Zur Test- und Impfpflicht

3G auf dem Land

Nein, es werde keine Impfpflicht geben, tönten lange verantwortliche Politikerinnen und Politiker und das Gros der Medien. Und nein, auch keine Impfpflicht durch die Hintertür. Mit der Einführung der 3G-Vorschriften an Arbeitsplätzen, in Bahnen und Bussen wird aber ein die berufliche Existenz gefährdender Druck aufgebaut. Diese Freiwilligkeit erinnert an Hartz IV, wo es formal keinen Arbeitszwang gibt. Betroffene können frei wählen, ob sie für zwei Drittel des Tariflohns schuften oder betteln gehen.

Die Testpflicht vor Betreten des Betriebs und des ÖPNV trifft insbesondere auf dem Land Wohnende. Selbst in Dörfern mit 2.000 bis 3.000 Einwohnern gibt es selten anerkannte Teststellen. Zwischen dem nächsten Testzentrum und der Wohnung liegen da auch mal über 20 km. Kein zu großes Hindernis, wenn man Auto fährt. Nicht mehr legal im Bus fahren dürfen im Niedriglohnbereich Tätige oder Erwerbslose, die sich kein Auto leisten können.

Noch heißt es, dass man weiter als nicht Geimpfter zu Supermärkten und Einrichtungen der Grundversorgung wie Apotheken und Arztpraxen Zutritt habe. Ja, in der Stadt, wo man zu Fuß hingehen kann. Auf dem Land aber, wo es oft in Gemeinden mit 2.000 Einwohnern kein Geschäft mehr gibt oder keine Apotheke im Umkreis von zehn Kilometern, bedeutet 3G im ÖPNV, auch von der Grundversorgung abgeschnitten zu sein, wenn man sich kein Auto leisten kann.

Viele Menschen, die sich nicht impfen lassen, verhalten sich seit März 2020 sehr verantwortungsvoll. Sie haben den Betrieb mit aufrecht erhalten, auch im Gesundheitswesen, in Kitas und Schulen, fuhren via ÖPNV dort hin. Nicht wenige im Umfeld des Autors fühlen sich jetzt diskriminiert, zum Beispiel, weil Tests nicht mehr im Betrieb auf dessen Kosten während der Arbeitszeit stattfinden. Der kommunale Arbeitgeberverband in Rheinland-Pfalz schrieb den Kommunen bezüglich Testzeit: „… diese sei auch deshalb nicht (zu) vergüten, weil die/der Beschäftigte mit ihr im eigenen Erwerbsinteresse ihre/seine Einsatzfähigkeit erhält“. Das Klatschen vom Balkon klang anders.

Dass man sie oft pauschal in die rechte Ecke stellt, selbst wenn sie politisch links und gewerkschaftlich aktiv sind, keinen Protest gegen die AfD und andere Rechte und keinen Ostermarsch in ihrer Umgebung ausließen, verbittert manche. Das trägt nicht zu einer „Spaltung der Gesellschaft“ bei, die ist gespalten zwischen Kapital und Arbeit. Spaltung droht jenen, deren Einheit gebraucht werden wird, wenn sich die Frage stellt, wer die Pandemie-Kosten bezahlen soll. Auch die Testkosten. Der Arbeitgeberverband meint: „Auch die zur Verfügungsstellung von Testmaterial kann die/der Beschäftigte nicht verlangen.“ Das, obwohl zwei Tests wöchentlich weiterhin von Unternehmen zur Verfügung zu stellen sind.

Es sind betriebliche Gewerkschaftsstrukturen, Betriebs- und Personalräte gefordert, zu verlangen, dass alle Beschäftigten regelmäßig auf Betriebskosten getestet werden. Gesonderte Behandlung jener, die „selbst schuld“ sein sollen, öffnet den Weg, künftig mehr „selbst Schuldige“ zu belasten. Ob nun wegen Rauchens, eines Biers zu viel, Übergewichts, mit dem Mountainbike im Wald Umherfahrens. Nicht vergessen: die Zuzahlerei zu Behandlungen, Arzneien und Hilfsmitteln begann mit 50 Pfennig Rezeptgebühr. Es ist zu befürchten, dass hier aufgeweichte Dämme, auch bezüglich des Zugriffs auf Gesundheitsdaten Beschäftigter, irgendwann völlig brechen.

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"3G auf dem Land", UZ vom 3. Dezember 2021



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