Überall im Land liest und hört man „Schule hat begonnen“. In wenigen Wochen startet auch das neue Wintersemester an Deutschland Hochschulen, mehr als 500 000 junge Menschen werden ihr Studium aufnehmen. Die Studienmöglichkeiten sind zwar reichlich da, was Fächer und Orte angeht, aber eher bescheiden, was an Studiengängen angeboten wird. Entweder ein Bachelor-Einstieg mit der Hoffnung, danach noch einen Masterstudiengang machen zu können oder direkt auf Lehramt hin studieren. Die einzige größere Ausnahme ist noch das Medizinstudium.
Deutschlands Abiturientinnen und Abiturienten beurteilen ihre berufliche Zukunft positiv, so zumindest, wenn man dem Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) glauben mag. Diese Einrichtung, eine Denkfabrik von Bund und Ländern, macht alljährlich eine großangelegte Befragung bei Abiturientinnen und Abiturienten ein halbes Jahr vor dem Schulabschluss und die gleichen Personen ein gutes Jahr später. Die überwiegende Mehrheit (74 Prozent) plant laut der vorgestellten Studie nach Schulabschluss ein Hochschulstudium, ein halbes Jahr nach Verlassen der Schule haben bereits 50 Prozent der Studienberechtigten ein Studium aufgenommen, 16 Prozent eine Berufsausbildung. Aber ebenfalls deutlich wird, rund ein Drittel derer, die ein Studium aufgenommen haben, brechen nach ein bis zwei Semestern wieder ab und orientieren sich in Richtung einer Berufsausbildung.
Johanna Wanke, noch als Bundesbildungsministerin tätig, führt dies darauf zurück, dass das sogenannte „Berufsorientierungs-Programm“ von Bund und Ländern noch verbesserungsbedürftig sei. Sie meint: „Wichtig ist, dass alle jungen Menschen ihren Fähigkeiten und Neigungen entsprechend einen qualifizierten Berufsabschluss machen – Studium und Berufsausbildung sind dafür gleichwertige Wege“. So gut und richtig und weit von der Realität entfernt. Jeder, der sich in Berufsinformationszentren der Arbeitsämter einmal umgetan hat oder sich die Broschüren zu Berufen egal mit welchem akademischen oder IHK-Abschluss auch immer kritisch anschaut, stellt fest: Mit der beruflichen Wirklichkeit, die sich spätestens nach Ausbildungs- oder Studienende in aller Klarheit für die jungen Menschen zeigt, haben diese „Orientierungen“ wenig zu tun. In aller Regel geschrieben von interessierten Lobbyverbänden, seien sie aus dem Handwerk, der Industrie oder aus der Dienstleisterbranche, sind sie heftig geschönt und versprechen goldene Zeiten.
Eine wachsende Zahl Abiturientinnen und Abiturienten, nämlich fast ein Drittel, legt nach der Schule erst einmal eine Übergangsphase ein, etwa um Zeit im Ausland zu verbringen, zu jobben oder einen Freiwilligendienst anzutreten. Gründe dafür sind oft Unschlüssigkeit über den Werdegang, Unsicherheit über tatsächliche oder vermeintliche Anforderungen, aber auch die finanziellen Belastungen, die ein Studium oder eine Ausbildung für den jungen Menschen selbst oder die Eltern mit sich bringen werden. Das BAföG deckt den Bedarf bei weitem nicht ab, den Studierende benötigen, die Erstsemester lernen sehr bald, dass fast alle nebenbei jobben, dass das Studium dann nicht in der Regelstudienzeit absolviert werden kann und dann auch noch das BAföG nicht weiter gezahlt wird und das Reststudium richtig heftig wird und meist mit Schulden endet. Deshalb mag der Anteil derer, die ein sogenanntes „Duales Studium“ attraktiver finden, immer weiter steigen und mittlerweile bei fast 10 Prozent liegen. Ob die vermeintlich starke Praxisorientierung und die frühe finanzielle Unabhängigkeit vom Elternhaus für die Studierenden die Beweggründe für die Aufnahme eines dualen Studiums sind, wird zwar von den Befürwortern solcher Ausbildungsgänge behauptet, aber nicht belegt. Die entsprechenden Akademien, Institute und andere mit wohlklingenden Namen haben sich mittlerweile wie ein großer Flickenteppich übers Land gelegt und Konzerne wie Lidl oder Aldi werben in jeder Filiale für diese Traumreise ins berufliche Glück.
Nicht überraschend ist, wie Bildungsherkunft oder auch ein Migrationshintergrund die Entscheidungen der Abiturientinnen und Abiturienten beeinflussen. So entscheiden sich beispielsweise junge Menschen ohne „Akademiker-Eltern“ eher für eine Berufsausbildung als diejenigen aus einem akademischen Elternhaus. Hat sicherlich nicht mentale Gründe, sondern wohl eher etwas mit der finanziellen Unterstützung zu tun, die gewährt werden kann. Studienberechtigte mit Migrationshintergrund haben dagegen häufiger die Absicht zu studieren als Studienberechtigte ohne einen solchen. Die Zahl der Studienabbrecher mit einem solchen Hintergrund ist aber deutlich höher wie der Durchschnitt, vielleicht sind hier die Erwartungen, gespeist aus den familiären Erfahrungen, zu groß oder zu ernüchternd.