbst die quasimilitärische Befestigung der EU-Außengrenzen mutmaßlich nicht ausreichen wird, um die unerwünschte Einreise von Flüchtlingen umfassend zu verhindern, dringt Berlin nun mit aller Macht auf die Errichtung sogenannter Aufnahmezentren („Reception Centres“) in EU-Randstaaten und in angrenzenden Ländern. In ihnen sollen im Idealfall sämtliche Flüchtlinge sofort nach ihrer Einreise versammelt werden, um sie einem vereinheitlichten Kontrollmechanismus zu unterziehen. Im aktuellen EU-Jargon ist von einem „Hotspot-Ansatz“ die Rede.
Nach den neuen EU-Plänen sollen ankommende Flüchtlinge in den Flüchtlingslagern zunächst einem medizinischen „Screening“ und dann einem Prozess der „Identifizierung“ und „Registrierung“ unterzogen werden. Nach Möglichkeit folgt ein „Debriefing“ – eine behördliche Befragung vor allem über Fluchtrouten und Fluchthelfer. Wer sich der Entnahme von Fingerabdrücken verweigert, kann inhaftiert oder gar abgeschoben werden. Es folgt ein „Dublin Check“, mit dem offiziell festgestellt wird, ob der Einreisestaat für ein Asylverfahren zuständig ist. Ein „beschleunigtes Verfahren“ soll gegebenenfalls eine rasche Abschiebung ermöglichen. Die deutschen Behörden würden damit weitestgehend entlastet. Berlin macht entsprechend Druck. „Wir können keine Verzögerungen akzeptieren“, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ein erstes „Reception Centre“ befindet sich im italienischen Catania (Sizilien) bereits im Aufbau; ein zweites im griechischen Piräus ist geplant.
Innenminister de Maizière plädiert dafür, vergleichbare Einrichtungen auch außerhalb der EU zu etablieren. Entsprechende Pläne hatte bereits im Jahr 2004 der damalige Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) verfolgt und dafür geworben, Flüchtlingslager in Libyen zu errichten. Daraus ist nichts geworden, und nach dem Zerfall Libyens, den die NATO 2011 mit ihrem Krieg zum Sturz von Muammar al Gaddafi einleitete, ist das Land zum unkontrollierbaren Transitland von Flüchtlingen geworden.
De Maizière spricht sich daher für den Aufbau eines EU-finanzierten Flüchtlingszentrums in der Türkei aus. Zwar leiste das Land mit seinen Flüchtlingslagern „an der Grenze zu Syrien“ viel, erklärt der Bundesinnenminister; tatsächlich gewährt Ankara zur Zeit fast zwei Millionen Syrern Schutz. Allerdings warteten „in der Gegend von Izmir viele, viele tausend Menschen, vielleicht Hunderttausende auf ihre Ausreise nach Europa“, behauptete de Maizière Ende vergangener Woche in einem Interview: „Auch dort – glaube ich – muss gegebenenfalls ein großes Flüchtlingslager gebaut werden, um von dort dann zu entscheiden, wer nach Europa kommen kann“.