Schon seit einem Jahr kämpfen 2.500 Kolleginnen und Kollegen bei Traton in der österreichischen Stadt Steyr um ihre Arbeitsplätze. Traton ist nicht irgendein Betrieb. Traton ist die LKW- und Bus-Sparte von VW. Mit ihren Marken MAN, Scania und „Volkswagen Caminhões e Ônibus“ gehört Traton zu den weltweit führenden Nutzfahrzeugherstellern. Konkret heißt dies: Platz 8 auf der Weltrangliste und Platz 2 in Deutschland.
Traton will höher hinaus, will auf den Marktführer Daimler aufschließen und die stärker werdende Konkurrenz aus China auf Abstand halten. Dazu will Traton den US-Anbieter Navistar übernehmen, an dem es bereits Anteile von 16,5 Prozent hat. Doch die Amerikaner wollen mehr als Traton bislang geboten hat – also muss von irgendwoher Geld kommen. In diesem Fall von den Menschen, die dort ihre Arbeitskraft verkaufen, nämlich den fast 100.000 Beschäftigten, die bei Traton im letzten Jahr fast 200.000 Fahrzeuge hergestellt und einen „bereinigten“ Gewinn von 135 Millionen Euro erwirtschaftet haben.
Das ist den Aktionären allerdings zu wenig. Deshalb kündigte im März 2020 der damalige MAN-Chef an, den Rotstift anzusetzen: „Wir müssen unsere Profitabilität deutlich steigern, um unsere zukünftige Wettbewerbsposition zu stärken“ verriet er im üblichen Manager-Sprech. Das Ziel für 2030 sei „ein Ergebnisplus von 1,8 Milliarden Euro.“ Im September ließ Traton die Katze aus dem Sack und kündigte an, dass bei MAN 9.500 Jobs gestrichen werden sollen. Allein in Steyr betrifft das 2.500 Beschäftigte oder anders ausgedrückt: Alle. Denn der Standort soll geschlossen werden. Der Hälfte der Beschäftigten in den Produktionshallen und Büros droht die Kündigung, die übrigen könnten in Deutschland oder Polen eingesetzt werden, der Verlagerung von Teilen der Produktion folgend.
Die Antwort der Kolleginnen und Kollegen auf die Schließungspläne war eindeutig: „Wir werden für unsere Arbeit mit allen Mittel kämpfen!“ Es blieb nicht bei starken Worten: Am 23. September 2020 zogen 4.000 Menschen auf einer Demonstration durch Steyr. Von vielen Seiten gab es Unterstützung. Um die Belegschaft ruhig zu stellen brachte MAN mit Siegfried Wolf einen Investor ins Spiel. Wer ist Wolf? Ein Unternehmer mit mehreren Sitzen in Aufsichtsräten und allerbesten Beziehungen in die Politik. Er schlug der Belegschaft ein „Rettungsangebot“ vor. Er werde das Werk übernehmen, wenn 1.250 die Kündigung akzeptieren und die anderen auf 15 Prozent ihrer Bezüge verzichten.
Die Beschäftigten lehnten das Übernahmeangebot ab. Doch nun „packte das Kapital die Peitsche aus“, wie es die österreichische „Zeitung der Arbeit“ formulierte. Der pensionierte beliebte Arbeiterbetriebsrat Erich Schwarz wurde mit einem Betretungsverbot für das Betriebsgelände belegt.
Angesichts der anhaltenden Proteste kündigte der „Retter“ am vergangenen Freitag an, Zugeständnisse zu machen. Die Lehrstellen sollen gesichert und 150 weitere Jobs über eine „Arbeitsstiftung“ erhalten werden. Ein lächerliches Zugeständnis, über das offenbar auch der Betriebsrat nicht mehr weiß als aus der Presse zu erfahren war. Helmut Emler, Vorsitzender im Betriebsrat, ist skeptisch: „Wenn es Änderungen gibt, dann soll er es bitte auf den Tisch legen“, forderte er. „Wir sehen das natürlich sehr kritisch. Aber man kann es natürlich versuchen. Wenn es Verbesserungen gäbe, dann kann man darüber reden.“
Nun kommt allerdings ein neuer Mann ins Spiel, bei dem die geplante Schließung des Traton-Standortes vermutlich bereits auf dem Schreibtisch liegt: Bernd Osterloh. Der neue Personalvorstand von Traton war bis vor zwei Wochen noch Vorsitzender des Konzernbetriebsrats von VW. Wie er agieren wird, das weiß im Moment wohl nur VW-Chef Herbert Diess, der Osterloh auf diesen Sessel gehoben hat. Zum Kampf der Kolleginnen und Kollegen in Steyr hat sich Osterloh bislang jedenfalls noch nicht geäußert.