Am 1. März endet die Friedenspflicht in der Metall- und Elektoindustrie (M+E). Die letzte entgeltwirksame Lohnerhöhung bekamen die Beschäftigten im Jahr 2018. Über den Hintergrund dieser Tarifauseinandersetzung und die Erwartungen der Kolleginnen und Kollegen sprachen wir mit Axel Koppey.
UZ: Die wirtschaftliche Situation der Betriebe in der M+E-Industrie ist ausgesprochen unterschiedlich. Wie sieht das bei euch im Betrieb aus?
Axel Koppey: Es ist vor allem schwierig festzustellen, was Auswirkungen der Pandemie sind und was Teil der wirtschaftlichen Krise allgemein ist, die sich ja schon seit einiger Zeit durch den gesamten Maschinenbau zieht. Da kamen die Veränderungen zum Beispiel bei den Kurzarbeitsreglungen wie gerufen, um Personalkosten zu reduzieren. Die eigentlich Betroffenen sind dadurch natürlich die Kolleginnen und Kollegen, die seit mittlerweile über zehn Monaten mit Kurzarbeit und Lohnausfall konfrontiert sind.
UZ: Welche Erwartungen haben die Kolleginnen und Kollegen bei Heidelberger Druckmaschinen an die jetzige Tarifrunde?
Axel Koppey: Da sich die allermeisten nicht sehen konnten und können, gab es keine wirkliche gemeinsame Erarbeitung von Forderungen. Die zentralen Forderungen sind dann wohl eher den Interessen der größten Betriebe der Branche geschuldet, die zumeist auch noch separate Haustarifverträge und andere Voraussetzungen haben als die meisten mittelständischen Unternehmen. Es ist aber schon recht deutlich, dass nach der absoluten Nullrunde im letzten Jahr die Forderung nach 4 Prozent mehr Lohn für viele nicht ausreichend ist, gerade nach den hohen Einbußen der letzten Monate. Die letzte entgeltwirksame Lohnerhöhung bekamen wir im Jahr 2018. Da die Kapitalvertreter bei den ersten Runden schon zum Angriff geblasen haben und unter anderem Zuschläge kürzen und Pausenregelungen ändern wollen, ist offensichtlich, dass sie die momentane Situation ausnutzen wollen, um weiter den Flächentarifvertrag zu zerlegen.
UZ: Spielt die Frage der Zukunftssicherung für euch in dieser Tarifrunde eine Rolle?
Axel Koppey: Das spielt bei uns tarifpolitisch eher keine Rolle, denn diesen Kampf führen die Heidelbergerinnnen und Heidelberger schon seit vielen Jahren. Die Arbeitsplatzvernichtung findet seit geraumer Zeit statt. Viele tausende Arbeitsplätze sind in den vergangenen Jahren vernichtet und Standorte geschlossen worden. Diese Bedrohung der Existenz jedes Einzelnen schwingt sozusagen dauerhaft über den Kolleginnen und Kollegen. Das macht die Kampfbedingungen nicht einfacher, und dementsprechend geräuschlos geht der Personalabbau kontinuierlich weiter. Positiv ist aber zu erwähnen, dass in der Frage der Azubis Erfolge errungen werden konnten. Das ist bei einem hohen Altersdurchschnitt der Belegschaft enorm wichtig, um überhaupt überleben zu können. Bei den vielen Entlassungen der letzten Jahre sind vor allem junge und jüngere Menschen betroffen gewesen und damit das Unternehmen schlicht „überaltert“. Für ein Maschinenbauunternehmen ist das auf längere Sicht äußerst ungünstig.
UZ: Wie siehst du die Forderung nach mehr Möglichkeit der Zukunftsgestaltung?
Axel Koppey: Das steht ja vor allem unter dem Schlagwort der digitalen Transformation. Diese Veränderung der Arbeitswelt ist aber meiner Meinung nach sehr unterschiedlich zu betrachten. Häufig bedeutet das ja nichts anderes, als Rationalisierungen mit der Digitalisierung zu begründen. Diese Prozesse sind nun auch nicht neu – allerdings bringen in vielen Bereichen neue technische Möglichkeiten auch enorme Veränderungen in den Arbeitsabläufen mit sich. Zukunft gestalten ist also tatsächlich eine Herausforderung, ich bin aber skeptisch, wie dies tarifvertraglich geregelt werden soll. Da immer das Profitinteresse im Vordergrund steht und die Entscheidungsgewalt den Konzernleitungen unterliegt, bleibt es wohl eher ein Traum, auf Augenhöhe gemeinsam betriebliche Zukunft zu bestimmen. Dazu sind die Interessen von abhängig Beschäftigten und Konzern- und Betriebsleitungen zu unterschiedlich.
Es geht bei dieser Forderung ja auch eher um den Erhalt von Arbeitsplätzen und Standorten – und da hat sich gezeigt, dass im Zweifelsfall durch das „Pforzheimer Abkommen“ eigene Vereinbarungen zwischen Betrieben und der IG Metall vereinbart werden können. Das ist aber immer mit Verzicht oder Einbußen für die Beschäftigten verbunden. Positive Veränderungen für die Kolleginnen und Kollegen können meiner Meinung nach nur in konkreten Kämpfen erreicht werden. Weitere Aufweichungen im Flächentarifvertrag finde ich äußerst kritisch – eher muss das „Pforzheimer Abkommen“ gekündigt werden, um die „Fläche“ wieder zu stärken. Dieses Abkommen aus dem Jahr 2004 erlaubt Unternehmen, von Tarifverträgen befristet abzuweichen, wenn sie dadurch Arbeitsplätze sichern oder neue schaffen.
UZ: Wie kann die Tarifauseinandersetzung denn vor Ort geführt werden?
Axel Koppey: Da werden die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben wohl sehr viel Kreativität entwickeln müssen. An die sehr guten Erfahrungen mit dem 24-Stunden-Streik in der letzten Tarifrunde werden wir wohl nicht anknüpfen können, daher muss überlegt werden, welche Aktionsformen sinnvoll eingesetzt werden können. Dazu braucht es aber auch den Willen, diese Auseinandersetzung auch unter den aktuellen Bedingungen zu führen.
Ab dem 1. März, dem Ende der Friedenspflicht, wird sich zeigen, wie wir den Druck auf die Straße und vor die Werkstore bekommen. An diesem Tag wird es auch eine bundesweite Funktionärskonferenz als Videoschalte geben, um über den Stand der Verhandlungen und die Möglichkeiten zum Eingreifen in den Betrieben zu informieren. Einfach wird das nicht, aber noch eine Nullnummer wie im letzten Jahr kann sich die IG Metall meiner Meinung nach in keinem Betrieb leisten. Solange Tantiemen und Dividenden gezahlt werden und parallel Lohneinbußen anstehen, ist klar, wer für die Krise bezahlen wird.