Die russische Lenkwaffenfregatte „Admiral Gorschkow“ befindet sich mitten im Atlantik und nimmt angeblich Kurs auf die Ostküste der Vereinigten Staaten. Das ist Teil einer geplanten Reise, die am 4. Januar 2023 begann und den Atlantik, den Indischen Ozean und das Mittelmeer durchqueren soll. Die „Admiral Gorschkow“ ist mit 16 vertikalen Startröhren ausgestattet, von denen theoretisch jede mit nuklearfähigen Zirkon-Hyperschallraketen bestückt werden könnte, die in weniger als 10 Minuten 1.000 Kilometer zurücklegen können.
Im Klartext: Russland wird bald in der Lage sein, mit einem einzigen Schiff innerhalb weniger Minuten 16 nuklear bewaffnete Hyperschallraketen auf die Vereinigten Staaten abzufeuern, die nicht nur durch nichts im US-Arsenal abgefangen werden können, sondern auch ihre jeweiligen Ziele treffen würden, bevor eine sinnvolle Evakuierung durchgeführt werden könnte. Es handelt sich im wahrsten Sinne des Wortes um eine Enthauptungswaffe.
Die derzeitige russische Nukleardoktrin lässt einen nuklearen Erstschlag nicht zu. Der russische Präsident Wladimir Putin hat deutlich gemacht, dass Russland in einem künftigen Atomkonflikt nicht als erstes Land Atomwaffen einsetzen würde. Er betonte aber auch, dass Russland auch nicht der Zweite sein würde, was bedeutet, dass Russland sein Atomwaffenarsenal einsetzen würde, ohne auf einen Erstschlag der USA auf russischen Boden zu warten. Die „Admiral Gorschkow“ sendet ein klares Signal an die US-Führung, dass es bei einem atomaren Schlagabtausch zwischen den USA und Russland keine Überlebenden geben wird.
Inmitten dieses Muskelspiels beschloss der Wissenschafts-und-Sicherheits-Ausschuss des „Bulletin of the Atomic Scientists“, einer 1945 von Albert Einstein und Wissenschaftlern der Universität Chicago, die an der Entwicklung der ersten Atomwaffen im Rahmen des Manhattan-Projekts beteiligt waren, gegründeten Gruppe, die sich für die Abrüstung einsetzt und derzeit die sogenannte „Weltuntergangsuhr“ unterhält, die das Risiko eines Atomkonflikts widerspiegelt, die Zeiger der Uhr von derzeit 100 Sekunden bis Mitternacht um zehn Sekunden vorzustellen. In einer Erklärung mit dem Titel „A time of unprecedented danger: It is 90 seconds to midnight“ (deutsch: Eine Zeit beispielloser Gefahr: Es ist 90 Sekunden vor Mitternacht) erklärte das Gremium Folgendes:
„Der Krieg in der Ukraine könnte in ein zweites schreckliches Jahr gehen, in dem beide Seiten davon überzeugt sind, dass sie gewinnen können. Die Souveränität der Ukraine und die breitgefächerten europäischen Sicherheitsvereinbarungen, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs weitgehend Bestand hatten, stehen auf dem Spiel. Darüber hinaus hat Russlands Krieg gegen die Ukraine tiefgreifende Fragen über das Zusammenspiel von Staaten aufgeworfen und internationale Verhaltensnormen ausgehöhlt, die die Grundlage für erfolgreiche Reaktionen auf eine Vielzahl globaler Risiken bilden.
Und das Schlimmste ist, dass Russlands kaum verhüllte Drohungen mit dem Einsatz von Atomwaffen die Welt daran erinnern, dass eine Eskalation des Konflikts – sei es durch einen Unfall, Absicht oder eine Fehlkalkulation – ein schreckliches Risiko darstellt. Die Möglichkeit, dass der Konflikt außer Kontrolle gerät, bleibt hoch.“
Die Unklarheit dieser Aussage ist offenkundig. Was das Gremium als „Russlands Krieg gegen die Ukraine“ bezeichnet, ignoriert die faktenbasierte historische Wahrheit, dass der Ukraine-Konflikt einzig und allein das Nebenprodukt eines konzertierten Plans der Vereinigten Staaten und der NATO war und ist, um vor dem Hintergrund der Ukraine einen Konflikt zu schaffen, der die Regierung des russischen Präsidenten Wladimir Putin zu Fall bringen soll.
Dieser Plan besteht seit mindestens 2008, als der frühere US-Botschafter in Russland und jetzige CIA-Direktor, William Burns, warnte, dass jede Bemühung der NATO, die Ukraine in ihre Reihen zu holen, eine russische Militärintervention auslösen würde. Trotz dieser eindringlichen Warnung sprach die NATO im November 2008 eine Einladung an die Ukraine aus und leitete damit eindeutig einen Ursache-Wirkung-Zusammenhang ein, der die Politik der NATO gegenüber Russland als eine kenntlich machte, die einen Stellvertreterkonflikt anstrebt und die Ukraine als Vertretung für die NATO nutzte.
Diese Politik wurde dadurch gefördert, dass die USA, die EU und die NATO gemeinsam einen Staatsstreich in der Ukraine im Februar 2014 herbeiführten, um den verfassungsmäßig gewählten Präsidenten Viktor Janukowitsch zu stürzen und ihn durch eine neue, ultranationalistische Regierung zu ersetzen, die von Anhängern der verabscheuungswürdigen Ideologie von Stepan Bandera dominiert wurde. Der Staatsstreich war erfolgreich und im April erklärte die neue ukrainische Regierung der russischstämmigen Bevölkerung des Donbass den Krieg. Diese Aktion war der Auslöser für die russische Annexion der Krim und die militärische Unterstützung des Donbass durch Russland, was genau die militärische Intervention auslöste, vor der William Burns sechs Jahre zuvor gewarnt hatte.
Die Ukraine und ihre NATO-Verbündeten ersuchten daraufhin um Frieden und leiteten Verhandlungen ein, die zur Verabschiedung des Minsker Abkommens führten, das einen Waffenstillstand im Gegenzug für Garantien hinsichtlich der ukrainischen Souveränität über den Donbass sowie eine relative Autonomie für die ethnischen Russen im Donbass vorsah, die ihre Sprache, Religion, Kultur und Traditionen schützen sollte.
Die Minsker Vereinbarungen dümpelten acht Jahre lang vor sich hin, da die Ukraine ihrer Pflicht nicht nachkam, die erforderlichen Verfassungsänderungen vorzunehmen, um die Rechte der ethnischen Russen im Donbass zu sichern. Die Gründe für diese Verzögerung sind heute dank der öffentlichen Bekenntnisse des ehemaligen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, der ehemaligen deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und des ehemaligen französischen Präsidenten François Hollande bekannt, die alle drei Unterzeichner des Abkommens sind. Diese drei Staatsoberhäupter haben zugegeben, dass die Minsker Vereinbarungen nur ein Täuschungsmanöver der Ukraine waren, um Zeit zu gewinnen und ein NATO-Stellvertreter-Militär aufzubauen, das in der Lage ist, sowohl den Donbass als auch die Krim zurückzuerobern.
Die Entscheidung Russlands, am 24. Februar 2022 in die Ukraine einzumarschieren, war kein unprovozierter Akt der Aggression, sondern vielmehr die legitime Ausübung seines Rechts auf kollektive Selbstverteidigung zusammen mit den neuen unabhängigen Republiken Lugansk und Donezk angesichts der drohenden Aggression durch die frisch ausgebildete ukrainische Armee, die von vornherein kaum mehr als ein Stellvertreter der NATO war.
Die Tatsache, dass die geschätzten Mitglieder des „Bulletin of Atomic Scientists“ – zu denen zehn Nobelpreisträger gehören – diese Geschichte nicht zu kennen scheinen, beeinträchtigt ihre Fähigkeit, die wahre Natur der Bedrohung, der die Welt heute ausgesetzt ist, und den Ursprung dieser Bedrohung zu begreifen.
Die Vereinigten Staaten haben bewusst und vorsätzlich einen Konflikt mit Russland provoziert und versuchen nun, eine zweigleisige Politik umzusetzen, die darauf abzielt, in Moskau eine Maidan-ähnliche Bewegung auszulösen (benannt nach dem Maidan-Platz in Kiew, wo von den USA unterstützte Neonazis einen gewaltsamen Putsch gegen den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch inszenierten), durch die sich die russische Bevölkerung gegen die Regierung von Präsident Putin erheben, ihn stürzen und eine pro-westliche Führung einsetzen soll, die Russland in die koloniale Existenz der 1990er Jahre zurückversetzen würde, als der damalige russische Präsident Boris Jelzin dem kollektiven Westen erlaubte, Russland wirtschaftlich zu vergewaltigen und politisch zu dominieren.
Die zweigleisige Politik umfasst das Verhängen von Wirtschaftssanktionen im Zusammenhang mit der Entscheidung Russlands, in der Ukraine militärisch zu intervenieren, und die Verfolgung eines Stellvertreterkonflikts in der Ukraine, in dem Russland ausbluten soll. Ziel dieser Politik ist es, massive Unruhen in einer demoralisierten russischen Bevölkerung zu erzeugen, die sich dann erheben und Präsident Putin entmachten würde.
Der Wahnsinn eines solchen Plans ist nicht nachzuvollziehen. Stellen Sie sich einmal vor, Russland würde den Plan verfolgen, Mexiko aus dem Einflussbereich der USA herauszulösen und dabei einen Konflikt heraufzubeschwören, dessen Ziel darin bestünde, dass Mexiko das Gebiet der US-Bundesstaaten Kalifornien, Arizona, New Mexico und Texas gewaltsam zurückerobert. Die Vorstellung, dass die Vereinigten Staaten einer solchen Bedrohung tatenlos zusehen würden, ist lächerlich. Das Gleiche gilt für die Vorstellung, dass Russland so etwas tun sollte.
Eine kurze Geschichtsstunde für das „Bulletin of Atomic Scientists“:
- Es waren die USA, nicht Russland, die aus den Verträgen über die Begrenzung antiballistischer Raketenabwehrsysteme (ABM) und dem Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme (INF) ausgestiegen sind.
- Es waren die USA, nicht Russland, die die Gespräche über die Verlängerung des Vertrags über strategische Waffen (New START) eingefroren haben.
- Es sind die USA und nicht Russland, die vor Kurzem eine Politik der nuklearen Haltung verkündet haben, die den Atomwaffen-Erstschlag in einem nicht-nuklearen Szenario erlaubt.
- Die USA – und nicht Russland – haben einen nuklearen Sprengkopf mit geringer Sprengkraft (den W-76–2) auf ballistischen Trident-U-Boot-Raketen eingesetzt und Manöver durchgeführt, bei denen der Verteidigungsminister die Kommunikationsverfahren geübt hat, die für den Abschuss dieser Waffe erforderlich sind, wenn Russland das Ziel der Rakete ist.
- Nicht Russland, sondern die USA bauen eine ukrainische Stellvertreterarmee auf, die in der Lage sein soll, Gebiete zu erobern, die Russland für sich beansprucht (die vier ehemaligen ukrainischen Provinzen, die im September 2022 von Russland annektiert wurden, und die Krim), wohlwissend, dass einer der Auslöser für den Einsatz russischer Atomwaffen jede konventionelle militärische Gewalt ist, die den Bestand Russlands bedroht.
Das „Bulletin of Atomic Scientists“ muss schon taubstumm und blind sein, um diese zugrundeliegenden Tatsachen nicht als die Wahrheit zu erkennen. Das heißt, es macht sich mitschuldig am Nuklearterror der Vereinigten Staaten und ist gleichgültig gegenüber den Folgen. Das „Bulletin“ liegt daher mit seiner Einschätzung, es seien noch 90 Sekunden bis Mitternacht, von Grund auf falsch. In Wahrheit steht die Welt eine Sekunde vor Mitternacht und die Uhr kann jederzeit schlagen, was die Präsenz der „Admiral Gorschkow“ vor der Küste der Vereinigten Staaten nur zu gut belegt.
Scott Ritter, geboren 1961, trat 1984 ins US Marine Corps ein, wo er als Nachrichtenoffizier diente. 1987 wurde Ritter für die „On Site Inspection Agency“ ausgewählt, wo er für die Umsetzung der Bestimmungen des INF-Vertrags (Intermediate Nuclear Forces) verantwortlich war, der vom US-amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan und dem sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow unterzeichnet wurde. Ritter diente als stellvertretender Standortkommandant eines spezialisierten Inspektionsteams, das vor einer sowjetischen Raketenfabrik stationiert war. Für seine Arbeit erhielt Ritter zwei geheime Belobigungen der CIA.
Von 1991 bis 1998 war er als Waffeninspekteur im Irak tätig und suchte im Auftrag der UN Massenvernichtungswaffen (UNSCOM) sowie Anlagen für deren Herstellung. Er beendete seine Tätigkeit, nachdem der Irak Ritter beschuldigte, für die CIA tätig zu sein, und daraufhin ihn und seinem Team den Zugang zu mehreren Anlagen verweigert hatte.
Nach dem Ende seiner Tätigkeit machte Ritter öffentlich, dass die CIA tatsächlich versucht hatte, die UNSCOM zu unterwandern. Im Vorfeld des dritten Irakkriegs wies er darauf hin, dass der Irak über keinerlei Massenvernichtungswaffen verfügte und keine Gefahr für die USA darstellte. Dies wurde durch spätere US-amerikanische Untersuchungen bestätigt.
Der Text wurde zuerst auf der Internetseite von Ritter veröffentlicht.