Nach zwei Verhandlungen ohne Angebot haben die Verantwortlichen der Deutschen Post der ver.di-Verhandlungskommission letzte Woche ein Angebot unterbreitet. Dieses sieht eine Auszahlung der von der Bundesregierung erlaubten sozialversicherungsfreien Sonderzahlung von 3.000 Euro vor, verteilt auf 24 Monate. Eine tabellenwirksame Lohnerhöhung soll es demnach 2023 nicht geben, erst im Jahr 2024 gäbe es eine Erhöhung um 150 Euro für den Zeitraum von Januar bis November und im Dezember noch einmal 190 Euro.
Ginge es nach der Deutschen Post, dann müssten die Beschäftigten in beiden Jahren einen Reallohnverlust hinnehmen. Auch die lange Laufzeit von 24 Monaten ist ein Problem: Der Konzern argumentiert damit, dass er Planungssicherheit wolle. Die Beschäftigten könnten auf dieser Grundlage vor allem ihre weitere Verarmung verlässlich planen.
ver.di hat die Tarifverhandlungen deshalb für gescheitert erklärt. Parallel dazu eröffneten die Post-Kapitalvertreter einen Propagandafeldzug. Sie rechnen vor, dass Neueinsteiger bis zu 20 Prozent mehr verdienen würden, wenn ver.di das Angebot annehme.
Dabei handelt es sich um einen Rechentrick. Denn nur bei Neueinsteigern, die in die niedrigstmögliche Entgeltgruppe 3 eingestuft werden, stimmt die Prozentangabe kurzfristig. Diese allererste Stufe wird aber bereits mit der ersten längeren befristeten Anstellung beziehungsweise der Entfristung überschritten. Das heißt, dass sie nur für wenige Kollegen und auch nur für relativ kurze Zeit gilt. Der andere Trick besteht in der Laufzeitberechnung. Die 15 Prozent, die ver.di fordert, sind auf 12 Monate gerechnet. Die Post berechnet ihr Angebot auf eine Laufzeit von 24 Monaten.
Post-Personalvorstand Thomas Ogilvie drohte, ver.di habe mit der Ablehnung eine historische Chance vertan und bedrohe die Arbeitsplätze in der Zustellung. ver.di-Verhandlungsführerin Andrea Kocsis erinnerte daran, dass die Postzustellung ein nach Grundgesetz zustehendes Recht sei. Leider blieb der Rest ihrer Erwiderungen zaghaft. Der Kritik des Konzerns an regulierten Preisen, zurückgehenden Sendungsmengen und dem Strukturwandel begegnet Kocsis lediglich damit, dass dies zwar alles stimme, aber mit dem Lohn vorerst nichts zu tun hätte.
Richtig wäre es, dem Post-Vorstand zu entgegnen, dass die Veränderungen in Produktion und Konsumtion, die auch zu veränderten, schwankenden Postmengen führen, nicht mit dem Profitstreben der Konzerns in Einklang zu bringen sind. Das im Grundgesetz festgeschriebene Recht muss gegen das Monopol durchgesetzt werden: Die Post gehört in gesellschaftliche Hand und unter demokratische Kontrolle.
In den Betrieben steht nun die Urabstimmung an. Die ver.di-Verhandlungsführung erwartet die Verschärfung des Tons auch und gerade in den Betrieben, wie sie in einer Telefonkonferenz mit über 3.000 Vertrauensleuten erläuterte. Vor allem auf der ideologischen Ebene soll – so scheint es – nun also der Kampf gegen die Beschäftigten geführt werden. Auf der ökonomischen Ebene haben die Post-Arbeiter mit ihren Streikwellen bereits gezeigt, dass sie in der Lage sind, einen guten Kampf zu liefern – nun geht es um die Köpfe. Die betrieblich Aktiven brauchen Unterstützung und Solidarität. Die Urabstimmung wird zum Stärketest.
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