Nach der Tarifkommission der nordwestdeutschen Stahlindustrie hat nun auch die Tarifkommission der ostdeutschen Eisen- und Stahlindustrie ihre Forderungsempfehlungen an den IG Metall-Vorstand beschlossen: 8,5 Prozent mehr Geld. Und eine Verkürzung der Arbeitszeit von 35 auf 32 Stunden in der Woche – bei vollem Lohnausgleich.
Diese Arbeitszeitverkürzung solle einen Einstieg in die 4-Tage-Woche ermöglichen, so Knut Giesler, Bezirksleiter der IG Metall NRW und Verhandlungsführer in der nordwestdeutschen Stahlindustrie. Darüber hinaus sollen die Tarifverträge zur Altersteilzeit, über den Einsatz von Werkverträgen und zur Beschäftigungssicherung für die über 80.000 Beschäftigten verlängert werden. Das Ergebnis soll zudem eine mitgliederorientierte soziale Komponente enthalten.
Die Tarifforderungen der Tarifkommissionen sind Ergebnis der Diskussion unter den IG Metall-Mitgliedern in den Betrieben und auf Versammlungen. Die IG Metall gibt an, dass über 11.000 Beschäftigte befragt wurden.
Angesichts der immer noch hohen Inflation ist den Beschäftigten mehr Geld besonders wichtig. 72 Prozent gaben an, dass für sie eine Entgelterhöhung wichtig sei, um die Haushaltskasse zu stabilisieren. Sich die Arbeitszeitverkürzung zu „erkaufen“, indem sie mit Lohnverzicht einhergeht, scheint daher keine Option. Die Kolleginnen und Kollegen in den Stahlbetrieben erwarteten einen Ausgleich für die rasant gestiegenen Lebenshaltungskosten, so Dirk Schulze, IG Metall-Bezirksleiter Berlin-Brandenburg-Sachsen. „Mit harter und hochwertiger Arbeit sorgen die Stahlarbeiterinnen und Stahlarbeiter gleichzeitig dafür, dass die Stahlindustrie durch schwierige Zeiten kommt. Sie verlangen eine dauerhafte Erhöhung ihrer Einkommen. Eine einmalige Zahlung kann eine langlebige Inflation nicht ausgleichen.“
Zudem hätten 75 Prozent der befragten Beschäftigten angegeben, dass das Thema Arbeitszeitreduzierung bei vollem Lohnausgleich „eher wichtig“ oder „wichtig“ sei. 69 Prozent der Befragten sehen darin ein wichtiges Instrument zur Arbeitsplatz- und Beschäftigungssicherung.
Die Stahlindustrie stehe aufgrund der Transformation zu grünem Stahl vor großen Herausforderungen, sagt Giesler. „Nach einer Übergangsphase, in der mit der alten und neuen Technologie Stahl produziert wird, kommt es in einigen Jahren zum Druck auf Beschäftigung. Dann braucht es ein Instrument, damit Beschäftigte ihren Arbeitsplatz behalten können.“ Hier spiele die Arbeitszeitverkürzung eine herausragende Rolle bei der Beschäftigungssicherung.
Zunächst jedoch wird die Transformation den Fachkräftebedarf verstärken. Auch bei der Suche nach Fachkräften hilft die Arbeitszeitverkürzung: Zahlreiche Untersuchungen aber auch Gespräche in den Betrieben zeigten, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Privatem gerade für junge Menschen eine sehr große Bedeutung hat.
Auch unter anderen Aspekten führe die Arbeitszeitverkürzung zu einer Win-Win-Situation für Beschäftigte und Unternehmen, meint Giesler. Lange Arbeitszeiten verursachten bei vielen Beschäftigten Stress und gesundheitliche Beschwerden. Auf der einen Seite sei damit eine Arbeitszeitverkürzung für die Beschäftigten gesundheitsförderlich, da sie mehr Zeit für Erholung biete und stressreduzierend wirke. Das führe auf der anderen Seite für Unternehmen zu weniger Krankheitsausfällen und einer erwiesenermaßen höheren Produktivität.