Erst das UZ-Pressefest der DKP in Berlin, dann der 25. Parteitag im thüringischen Gotha. Wächst endlich zusammen, was zusammengehört? Die DKP macht zumindest sichtbare Fortschritte in ihrem Bemühen, die Kommunistinnen und Kommunisten aus Ost und West zusammenzuführen. Dementsprechend hatte der 39-jährige Arturo Gallego, frisch gewählter Vorsitzender der DKP-Thüringen, am vergangenen Freitag die Ehre, den 25. Parteitag zu eröffnen. Er berichtete von der Gründung der Landesorganisation im Februar und lud die Delegierten für den kommenden Morgen zu einer Ehrung der Märzgefallenen auf dem Gothaer Zentralfriedhof ein. Der freundliche Hinweis einer Delegierten aus Brandenburg an die UZ-Redaktion, dass es nicht nur ein Frankfurt am Main, sondern auch eins an der Oder gibt, zeugte davon, dass es noch Luft nach oben gibt in der Zusammenarbeit zwischen den Genossinnen und Genossen aus Ost und West.
Nicht selten treibende Kräfte
Bereits am Freitag zeichneten sich nach dem Referat des Vorsitzenden der DKP, Patrik Köbele, die gute Vorbereitung der Delegierten und große Diskussionsfreudigkeit ab. Zum Referat und für den Erfahrungsaustausch am Samstag wurden bei der Konferenzleitung mehr als 50 Wortmeldungen eingereicht. Viele waren in den Gruppen kollektiv erarbeitet worden, nicht alle konnten gehalten werden. In welcher Form sie veröffentlicht werden, muss noch beraten werden.
Im Mittelpunkt des Parteitages stand ein fast fünfstündiger Erfahrungsaustausch über die Arbeit der Kommunistinnen und Kommunisten in Betrieben und Gewerkschaften, in Kommunen und Stadtteilen und in der Friedensarbeit. Diese Stunden haben Mut gemacht. Sie zeugten im ersten Block von einer aktiven Partei mit vielen Aktiven im Gesundheitswesen, im Öffentlichen Dienst und bei der Post, die in den laufenden Tarifauseinandersetzungen stehen und nicht selten treibende Kräfte sind. Sie zeugten von einer Partei, die darüber nachdenkt, wie sie diese Erfahrungen in der Partei für alle Parteigruppen nutzbar und ihre Anleitung für Aktive verbessern kann. Es geht um nicht weniger als die Erhöhung des Anteils von Betriebsgruppen und Branchentreffen der DKP – beginnend mit der Erhöhung der Anzahl der in Betrieb und Gewerkschaft aktiven Genossinnen und Genossen. Hierbei soll auch die Mitgliedsbuchneuausgabe helfen, deren Durchführung mit großer Mehrheit beschlossen wurde.
Im zweiten Block des Erfahrungsaustausches zeigte sich, dass es auch in der Kommunalpolitik viele Ansätze und große Kompetenz gibt. Mit der Wahl von Vincent Cziesla aus Neuss in den Parteivorstand wird es in diesem Jahr nach längerer Durststrecke auch wieder gelingen, eine Kommunalpolitische Kommission ins Leben zu rufen. Das gilt auch für eine Friedenskommission, die unter der Leitung des Vorsitzenden Patrik Köbele gebildet werden soll. Wie notwendig die Verständigung über die Arbeit in Friedensbündnissen und die Positionen der Kommunisten darin ist, zeigte der Erfahrungsaustausch im dritten Block. Viele Berichte drehten sich um die wegen des Ukraine-Krieges komplizierte Arbeit in den Bündnissen und zunehmende Spaltungsgefahren. Recht einhellig zurückgewiesen wurden die mehr schlecht als recht begründeten Querfrontvorwürfe gegen die Friedensbewegung.
UZ wird in den kommenden Ausgaben ausführlicher über die drei Blöcke des Erfahrungsaustausches berichten und Diskussionsbeiträge dokumentieren.
Im Anschluss an den Erfahrungsaustausch beschlossen die Delegierten mit großer Mehrheit den Hauptantrag „Heizung, Brot und Frieden – In der Klasse wirken – Rein in Betriebe und Gewerkschaft – Rein in die Viertel – Raus auf die Straße!“ Zuvor war er durch mehr als 100 Änderungsanträge in vielen Punkten konkretisiert worden. Dieser Beschluss und die Mitgliedsbuch-Neuausgabe stellen hohe Anforderungen an die Grundorganisationen der DKP und die übergeordneten Leitungen – und vielerorts auch ein Überdenken der Arbeitsweise.
Der Parteivorstand wurde zudem beauftragt, ein „Sofortprogramm gegen Krieg und Verarmung – Gegen Rüstung und Kriegsvorbereitung“ auf Grundlage von Anträgen der Gruppen Hannover-Mitte und Hannover-Linden zu erarbeiten.
Wie hältst du es mit China?
Das Referat des Vorsitzenden zu Beginn des Parteitages widmete sich vor allem der Imperialismusanalyse und den sich verändernden internationalen Kräfteverhältnissen. Köbele stellte fest, dass die Frage der Epochenbestimmung keine theoretische sei, sondern von zentraler Bedeutung für die Entwicklung von Strategie und Taktik. Die Konterrevolution in den europäischen Ländern vor mehr als 30 Jahren habe die Phase der Befreiung aus Kolonialismus und Neokolonialismus beendet. Offensichtlich habe sich aber in den vergangenen 10 bis 15 Jahren etwas geändert, was die Grundlage für eine neue Welle des Kampfes um die neokoloniale Befreiung bilden könne. „Es liegt auf der Hand, dass die dafür erweiterten Spielräume vor allem etwas mit der Entwicklung der VR China zu einem der führenden Pole in der weltweiten Machtkonstellation zu tun haben“, so Köbele.
Wenn die DKP die Tendenz zu „Multipolarität“ begrüße, habe das nichts mit Illusionen zu tun. Das sei noch keine Etappe, in der der Sozialismus von Sieg zu Sieg renne, aber eine Etappe, die möglicherweise den Weg dorthin öffne. Es könne eine Etappe werden, in der sich das Kräfteverhältnis zwischen Imperialismus und Antiimperialismus mehr und mehr zu Gunsten des Antiimperialismus verändert. „Dass das Fortschritt ist, das beginnen ganz offensichtlich viele Völker außerhalb Europas schon recht deutlich zu spüren“, so Köbele.
An Kritiker einer solidarischen Haltung gegenüber der Kommunistischen Partei Chinas – auch in der eigenen Partei – gerichtet sagte Köbele: „Diejenigen Linken, die vertreten, dass es sich bei der Entwicklung der VR China um eine kapitalistische, möglicherweise sogar imperialistische Entwicklung handele, haben sich zumindest einigen Fragen zu stellen: Wie ist es möglich, dass unter den Bedingungen des Kapitalismus/Imperialismus eine gesellschaftliche Planung zur Überwindung der absoluten Armut nicht nur propagandistisch verkündet, sondern tatsächlich realisiert werden kann? Wie ist es möglich, dass die planmäßige Reduzierung der Zahl sogenannter Wanderarbeiter realisiert werden kann? Wie kann ein solches Land eine Außenpolitik entwickeln, die tatsächlich dem Frieden dient und wie kann es eine Ökonomie nach außen entwickeln, die immer mehr die Umrisse einer Ökonomie der friedlichen Koexistenz und der Zusammenarbeit auf Augenhöhe zeigt?“
Die Debatte um das Verhältnis der DKP zur VR China und ihre Sicht auf die Entwicklung der Volksrepublik schloss sich am Sonntag an. Der Parteivorstand hatte dazu einen Antrag „Die VR China, ihr Kampf um den Aufbau eines modernen sozialistischen Landes und die Veränderung der internationalen Kräfteverhältnisse“ vorgelegt. Der Antrag wurde im Vorfeld in zahlreichen Veranstaltungen zum Teil auch mit Pro- und Kontra-Positionen und seit November letzten Jahres in einer UZ-Tribüne diskutiert. Aus den Gliederungen lagen mehr als 100 Änderungsanträge vor.
Eine Reihe von Grundorganisationen hatten beantragt, das Dokument nicht zu befassen, es als Arbeitsmaterial an den Parteivorstand zu überweisen oder nur Teile zu beschließen. Die Antragskommission folgte diesen Rufen nicht, sondern schlug vor, das Dokument nach der Qualifizierung durch die Antragsdebatte als einen Zwischenstand der Debatte zu beschließen. Sie schlug zudem vor, den neuen Parteivorstand zu beauftragen, eine Konzeption zur weiteren Diskussion über die VR China und die Sozialismusvorstellungen der DKP zu erarbeiten. Diesem Herangehen folgten die Delegierten nach knapp dreistündiger Aussprache und Antragsdiskussion mit einer deutlichen Mehrheit (126 Ja-Stimmen, 33 Nein-Stimmen bei wenigen Enthaltungen).
Zusätzlich beschlossen die Delegierten, einen Antrag aus Frankfurt am Main „Frieden mit China – Stoppt die Anfeindungen gegen die VR China – den nächsten großen Krieg verhindern!“, der für ein Öffentlichkeitsmaterial aufbereitet werden soll. Ebenso beschlossen wurde ein Initiativantrag aus Karlsruhe „12 Punkte im Klassenkampf – Die Zukunft gewinnen! Nie wieder Krieg! 12 Punkte für den Frieden“ zur Unterstützung der Initiativen Chinas für Frieden in der Ukraine – und darüber hinaus.
Die Debatte geht weiter
Die Meinungsverschiedenheiten zur Bewertung der Entwicklung der VR China betreffen unter anderem die Frage, ob es legitim sein kann, eine nachholende Entwicklung der Produktivkräfte beim sozialistischen Aufbau unter Zulassung kapitalistischer Mechanismen und Strukturen anzugehen. Insofern geht es um die Frage, ob der Weg des sozialistischen Aufbaus, den die KP Chinas geht, ein legitimer und sozialistischer ist. Ausgehend von diesen Fragestellungen gab es die geäußerte Furcht, dass der „chinesische Weg“ auch als Beispiel für eine sozialistische Entwicklung im eigenen Land dienen könne und damit die Sozialismuskonzeption der DKP verändern würde. Hinter all diesen Fragen steht damit auch das Grundproblem der Bedeutung der Produktivkraftentwicklung beim Aufbau des Sozialismus.
Köbele bestärkte in seinem Schlusswort, dass der Parteitag keinesfalls das Ende der Debatte bedeute. Darauf hatte zuvor auch Richard Höhmann, Leiter der Bildungskommission, zuvor hingewiesen – mit konkreten Vorstellungen, darunter die Durchführung einer theoretischen Konferenz und die Herausgabe von Bildungsmaterialien. Der neugewählte Parteivorstand wird darüber auf seiner ersten Sitzung Anfang April beraten.
Computer für Rosa Luxemburgo
Ohne jeden Dissens – wie kann es anders sein? – wurde die Solidarität mit dem sozialistischen Kuba bekräftigt. Die Delegierten beschlossen ein neues Soli-Projekt zur Unterstützung der Klinik Rosa Luxemburgo in Matanzas. Die Klinik wurde in den Jahren 2001/2002 mit Hilfe von Baubrigaden der DKP errichtet. Nun soll sie mit Computertechnik ausgestattet werden. Dafür wird die DKP 25.000 Euro sammeln.
Köbele orientierte in seinem Schlusswort vor allem auf die anstehenden Tarifkämpfe und die Ostermärsche – und auf die Friedensdemonstration am Tag der Begegnung am 22. April in Torgau. Dies sei die größte Friedensmanifestation der DKP im Osten des Landes – ein fester Termin, der auch in die Kalender der Genossinnen und Genossen im Westen gehöre. Und so schloss sich der Kreis am vergangenen Wochenende in Gotha. Wobei: Zur Freude der Genossinnen und Genossen in NRW wurde verkündet, dass die Suche nach einem Platz für ein UZ-Pressfest im Jahr 2024 ebenda begonnen hat.
Der neugewählte Parteivorstand hat nicht nur großes Vertrauen bekommen, sondern auch große Aufgaben. Nach diesem Parteitag wird er sie mit Freuden in Angriff nehmen.