Am 7. Dezember hat die Volksrepublik China ihre Covid-Politik weiter angepasst und optimiert und damit die bisher geltende Null-Covid-Politik beendet. Die strengen Regelungen hinsichtlich Massentests und Mobilitätseinschränkungen wurden aus medizinischen und auch aus ökonomischen Gründen erheblich reduziert. Hintergrund war und ist die Tatsache, dass die Omikron-Variante besonders ansteckend ist und deshalb mit den bisher üblichen lokal und zeitlich beschränkten Lockdowns schwieriger und nur mit stark steigenden Kosten einzudämmen wäre. Andererseits aber ist deren Pathogenität (Gefährlichkeit) im Vergleich zu früheren Varianten deutlich geringer und es wird erwartet, dass die daraus resultierende Krankheit sich allmählich zu einer gewöhnlichen Infektionskrankheit der Atemwege entwickeln wird. Die Zahlen sprechen für diese Erwartung, denn der Anteil der schwer und kritisch erkrankten Patienten in China ist nach Angaben des führenden Spezialisten für Infektionskrankheiten bei der chinesischen Gesundheitsbehörde CDC, Wu Zunyou, von 16,47 Prozent im Jahr 2020 auf 3,32 Prozent im Jahr 2021 gesunken und lag 2022 bis zum 5. Dezember bei nur noch 0,18 Prozent.
Die Reaktion der Bevölkerung auf die im Dezember ohne Vorwarnung eingetretene neue Lage war unterschiedlich: Einerseits gab es Verwirrung und eine gewisse Hilflosigkeit angesichts des plötzlichen Wegfalls der meisten Kontrollmaßnahmen und Mobilitätseinschränkungen, andererseits sehr bald aber auch ein dynamisches und von Erleichterung geprägtes Wiederaufleben aller gesellschaftlichen und privaten Aktivitäten. Das galt und gilt für das Verkehrswesen und die Wiederaufnahme der Arbeit bis hin zu einer sprunghaft ansteigenden Zahl von Reisebuchungen, was insgesamt öffentlich stark unterstützt und gefördert wurde.
Kurz nach dem Wegfall so vieler Einschränkungen stieg dann erwartungsgemäß die Zahl positiver Fälle und damit der Andrang in den Krankenhäusern vor allem in den großen Städten stark an. Die Infektionsspitze Ende Dezember/Anfang Januar stellte eine Herausforderung vor allem bei der Behandlung schwerer Fälle dar und drohte auch nach chinesischen Aussagen zeitweise die medizinischen Ressourcen insbesondere in Großstädten wie Peking, Shanghai und Guangzhou zu beeinträchtigen.
Die internationalen Medien waren zu Beginn der neuen Lage völlig überrascht und nicht sofort auf der Höhe der Ereignisse. Inzwischen überbieten sich vor allem die NATO-nahen Medien gegenseitig in der Schätzung der Zahl der zu erwartenden Corona-Toten im Gefolge des Abbruchs der Null-Covid-Politik. Der momentan Höchstbietende liegt bei angeblich zu erwartenden 1,5 Millionen chinesischen Corona-Toten – ohne jede seriöse Quellenangabe. Die Website der chinesischen Nationalen Gesundheitskommission berichtete hingegen Ende Dezember, innerhalb einer Woche seien in China sieben Menschen an Covid-19 gestorben, alle in Peking.
Mittlerweile hat in China die Reisewelle zum chinesischen Neujahrsfest begonnen. Es wird erwartet, dass in diesen Tagen hunderte Millionen Menschen zu ihren Familien in ihren Heimatorten fahren werden, eine der größten jährlichen Reisewellen weltweit. Eine Reisende im Interview: „Nach dem Wegfall der Beschränkungen hat in meiner Familie jeder Symptome wie Husten oder Fieber. Im Prinzip sind alle Corona-positiv. Alle scheinen infiziert, aber das ist keine große Sache. Die husten noch ein bisschen rum, aber die Alten betrifft es nicht so sehr.“
Für die Zukunft gilt es bei allem vorsichtigen Optimismus eines zu bedenken: Die Situation in China nach der Öffnung ist historisch ziemlich einzigartig, weil das Land einen ganz anderen Weg gegangen ist als der Rest der Welt. Es gab dort sehr wenig Infektionen und die verwendeten Impfstoffe sind andere, damit ist der Kontext für die Evolution neuer Varianten ein anderer als überall sonst. So sehen Wissenschaftler nach einem Bericht von „spektrum.de“ dafür, dass nach fast drei Jahren quasiglobaler Infektionswellen „plötzlich ein bisher verschlossenes Reservoir von mehr als einer Milliarde immunologisch naiver Menschen für das Virus zugänglich wird … schlicht kein historisches Vorbild“.