Nach der Wahl: Diskussion über schnelle Aufrüstung. „Die Linke“ „unter Bedingungen“ dabei

200 Milliarden Euro sofort

Besonders Grüne und SPD drängten am Montag nach der Bundestagswahl zur Eile bei der Hochrüstung. Agrar- und Bildungsminister Cem Özdemir (Grüne) erklärte im „ARD-Morgenmagazin“: „Wir könnten uns noch in diesem Monat mit dem bestehenden Bundestag zusammensetzen, mit Bündnis 90/Die Grünen, mit der CDU/CSU, mit der SPD, um dafür zu sorgen, dass wir mehr ausgeben können für die Landesverteidigung.“ Außenministerin Annalena Baer­bock und Vizekanzler Robert Habeck schlossen sich ihm an. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) verlangte in „Bild“: „Für die auskömmliche Ausstattung der Bundeswehr ist eine Ausnahme von der Schuldenbremse praktisch unumgänglich … Der Haushalt meines Ministeriums wird sich durch notwendige Investitionen in den kommenden Jahren auf über 100 Milliarden Euro verdoppeln müssen. Wir reden über mehr als 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.“ Sie alle wurden vom Wahlgewinner Friedrich Merz übertroffen. Am Dienstag berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg: „Der designierte deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz hat Gespräche mit den Sozialdemokraten aufgenommen, um schnell bis zu 200 Milliarden Euro an Sonderausgaben für die Verteidigung zu genehmigen, so eine mit diesen Gesprächen vertraute Person.“ Merz war am Dienstag Vormittag zu Gesprächen mit Bundeskanzler Olaf Scholz ins Bundeskanzleramt gekommen.

Zuvor erklärte sich die Partei „Die Linke“ zur Flexibilität in dieser Frage bereit. Ko-Parteichefin Ines Schwerdtner behauptete in der Bundespressekonferenz, ihre Partei sei bei der Reform der Schuldenbremse „in der Lage, Bedingungen stellen zu können“, für Aufrüstung werde sie aber nicht stimmen. Ko-Parteichef Jan van Aken steuerte flugs eine neue Definition von Aufrüstung bei. Auf die Frage, ob seine Partei die Bundeswehr ausreichend ausgestattet sehe, antwortete er, das sei zu kurz gedacht, „Die Linke“ habe immer erklärt, dass sie „Sicherheit europäisch denken“ wolle. Die europäischen NATO-Staaten gäben „ungefähr 430 Milliarden US-Dollar für ihre Verteidigung aus, Russland kaufkraftbereinigt 300 Milliarden“. Verteidigung müsse auf Landes- oder Europaverteidigung begrenzt werden, dafür reichten diese Summen aus. Im übrigen, so van Aken, sei er anders als Olaf Scholz oder Merz der Auffassung, dass jetzt über europäische Friedenstruppen in der Ukraine nachgedacht werden müsse. Er befürwortete sie, sprach sich aber gegen die Teilnahme deutscher Soldaten aus Symbolgründen aus: Der Stationierungsort liege zu nahe an Stalingrad.

Die „Deutschland-Geschwindigkeit“ bei der Rüstung hat offensichtlich mit den Verhandlungen zwischen den USA und Russland über ein rasches Ende des Ukraine-Krieges zu tun. Denn im Gespräch ist auch ein „Ukraine-Sondervermögen“ außerhalb der Schuldenbremse. Differenzen zu den USA wurden am Montagabend bei Abstimmungen in den Vereinten Nationen in New York deutlich. Am dritten Jahrestag der russischen Offensive in der Ukraine stimmten die USA und Russland zuerst in der UN-Vollversammlung und später im Sicherheitsrat gleich ab – gegen die Westeuropäer. Ein von Letzteren unterstützter Textentwurf erhielt in der Vollversammlung 93 Stimmen, 18 Länder, darunter die USA, Russland, Belarus, die DVR Korea und Sudan stimmten dagegen, 65 Staaten enthielten sich. Der Text kritisiert Russland und betont die territoriale Integrität der Ukraine. Im Sicherheitsrat brachten die USA eine Resolution ein, in der ein rasches Ende des Konflikts gefordert wird, Russland aber nicht verurteilt und auf die territoriale Integrität der Ukraine kein Bezug genommen wird. Der Text wurde mit zehn Ja-Stimmen (USA, Russland, China, Algerien, Guayana, Sierra Leone, Südkorea, Pakistan, Panama und Somalia) bei fünf Enthaltungen (Britannien, Frankreich, Dänemark, Griechenland und Slowenien) angenommen.

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"200 Milliarden Euro sofort", UZ vom 28. Februar 2025



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