9-Euro-Ticket

„Sie gehen mit dem Geld der Menschen um wie der Jongleur auf der Strandpromenade von Sylt“, kritisierte Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, seinen Vorredner von der CDU/CSU-Fraktion in der Haushaltsdebatte des Deutschen Bundestages am 6. Juni. Er kennt sich da ja bekanntlich aus, reiste er schließlich zu seiner Hochzeit Anfang Juli im Privatflieger an und stieg dann auf der Insel standesgemäß in einen offenen Porsche um. Ob Lindner im Rahmen seiner mehrtägigen Hochzeitsfeierlichkeiten den Jongleur auf der Strandpromenade von Sylt getroffen hat, ist nicht überliefert, ausgeschlossen scheint hingegen, dass er auf seinen diversen Reisen 9-Euro-Ticket-Benutzer kennengelernt hat. Von diesen Menschen schlägt ihm aktuell großer Unmut entgegen: Eine Verlängerung dieses Angebotes schließt er aus, dahinter stecke eine „Gratismentalität à la bedingungsloses Grundeinkommen“. Steuerzuschüsse für ein nicht die Kosten deckendes Ticket bedeuteten aus seiner Sicht eine Umverteilung, und zwar eine, die er nicht wünscht: Eine Weiterführung des Tickets käme ja schließlich auch Menschen zugute, die sich aus finanziellen Gründen sonst keine Familienbesuche, keine Ausflüge oder Ähnliches leisten könnten. Für die zahlreichen Geringverdiener im Land bedeutet eine billigere Monatskarte auch eine finanzielle Entlastung. Lindner setzt auch hier andere Prioritäten, seine oben angesprochene Rede trug die Überschrift: „Wir unterstützen die Ukraine, ertüchtigen die Bundeswehr und entlasten die breite Mitte der Gesellschaft.“ Ich meine, auf die ohnehin Breiten in unserer Gesellschaft braucht man nicht noch zusätzlich was umzuverteilen, auf die Bundeswehr auch nicht, und die Waffenlieferungen an die Ukraine werden diese Welt nicht friedlicher machen. Und gratis ist das übrigens beileibe nicht.

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"9-Euro-Ticket", UZ vom 12. August 2022



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