Distanzierung von Terroristen im Syrien-Krieg stößt in Washington auf Ablehnung

Abkommen der Großmächte

Von Manfred Ziegler

Nach monatelangen erfolglosen Verhandlungen gibt es seit dem vergangenen Wochenende ein recht umfangreiches Ergebnis der Verhandlungen zwischen den USA und Russland zu Syrien. Als erste Stufe sollte ein Waffenstillstand in Kraft treten und eine ungehinderte Versorgung beider Teile von Aleppo und anderer Gebiete in Syrien ermöglicht werden. Bis Redaktionsschluss am Dienstag wurde der Waffenstillstand, der von Montag (12.9.) Abend gelten sollte, weitgehend befolgt.

Seit langem verlangt die russische Regierung von den USA eine räumliche, militärische und politische Distanzierung der „gemäßigten bewaffneten Opposition“ von den Terroristen. Die USA hatten sich bisher dagegen gesträubt. Nun stimmen sie anscheinend dieser Trennung zu. Wenn dann die von den USA unterstützten Bewaffneten sich distanziert haben, können IS, al-Nusra und ihre Verbündeten bombardiert werden. Die Ziele würden von Russland und den USA gemeinsam festgelegt werden. Der Preis dafür ist hoch: eine „Flugverbotszone light“. Die syrische Luftwaffe darf im eigenen Luftraum nur noch in bestimmten Gebieten aktiv sein.

Militärisch ist diese Flugverbotszone nicht allzu bedeutsam: In vielen Fällen war die syrische Armee sowieso auf die Unterstützung der russischen Luftwaffe angewiesen. Politisch bedeutet dieser Teil des Abkommens eine weitere Marginalisierung der syrischen Regierung. Schon lange werden Abkommen nicht mit der syrischen Regierung getroffen, sondern nur noch zwischen den USA und Russland ausgehandelt.

Die Lösung für viele Fragen wurde weiter in die Zukunft verschoben. Die Festlegung, wer zu den „Rebellen“ und wer zu den „Terroristen“ gehört, muss im Detail erst noch erfolgen. Selbst die Teilnehmer an einem politischen Prozess sind offenbar noch nicht wirklich geklärt. Der russische Außenminister Sergei Lawrow wies am Ende einer Pressekonferenz in Genf darauf hin, dass der zukünftige politische Prozess nicht nur die von Saudi-Arabien unterstützten Teile der Opposition, sondern auch andere Oppositionsgruppen umfassen müsse. Aber es scheint nicht sicher, dass das in den Verhandlungen konkretisiert wurde.

Die Verhandlungen zogen sich über Monate hin. Die eigentliche Diskussion fand aber nicht in Genf, sondern in Washington statt, wo es starke Widerstände gegen eine Einigung mit Russland gibt.

Als US-Außenminister John Kerry vor einiger Zeit die von Saudi-Arabien unterstützten Ahrar al-Sham und Jeish al-Islam als Untergruppen der terroristischen Organisationen bezeichnete – und für den Moment die russische Position übernahm – ließ das schon alle Alarmglocken in der US-Regierung ertönen. Die Vorbehalte des Kriegsministers Ashton Carter gegen das aktuelle Abkommen sind nur die Spitze des Eisbergs: Es gibt in der Regierung und bei neokonservativen Gruppen Widerstand gegen eine Vereinbarung mit Russland und insbesondere gegen koordinierte Angriffe gegen islamistische Gruppen. Aus dem Pentagon hieß es, die Absichtserklärungen müssten voll umgesetzt sein, bevor eine militärische Zusammenarbeit mit Russland überhaupt möglich sei.

Die neokonservative Syrien-Politik, die auf Konfrontation ausgerichtet ist, konnte sich vorerst nicht weiter durchsetzen. Ein Grund dafür ist in den Erfolgen der syrischen Armee um Aleppo zu sehen. Wenn auch erst im zweiten Anlauf ist es gelungen, den Ostteil der Stadt abzuriegeln und die Verbindung in den Süden auszuweiten. Damit gerieten die terroristischen Organisationen zunehmend in eine schwierige Situation. Wenn das Abkommen eine Verbesserung der Situation in Syrien bringt, wird es die russische Position im Nahen Osten weiter stärken. Die Neocons in den USA hoffen womöglich auf ein Scheitern des Abkommens – oder arbeiten daran.

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"Abkommen der Großmächte", UZ vom 16. September 2016



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