Postbank, Versicherungen, öffentliche Banken: ver.di akzeptiert Reallohnverlust

Abschlüsse im Zeichen der Kriegswirtschaft

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) brachte es, etwas verquast zwar, aber doch auf den Punkt: „Wir sind quasi Kriegspartei, als Wirtschaftskriegspartei“, zitierte ihn am 1. April die FAZ, und er machte klar, was das bedeuten würde: „Wir werden dadurch ärmer werden.“

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die an ihrer Spitze in den letzten Jahrzehnten wie keine andere durch die „Grünen“ geprägt wurde, hat diesen Kurs in den jetzt abgeschlossenen Tarifrunden für die Postbank, das Versicherungsgewerbe und die öffentlichen Banken in Zahlen gegossen.

Bei der Postbank bekommen die Mitarbeiter ab Juni 3,1 Prozent mehr Geld und im kommenden Februar noch einmal 2,1 Prozent, mindestens aber 100 Euro – Laufzeit bis Januar 2024. Das sei „angesichts der hohen Inflation gerade für die unteren und mittleren Einkommensgruppen ein guter Abschluss“, heißt es von ver.di.

Der Abschluss bei den öffentlichen Banken sieht zusätzlich zu der bereits im März gewährten Einmalzahlung von 750 Euro eine weitere Einmalzahlung in Höhe von 300 Euro im April, 3 Prozent Gehaltserhöhung ab 1. Juli 2022 und weitere 2 Prozent zum 1. Juli 2023 vor. Hier ist positiv zu vermerken, dass die Arbeitszeit ab Januar 2024 wöchentlich um eine Stunde auf 38 Stunden verkürzt wird. Zudem erhalten die Beschäftigten einen tariflichen Anspruch, bis zu 40 Prozent ihrer Arbeitszeit mobil arbeiten zu können. Der Tarifvertrag läuft bis zum 31. Mai 2024.

Im Versicherungsgewerbe erhalten die Beschäftigten im Mai eine Einmalzahlung in Höhe von 550 Euro, im Mai 2023 eine weitere in Höhe von 500 Euro. Die Tarifgehälter werden erst ab dem 1. September 2022 um dann 3 Prozent erhöht. Eine weitere Stufe erfolgt zum 1. September 2023 in Höhe von 2 Prozent. Erstmalig erhalten Teilzeitkräfte einen tariflichen Anspruch auf Zahlung von Zuschlägen bei der Ableistung von Überstunden. Die Ausbildungsvergütungen werden zum 1. September 2022 und 2023 um jeweils 50 Euro erhöht, hinzu kommen Einmalzahlungen in Höhe von 300 Euro beziehungsweise 250 Euro sowie ein Übernahmeanspruch nach erfolgreich absolvierter Ausbildung.

Angesichts der Entwicklung der Verbraucherpreise räumte Martina Grundler, ver.di-Verhandlungsführerin und Bundesfachgruppenleiterin Versicherungen, ein: „ver.di wollte diese Belastung durch die Arbeitgeber abgemildert haben. Wir hätten uns ein Ergebnis gewünscht, das die Einkommen der Beschäftigten in der wirtschaftlichen Krise noch stärker gesichert hätte. Die Geschäftsergebnisse hätten das zugelassen.“ Im Klartext: Auch dieser Abschluss mildert den Reallohnverlust nur ab, gleicht ihn aber nicht aus.

Das ist der gemeinsame Nenner aller drei Abschlüsse: Trotz der Einmalzahlungen, trotz der Festbeiträge bei den öffentlichen Banken – für alle Tarif­angestellten dieser Bereiche gibt es bis ins Jahr 2024 hinein Reallohnverlust.

Das gilt umso mehr, wenn die Entwicklung der Inflation ins Kalkül gezogen wird, von der die „FAZ“ am 1. April titelte: „Preise laufen aus dem Ruder“. Angesichts der Rohstoffpreise, die sich noch nicht bis zum Einzelhandel durchgearbeitet hätten, sei davon auszugehen, dass die jetzt erreichten 7,5 Prozent Kaufkraftverlust noch nicht das Ende der Fahnenstange bedeuteten. Der sogenannte „Wirtschaftsweise“ Volker Wieland sprach in einem am 31. März veröffentlichten Interview sogar davon, dass auch „zweistellige Inflationsraten“ nicht ausgeschlossen werden könnten – mit der „Friedensdividende“ sei es „erstmal vorbei“. Von wirklicher Kampfbereitschaft gegen die Losung „Gürtel enger schnallen für den Sieg“ war bei ver.di wenig zu spüren. Das magere Ergebnis bei den öffentlichen Banken etwa wurde vom dortigen Verhandlungsführer Christoph Schmitz so gerechtfertigt: „Das Ergebnis … kann sich vor dem Hintergrund der Pandemie und der schwierigen Lage in Europa, verursacht durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, mehr als sehen lassen.“ – Kriegswirtschaft eben.

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"Abschlüsse im Zeichen der Kriegswirtschaft", UZ vom 8. April 2022



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