Krieg wird brutaler – Abschiebepraxis härter

Ab nach Kabul

Von Markus Bernhardt

Die bundesdeutsche Abschiebepolitik nimmt immer abscheulichere und menschenverachtende Züge an. Nach einem Bombenanschlag in Kabul in der Nähe der deutschen Botschaft, bei dem in der letzten Woche mindestens 80 Menschen getötet und über 350 verletzt worden waren, setzte die Regierung Abschiebungen nach Afghanistan „vorübergehend“ aus. Man könne den durch den Anschlag traumatisierten Botschaftsangehörigen zur Zeit die Betreuung der ankommenden Abgeschobenen nicht zumuten, hieß die Begründung. Wie es den Menschen geht, die gegen ihren Willen in das „sichere Herkunftsland“ verfrachtet wurden und nun einer ungewissen und gefährlichen Zukunft entgegen sehen, ist völlig unwichtig. Die kurze Aussetzung ändert jedoch nichts an der grundsätzlichen Positionierung der Bundesregierung von CDU/CSU und SPD, allen voran des Bundesinnenministers Thomas de Maizière (CDU), Menschen – trotz Gefahr für Leib und Leben – auch künftig in das vom Krieg gepeinigte Afghanistan abzuschieben.

Tatsächlich wird die Abschiebepraxis in Deutschland härter. Am 29. Mai wurde die 14-jährige Bivsi R. von der Polizei aus dem Klassenraum des von ihr besuchten Duisburger Gymnasiums abgeführt und umgehend gemeinsam mit ihrer Familie nach Nepal abgeschoben. Nur zwei Tage später eskalierte in Nürnberg ein weiterer Polizeieinsatz. Dort waren die Beamten in eine Berufsschule eingefallen, um den zwanzigjährigen Asef N. festzunehmen und nach Afghanistan abzuschieben. Dazu kam es aber nicht. 300 Mitschülerinnen und Mitschüler versuchten letztlich erfolgreich, die Abschiebung durch eine Sitzblockade zu behindern. Daraufhin schlugen die Beamten mit Schlagstöcken auf die Schüler ein und zerrten sie brutal über den Boden. Auch Pfefferspray setzte die Polizei ein. Einen Tag nach dem Polizeieinsatz und der bundesweiten medialen Aufmerksamkeit verkündete die Bundesregierung, mit Verweis auf den schweren Anschlag in Kabul einen Tag zuvor, dass zukünftig nur noch Gefährder, Straftäter und sich unkooperativ Verhaltende nach Afghanistan abgeschoben würden, für andere gelte ein einstweiliger Abschiebestopp.

Tatsächlich nimmt die Zahl derer, die einen Abschiebestopp nach Afghanistan einfordern, stetig zu. Nicht nur in Duisburg und Nürnberg wollen Schülerinnen und Schüler, aber auch Flüchtlingsinitiativen in ihrem Einsatz für Mitschüler, Freunde und andere Flüchtlinge nicht nachlassen. Im Internet finden sich zahlreiche Petitionen, in denen ein Stopp der Abschiebepraxis gefordert wird. So wird diese Forderung mittlerweile nicht nur von Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen wie Amnesty International und Pro Asyl geteilt, sondern auch von den Kirchen, den Gewerkschaften und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband. Der Krieg gegen Afghanistan wird dort intensiver und für die Bevölkerung brutaler. Neben den Anschlägen und Terroraktionen der Taliban hat auch die US-Armee ihre Luftangriffe verdreifacht. Allein zwischen Januar und Ende April flogen die USA 898 Luftangriffe. In der gleichen Periode des letzten Jahres waren es unter 300.

Inzwischen hat das dem Innenminister unterstellte Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ein weiteres „sicheres Rückkehrland“ auf seiner Karte entdeckt: Der Irak ist angeblich stabil, die ersten Massenabschiebungen in das von Krieg und Terror geschüttelte Land haben bereits stattgefunden.

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"Ab nach Kabul", UZ vom 9. Juni 2017



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