Zu Habecks inszeniertem „virtuellen Autogipfel“

90 Minuten Getöse

Bei zehntausenden Arbeiterinnen, Arbeitern und Angestellten deutscher Automobilkonzerne grassiert die Angst um den Arbeitsplatz und die Stabilität der monatlichen Lohnzahlung. Die Partei des deutschen Wirtschaftsministers Robert Habeck befindet sich – laut allen Umfragen und vor allem den Wahlen in drei ostdeutschen Bundesländern – im freien Fall. Was ist das Ergebnis dieser beiden Dramen? Eine großspurig als „Autogipfel“ angekündigte 90-minütige spätnachmittagliche Videokonferenz des Ministers mit den Vorstandsvorsitzenden dieser Konzerne und wichtiger Zulieferer. Jeder Teilnehmer konnte nicht mehr als ein knappes Statement abgeben. Herausgekommen ist aus dieser kurzen Schalte: nix. Stattdessen präsentierte Habeck auf einer anschließenden Pressekonferenz seine üblichen hübschen Grafiken und referierte über die Segnungen seiner „Transformation“. Der Minister, so berichteten die Medien, für die diese Show vor allem inszeniert wurde, „stellte Unterstützung in Aussicht“. Er wolle aber „keine Schnellschüsse und keine Strohfeuermaßnahmen“. Im Klartext heißt das: Hilfe gibt es vorläufig nicht.

Die von der SPD ins Spiel gebrachte „Abwrackprämie“ in Höhe von 6.000 Euro für jedes verschrottete funktionsfähige Auto mit Verbrennungsmotor beim Kauf eines fabrikneuen Elektroautos und 3.000 Euro beim Kauf eines gebrauchten E-Wagens ist wohl auch eher etwas für Wahlkampfreden als ernst gemeint. Die „Abwrackprämie“ im Jahre 2009 betrug „nur“ 2.500 Euro, kostete den Bundeshaushalt 5 Milliarden Euro. Sie führte zum Anstieg der Preise für Gebrauchtwagen und damit Verteuerung des Lebens der unteren Volksschichten. Weder wurden die ökologischen Ziele erreicht, noch die Automobilindustrie dauerhaft unterstützt: Nach Auslaufen der Prämie brachen die Absatzzahlen erneut ein. Genauso wirkungslos blieb die Umweltprämie, mit der zwischen 2016 und 2023 der Absatz von E-Autos gefördert werden sollte.

Diese Träumereien werden aber vor allem deshalb platzen, weil die rund 10 Milliarden Euro, die ein solches Programm wohl kosten würde, längst woanders hinfließen: Während die Autofabriken nur noch zur Hälfte oder zwei Dritteln ausgelastet sind, läuft die Panzer- und Granatenproduktion bei Rheinmetall auf Hochtouren und an der Kapazitätsgrenze. Privates Geld fließt dort keines hin – die Milliarden, die dort kassiert werden, sind alles Steuergelder, die für die Sicherung der Arbeitsplätze in anderen Branchen nicht mehr zur Verfügung stehen.

Von dieser Regierung ist also keine Hilfe zu erwarten. Die Rettung der eigenen Arbeitsplätze kann nur von den Arbeitenden selbst kommen. Die für diese Woche Mittwoch – nach Redaktionsschluss dieser Zeitung – angekündigten Kampfaktionen zum Start der VW-Tarifverhandlungen können nur der Anfang sein. Wenn die Belegschaften anderer Konzerne sich ihnen anschließen und die IG Metall sich an die Spitze einer politischen Bewegung zur Rettung von VW und anderen setzt, könnte die Sicherung der Arbeitsplätze gelingen. In den Konzernen gibt es die intellektuellen und handwerklichen Fähigkeiten zur Fortentwicklung von der Auto- zur Mobilitätsindustrie.

Vorstellbar ist es ja, dass 100 Milliarden Euro statt in die Aufrüstung in eine wirkliche Verkehrswende fließen – mit einem flächendeckenden Ausbau des öffentlichen Personennah- und -fernverkehrs, mit der Entwicklung sowohl von Elektromotoren als auch eines 1,5-Liter-Kleinwagens für 10.000 Euro, der dann auch wieder „Volkswagen“ heißen dürfte, und mit Kooperation statt Konfrontation sowohl mit Energielieferanten aus Russland als auch Autobauern aus China.

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"90 Minuten Getöse", UZ vom 27. September 2024



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