In der SPD formieren sich Kräfte gegen die Hartz-Gesetzgebungen. In NRW hängt sich aktuell ihr Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty aus dem Fenster, in Berlin waren es im Juni unter anderen Parteivize Ralf Stegner und Juso-Chef Kevin Kühnert. Auch SPD-Chefin Andrea Nahles meldete sich vor einigen Tagen zu Wort, sprach sich für „Korrekturen“ aus und will Leistungskürzungen für jüngere Hartz-IV-Empfänger abschaffen.
Das ist der Moment, in dem man gern die Rechenaufgabe von Kurt Tucholsky aus dem Jahr 1929 zitieren möchte: „1 sozialdemokratische Partei hat in 8 Jahren 0 Erfolge. In wie vielen Jahren merkt sie, dass ihre Taktik verfehlt ist?“ Aber das Zitat ist unpassend, denn die Hartz-Gesetze sind ein Erfolgsmodell. Allerdings nicht für die arbeitenden Menschen, ihre Familien und die von der Arbeit ausgegrenzten.
In seiner Rede vor dem World Economic Forum am 28. Januar 2005 führte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder aus: „Wir müssen und wir haben unseren Arbeitsmarkt liberalisiert. Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt.“ Nett hatte er damals die Sanktionen umschrieben: „und wir haben bei der Unterstützungszahlung Anreize dafür, Arbeit aufzunehmen, sehr stark in den Vordergrund gestellt.“ Und er konnte noch einen Erfolg verbuchen: „Es hat erhebliche Auseinandersetzungen mit starken Interessengruppen in unserer Gesellschaft gegeben. Aber wir haben diese Auseinandersetzungen durchgestanden.“
Die Agenda 2010 mit dem Herzstück der Hartz-Gesetze hat die existierenden Normalarbeitsverhältnisse in der Bundesrepublik zerschlagen. Die deutschen Konzerne konnten mit boomendem Export maximale Profite einfahren. Und zum anderen hat die SPD mit dieser Arbeitsmarkpolitik große Teile der Arbeiterklasse unter einen nicht gekannten Druck gesetzt und hunderttausende Wähler in die Arme der AfD getrieben.
Es ist zu hoffen, dass innerhalb der SPD Kräfte stärker werden, die die asoziale Agenda kippen wollen. Da wird etwas Kitt nicht helfen, und auch nicht die berühmte Wäsche, die nicht nass macht. Es wäre eine wünschenswerte und tatsächliche Erneuerung der SPD, diesen sozialpolitischen Sündenfall zu revidieren.