BDI und Bundesregierung schaffen mit Doppelwumms „Abwehrschirm“ für Konzerne

200 Milliarden für Wirtschaftskrieg

Fast ein Monat ist vergangen, seit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den „Doppelwumms“ verkündete. Der „Wirtschaftliche Abwehrschirm gegen die Folgen des russischen Angriffskrieges“, wie das Paket offiziell heißt, soll 200 Milliarden Euro kosten. Die Finanzierung wurde am vergangenen Freitag mit den Stimmen der Ampel-Koalition beschlossen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sprach anschließend auf Twitter erneut von einem „Energiekrieg“, in dem „wir unsere wirtschaftliche Stärke nutzen“ müssten. Der militärische Tonfall ist nicht zufällig gewählt. Laut Regierungskonzept soll der „Abwehrschirm“ ein „Signal an Russland“ senden. Während die vorangegangenen „Entlastungspakete“ mit Einmalzahlungen und dem 9-Euro-Ticket einen sozialen Ausgleich simulierten, wird der „Doppelwumms“ offen als ökonomische Waffe verstanden. Konkrete Maßnahmen sind noch nicht beschlossen. Die größte mediale Aufmerksamkeit wurde bisher der beabsichtigten „Gaspreisbremse“ zuteil, die nach aktuellem Stand vor allem Großkonzerne und Spitzenverdiener entlasten wird.

Doch der „Abwehrschirm“ soll noch mehr leisten. Das Konzeptpapier der Bundesregierung zählt insgesamt sieben Aufgabenfelder auf. Neben den Preisbremsen gehören dazu Stützungsmaßnahmen für „in Schwierigkeiten geratene Unternehmen“, die Vermeidung von „unverhältnismäßiger Bürokratie“, eine Umsatzsteuersenkung für Gas und Maßnahmen zur Angebotserweiterung auf dem Energiemarkt. Dabei setzt das Papier auch auf den verstärkten Import von Flüssiggas (LNG), die fortgesetzte Kohleverstromung sowie den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken. Die Bundesregierung strebt außerdem die Erschließung neuer Gasfelder im Ausland an. Dass es dabei nicht bleiben muss, machte Christian Lindner in der vergangenen Woche deutlich. In einem Tweet sprach er sich für eine „ideologiefreie Energiepolitik“ aus. Allerdings meinte der Minister damit nicht die Wiederaufnahme von Gasimporten aus Russland, sondern die Ausbeutung von „heimischen Öl- und Gasvorkommen“, die auch durch das umweltschädliche Fracking erschlossen werden könnten. In die gleiche Kerbe schlug der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI) mit seiner „Fünf-Punkte-Forderung“ zur „strategischen Rohstoffpolitik“. Der BDI fordert darin nicht nur Fracking-Probebohrungen, sondern auch eine Förderung des Bergbaus, beschleunigte Genehmigungsverfahren und die Vermeidung von Einschränkungen, etwa durch Lieferkettengesetze oder das EU-Chemikalienrecht.

Industrieforderungen und „Abwehrschirm“ liegen also auf einer Linie. Nun ist die „Doppelwumms“-Politik keineswegs neu. Schon in den vergangenen Monaten wurden Konzerne mit Milliardensummen unterstützt, Verfahren beschleunigt und geltende Standards untergraben. Ein aktuelles Beispiel liefert der bereits mehrfach gestützte Energiekonzern Uniper. Auf Grundlage des „LNG-Beschleunigungsgesetzes“ wurde dem Unternehmen die Einrichtung eines neuen Flüssiggas-Terminals in Wilhelmshaven genehmigt. Die sonst obligatorische Umweltverträglichkeitsprüfung wurde übersprungen. Geht das Terminal in Betrieb, werden dort jährlich bis zu 178 Millionen Kubikmeter mit Biozid belastete Abwässer in die Nordsee geleitet. Zugleich erwartet Uniper weitere staatliche Hilfen. Bis zu 40 Milliarden Euro werden zusätzlich zu den bereits gewährten Stützungsmaßnahmen benötigt, wie kürzlich bekannt wurde.

Mit dem Finanzierungsbeschluss zum „Abwehrschirm“ hat der Bundestag die Grundlage für eine weitere Verselbstständigung dieser Politik geschaffen. Der Bundesregierung wurde eine gewaltige Summe an die Hand gegeben, um aufkommende Verluste zu sozialisieren. Wie lange das Geld reicht, ist ungewiss. Auch 200 Milliarden Euro sind endlich, wie die neuen Forderungen von Uniper zeigen. Der „Doppelwumms“ ist weder ein Sozialprogramm noch weist er einen Weg aus der Krise. Er soll eine Verlängerung des Wirtschaftskrieges ermöglichen und die davon betroffenen Konzerne schützen. Für Millionen Privathaushalte in Deutschland wird sich die Situation hingegen verschärfen.

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"200 Milliarden für Wirtschaftskrieg", UZ vom 28. Oktober 2022



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