Jean-Claude Juncker ist Kommissionspräsident und schon deshalb überzeugter EU-Europäer. Seine Antwort auf die Krise des Staatenbundes lautet seit jeher: Mehr von dem, was wir schon Schlimmes gemacht haben. Das war der Tenor seiner jährlichen Rede vor dem EU-Parlament in Straßburg. Also mehr Zentralisation, soll heißen mehr Macht für den Kommissionspräsidenten, der zugleich Präsident des ganzen Vereins werden soll. In den Hauptstädten kam diese Forderung nicht gut an. Die Regierungen, die wie Berlin, formal über den Europäischen Rat schon jetzt bestimmen, wo es lang geht, schätzen eine starke Figur in Brüssel nicht. Die Mehrheit der anderen erwartet von einem mit eigener Macht ausgestatteten Präsidenten ebenfalls keine Vorteile. Dieser Plan Junckers wird also vermutlich nichts.
Zweitens mehr Integration: Juncker ist der Meinung, dass die Währungsunion alle EU-Länder erfassen soll. Auch die Staaten, die den Euro bisher nicht haben, sollen ihn zu ihrer Währung machen. Auch das stieß nicht auf Begeisterung. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble ließ verlauten, Herr Juncker habe nur die Rechtslage dargestellt. In der Tat sollen nach den EU-Verträgen, mit Ausnahme Dänemarks und Britanniens, die ein Sonderrecht erwirkt haben, alle EU-Mitglieder den Euro als ihre Währung annehmen. Formal sind sie auch jetzt schon an der Europäischen Zentralbank beteiligt, die den Euro herausgibt. Wie Schäuble weiß und wie man an der EU gut nachvollziehen kann, richten sich Realität, Ökonomie und Politik nicht nach der Rechtslage.
Abgesehen von Sigmar Gabriel („Juncker weist den richtigen Weg für die Einheit des Kontinents“) war die Reaktion in Deutschland auf Juncker eher abweisend. Die Regierung und die übrigen EU-Freunde teilen die von ihm formulierten Ziele. Sie wollen auch eine starke und expansive, imperialistische EU. Aber nicht auf dem von Juncker genannten Weg. Dass der Euro den schwächeren EU-Staaten schadet, formulierte für die „Linke“ deren Fraktionsvorsitzende Wagenknecht: Juncker sei „von allen guten Geistern verlassen“. Bereits jetzt zerstöre die Währungsunion in vielen Ländern Industrie und Arbeitsplätze. Damit hat sie recht. Für Länder wie Rumänien oder Bulgarien wäre die Einführung des Euro eine noch schlimmere Katastrophe als für Griechenland. Das wollen im Moment nicht einmal die deutschen Exportkonzerne. Also abgelehnt.