Österreich führt die Impfpflicht ein

Ablenkung vom Totalversagen

Tibor Zenker

Am 20. Januar beschloss der österreichische Nationalrat eine allgemeine Impfpflicht gegen Covid-19. Ein entsprechendes Bundesgesetz war bereits im November des Vorjahres angekündigt worden und tritt Anfang Februar 2022 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt müssen sich alle in Österreich lebenden Menschen über 18 Jahre impfen lassen.

Ungeimpfte Personen – dies betrifft in Österreich gegenwärtig rund zwei von neun Millionen Menschen – müssen sich zunächst die ersten beiden Dosen verabreichen lassen, binnen 180 Tagen muss der dritte Stich erfolgen. Die Verweigerung zieht eine Geldstrafe nach sich: 600 Euro werden es pauschal sein, im Wiederholungsfall können über zwei Jahre – so lange gilt das Gesetz – 4.800 Euro zusammenkommen. Vermutlich verfassungswidrig ist die Regelung, dass im Falle eines Einspruchs gegen die 600-Euro-Strafe und somit eines ordentlichen Strafverfahrens eine automatische Erhöhung auf 3.600 Euro ansteht – kurz gesagt: Man will die Menschen davor abschrecken, Rechtsmittel einzulegen.

Allerdings wird nicht sofort gestraft. Bis 14. März passiert zunächst einmal gar nichts. Danach wird nur nebenbei kontrolliert, quasi nach Zufallsprinzip, etwa im Zuge sonstiger Amtshandlungen der Polizei: Kann eine Person zum Beispiel bei einer Fahrzeugkontrolle neben Führer- und Zulassungsschein keinen gültigen Impfnachweis vorweisen, so wird eine Geldstrafe verhängt. Erst ab April soll es ernst werden: Dann wird nach Personen- und Impfregister flächendeckend nachgeforscht und ungeimpfte oder nicht ausreichend geimpfte Menschen werden systematisch zur Kasse gebeten. Nach heutigem Stand betrifft dies rund 27 Prozent der Bevölkerung, ironischerweise bei steigender Tendenz, da die Gültigkeitsdauer der Grundimmunisierung (zwei Dosen) sowie des Genesenenstatus verkürzt wurde.

Im Nationalrat in Wien gab es eine klare Mehrheit für die Gesetzesvorlage. Die Bundesregierung aus konservativer Volkspartei (ÖVP) und Grünen verfügt ohnedies über die nötige Anzahl an Parlamentssitzen, doch auch die oppositionelle SPÖ und der Großteil der liberalen NEOS erteilten ihre Zustimmung, während die rechtsextreme FPÖ geschlossen dagegen votierte. Bei der Beschlussfassung gab es nur wenige Ausreißer aus dem Fraktionszwang, der in Österreich eigentlich verfassungswidrig ist: Ein sozialdemokratischer Abgeordneter sowie vier liberale Mandatare verweigerten sich. 13 Parlamentarier waren der Abstimmung vorsichtshalber gänzlich ferngeblieben, darunter auch eine prominente grüne Menschenrechtspolitikerin.

Wie es nun einmal so ist im bürgerlich-demokratischen Parlamentarismus, entspricht die Meinungsfindung im Nationalrat nicht der Stimmungslage der Bevölkerung – diese ist weit davon entfernt, die Impfpflicht mit 80-prozentiger Mehrheit zu goutieren. Neben deklarierten generellen Impfgegnern oder gar Corona-Leugnern gibt es viele Menschen, die das nunmehrige Gesetz aus guten Gründen ablehnen. Eine allgemeine Impfpflicht stellt einen massiven Eingriff in die persönlichen Rechte der Menschen dar, der umfassend gerechtfertigt, alternativlos und verfassungsrechtlich wasserdicht sein muss. Da es in Österreich jedoch keine Eilverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof gibt, wird das Impfpflichtgesetz wohl erst im Herbst geprüft werden.

Die Partei der Arbeit Österreichs (PdA) lehnt schon seit Monaten jede indirekte und direkte Impfpflicht ab. Sie erachtet den nunmehrigen Beschluss für unverhältnismäßig, unzweckmäßig und asozial. Die Impfung soll eine persönliche Entscheidung der Menschen sein und darf nicht per Gesetz und Repressionen angeordnet werden. Gleichzeitig wird betont, dass die Ablehnung der Impfpflicht keineswegs eine Ablehnung der Impfung bedeutet, denn diese ist ein relevanter Schutz gegen einen schweren Krankheitsverlauf. Sie ist allerdings nicht – und die Omikron-Ausbreitung unterstreicht dies – der große „Gamechanger“ im Infektionsgeschehen. Die PdA weist darauf hin, dass die Impfpflicht – wie zum Beispiel auch der „Lockdown für Ungeimpfte“ – nur eine Ablenkung vom Totalversagen der Bundesregierung ist. Sie hat nicht nur das Pandemiemanagement an die Wand gefahren, sondern auch die Bedingungen hierfür geschaffen, nämlich durch das jahrzehntelange Kaputtsparen des Gesundheitssystems, wofür aber auch alle anderen ehemaligen Regierungsparteien verantwortlich sind. Seitens der PdA wird der Regierung außerdem vorgeworfen, faktisch auf eine Strategie der Durchseuchung zu setzen und dabei nicht zuletzt am Arbeitsplatz die Gesundheit und das Leben der Menschen zu gefährden.

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"Ablenkung vom Totalversagen", UZ vom 28. Januar 2022



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