Zur antirussischen Hetze 80 Jahre nach dem „Fall Barbarossa“

2020 ist nicht 1940, aber …

Am 18. Dezember 1940 erließ der deutsche „Führer und Reichskanzler“ Adolf Hitler die Weisung Nr. 21 als „Geheime Kommandosache“. Der erste Satz lautete: „Die Deutsche Wehrmacht muss darauf vorbereitet sein, auch vor Beendigung des Krieges gegen England Sowjetrussland in einem schnellen Feldzug niederzuwerfen (,Fall Barbarossa‘).“ Einen Tag später empfing Hitler den neuen so­wjetischen Botschafter Wladimir Dekanosow zu einem kurzen Antrittsbesuch. Am selben Tag traf sich der deutsche Botschafter in Moskau, Friedrich-Werner Graf von der Schulenburg, mit dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Anastas Mikojan, um über ein deutsch-sowjetisches Wirtschaftsabkommen zu sprechen.

Handel treiben (wenn auch weniger) und Kriegspläne schmieden – in diese Formel lassen sich die deutsch-russischen Beziehungen 80 Jahre danach ebenfalls fassen. Wem das zu sehr auf Gleichsetzung von 1940 mit 2020 hinausläuft, der sehe sich die Lage an, in der sich das heutige Russland (aber auch die Republik Belarus) befindet. Sie sind von den USA und der NATO in einem Maße eingekreist, das mit den 30er Jahren nicht vergleichbar ist. Die Bedrohung mit konventionellen und atomaren Waffen hat ein neues Höchstmaß erreicht.

Anders als vor 80 Jahren wird der Aufmarsch der NATO mit wirtschaftlichen Sanktionen begleitet und die westlichen Konzern- und Staatsmedien steigern sich regelmäßig in antirussische Hysterie. Offiziell werden die Wirtschaftsbeziehungen aufrechterhalten, insbesondere bei der Gaspipeline „Nord Stream 2“. Der deutsche Außenhandel mit Russland ging aber in diesem Jahr offenbar erneut um mehr als 10 Prozent zurück.

Bundesregierung und die meisten Bundestagsparteien begleiten Sanktionen und Aufrüstung mit antirussischer Hetze fast ohne Unterbrechung. Historisch beispiellos dürfte der Besuch einer Bundeskanzlerin bei dem russischen rechten Politiker Alexej Nawalny im Berliner Krankenhaus gewesen sein. In dem hielt er sich auf, weil der angebliche Urheber des Mordversuchs mit einem absolut tödlichen Gift an ihm, der russische Präsident, ihn dorthin hatte ausfliegen lassen. Nawalny ist inzwischen so weit wiederhergestellt, dass er in der vergangenen Woche mit viel Tamtam namentlich acht Mitarbeiter russischer Geheimdienste nennen konnte, die angeblich in seine Vergiftung verwickelt gewesen seien. Anschließend tauchte er laut „Tagesspiegel am Sonntag“ mit großem Gefolge in Dresden auf, um die Wohnung und die Arbeitsstätte Wladimir Putins in dessen Zeit als KGB-Mitarbeiter dort (1985 bis 1990) aufzusuchen. Die Inszenierung ist noch nicht zu Ende.

Parallel zu der Nawalny-Kampagne engagierte sich die Bundesregierung beim vor allem von Litauen und Polen unterstützten Versuch, in der Republik Belarus einen Staatsstreich durchzuziehen. Das hatte in der Ukraine 2014 ja schon einmal geklappt, scheiterte diesmal aber unter anderem an Moskaus „Stopp!“.

So folgte 2020 ein Einzelfall, der sich gegen Russland ausschlachten ließ, dem andern. Zufall war selbstverständlich, dass am 80. Jahrestag des „Falls Barbarossa“ der internationale Sportgerichtshof CAS entschied, Russland dürfe zwei Jahre statt vier Jahre lang nicht an sportlichen Großereignissen teilnehmen. Kein Zufall war die schäumende Wut deutscher Gazetten wie der „FAZ“, die tobte, der CAS entlarve sich „wieder als das, was er ist: ein interessengeleitetes Verbandsgericht“. Nein, 2020 ist nicht 1940. Wenn aber die deutsche Verteidigungsministerin im Bundestag kurz vorm Jahrestag des „Fall Barbarossa“ erklärt, mit Russland müsse „aus einer Position der Stärke heraus“ verhandelt werden, weil das „gute deutsche Tradition“ sei – woran denkt sie da? Und woran arbeitet sie?

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"2020 ist nicht 1940, aber …", UZ vom 24. Dezember 2020



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