Gute Fernsehserien nach Bedarf oder nicht-lineares Fernsehen

Abholbar

The Wire

The Wire ist eine mitreißende Fernsehserie, die in Baltimore spielt. Geschrieben von einem ehemaligen Polizeireporter, wirft sie einen glaubhaften, ja geradezu „authentischen“ Blick auf Polizei, Drogenmafia, Hafenarbeitergewerkschaften und andere soziale und mehr oder weniger mafiöse Strukturen.

Die Geschichten werden langsam entwickelt, ein Fall wird eher im Laufe einer Staffel denn in einer Folge „gelöst“ – wenn überhaupt. Gut und Böse lassen sich schwierig verorten, Sympathieträger/innen gibt es auf allen Seiten.

The Wire, 2002–2008 (5 Staffeln),

mit Dominic West, Sonja Sohn, Michael Kenneth Williams, Idris Elba

Shameless

Die Geschichte der Familie Galla-gher, die mit sieben Staffeln hoffentlich ihren Höhepunkt und damit ihr Ende erreicht hat, ist die Geschichte des „white trash“, der armen weißen Bevölkerung.

Shameless ist echtes TV-Format, manchmal unnötig brutal, und erzählt – etwas heroisiert – vom Alltagskampf im Kapitalismus.

Dabei ist der Titel „Shameless“ (Schamlos) irreführend, denn die White-trash-Familie kennt durchaus Scham bzw. Schamgefühl, nur sind die Kriterien dafür, was eine Schande ist und was nicht, die ihrer eigenen sozialen Klasse. Der Wertekanon der herrschenden Meinung greift nicht – so wenig wie der Rechtsstaat –, weil dieser für die Realität einer ums Überleben kämpfenden Familie nichts zu bieten hat.

Unterstrichen wird dieser Bruch durch die Figur des nur zeitweise geduldeten, daueralkoholisierten Vaters, der keinerlei Verantwortung übernimmt, nichts beiträgt und lediglich auf Kosten der anderen versucht, seinen Pegel zu halten, während er gleichzeitig die „guten alten Werte“ der US-amerikanischen Gesellschaft des 20. Jahrhunderts zum Besten gibt. Es sind die nach Erbrochenen und Urin stinkenden Werte der Herrschenden (Familie, Leistungsbereitschaft, Aufrichtigkeit, Pflichtgefühl), die immer nur einseitig eingefordert, an die jedoch keine Ansprüche gestellt werden dürfen.

Angeführt wird die Familie durch die große Schwester Fiona – aufopferungsbereite Heldin und Kämpferin der Geschichte, die aus purer Vernunft immer wieder auch diktatorische Züge annimmt. Sie muss sich für ihre eigene Kämpfermoral und damit auch für den Rausschmiss des alten, zunächst bürgerlichen und asozialen Vaters entscheiden, um bestehen zu können.

Shameless, 2011–2016 (7 Staffeln), mit William H. Macy, Emmy Rossum, Jeremy Allen White, Cameron Monaghan, Ethan Cutkosky

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"Abholbar", UZ vom 3. Februar 2017



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