Die Kommunisten in Luxemburg wollen im Wahlkampf für die Interessen der Lohnabhängigen kämpfen. Die UZ sprach darüber mit Ali Ruckert, Vorsitzender der Kommunistischen Partei Luxemburgs (KPL), auf dem „Wisefest“, dem Pressefest der „Zeitung vum Letzebuerger Vollek“.
UZ: Wie sehen die Klassenverhältnisse heute in Luxemburg aus?
Ali Ruckert: Die größte Klasse in Luxemburg sind die Lohnabhängigen. Jeder dritte Lohnabhängige kommt aus Portugal. Das schafft ein Sprachenproblem. Wir sagen, dass der Unternehmer den Kollegen, die aus Portugal kommen, Sprachunterricht während der Arbeitszeit
bezahlen muss. Es gibt keine größeren Probleme – wie in den Nachbarländern –, was Rassismus angeht. Aber die Arbeiterklasse in Luxemburg ist aufgesplittert und die Leute leben nebeneinander, nicht miteinander.
In Luxemburg überwiegt der Dienstleistungssektor und nicht mehr der Industriebereich. Im Süden des Landes gibt es aber noch Stahl- und chemische Industrie, wie auch Maschinenbau. Der ausgeprägte Bankensektor umfasst über 140 Banken. Die große Mehrheit der Beschäftigten sind Grenzgänger, rund 85 000 aus Frankreich und 44 000 aus Deutschland. Das macht es sehr schwer, sie gewerkschaftlich zu organisieren.
Die Regierung hat während der letzten zehn Jahre die Kapitalsteuer systematisch nach unten gesenkt und es fehlen immer mehr Steuereinnahmen aus dem Bankensektor. Investitionsgesellschaften bezahlen nur 0,01 Prozent. Zum Vergleich: ein unverheirateter Mindestlöhner zahlt 7 Prozent. Auf diese Weise entwickelt sich die Gesamtsteuerlast zu Ungunsten der Lohnabhängigen. Früher bezahlten die Betriebe zwei Drittel der Steuern und die Lohnabhängigen ein Drittel. Heute ist es umgekehrt.
UZ: Was möchte die KPL tun, damit dieses Verhältnis wieder gerechter wird?
Ali Ruckert: In unserem Programm zu den Parlamentswahlen am 14. Oktober haben wir eine Reihe von Vorschlägen. Die Regierung hat am 1. Januar 2017 eine punktuelle Steuerreform durchgeführt, bei der die Steuertabelle für die Lohnabhängigen etwas angepasst wurde. Aber wer den Mindestlohn verdient, muss noch immer Steuern zahlen. Wir fordern, wie die Gewerkschaft auch, dass die Steuertabelle erst nach dem Mindestlohn einsetzt. Das heißt, dass jemand, der den Mindestlohn bekommt, keine Steuern bezahlt.
UZ: Das würde auch gelten, wenn eure Forderung nach 20 Prozent mehr Mindestlohn verwirklicht würde?
Ali Ruckert: Selbstverständlich. Der Mindestlohn beläuft sich in Luxemburg zur Zeit auf 2013 Euro. Damit kann man schlecht überleben. Die Mieten sind hoch und wer kein Eigenheim hat, muss selbst im Süden des Landes, wo die Mieten billiger sind, rund 800 bis 900 Euro für eine Wohnung bezahlen. Dazu sind die Preise in den letzten Jahren immer mehr gestiegen. Wenn man 40 Stunden arbeitet und den Mindestlohn bekommt, dann gehört man in Luxemburg zu den „working poor“. Das ist ein Phänomen, das sich immer mehr ausbreitet. Deshalb ist unsere Forderung, den Mindestlohn um 20 Prozent zu erhöhen inklusive Steuerbefreiung.
Bei den Steuern muss das Verhältnis zwischen Arbeit und Kapital grundlegend verändert werden. Die Kapitalsteuer war vor zehn Jahren noch bei 28 Prozent und ist jetzt bei 18 Prozent. Daneben muss die Gewerbesteuer, die die Gemeinden einziehen, überall denselben Hebesatz haben. Sonst spielen die Betriebe die Gemeinden gegeneinander aus. Investitionsgesellschaften sollen 0,06 statt 0,01 Prozent bezahlen Das wird bei denen kaum ins Gewicht fallen, aber es gäbe keine Probleme mehr mit dem Staatshaushalt. Auf sämtliche Kapitaleinkünfte müssen mehr Steuern bezahlt werden.
UZ: Die Arbeitslosigkeit ist heute vier Mal so hoch wie vor der Krise in Luxemburg. Wie will die KPL dem begegnen?
Ali Ruckert: Wir haben da eine Reihe von Vorschlägen. Zum Beispiel importiert Luxemburg Gemüse zu 99 Prozent und Obst zu 95 Prozent. Wir sagen, das ist ein Bereich, in den unbedingt investiert werden muss. Der Staat und die Gemeinden müssen kommunale oder staatliche Betriebe schaffen, um Obst und Gemüse anzubauen. So könnten sehr viele junge Arbeitslose eingestellt werden. Wir haben diesen Vorschlag in Differdingen, wo die KPL im Gemeinderat sitzt, eingebracht. Die Koalition zwischen Christlich-Sozialen und Grünen hat das aufgegriffen und in der Zwischenzeit eine kommunale Gärtnerei eröffnet. Fairerweise sagen sie aber, dass das ein Vorschlag der Kommunisten war. Das ist natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Um wirklich die Arbeitslosigkeit abzubauen, müsste die Bildung verbessert werden.
UZ: Gerade Kinder aus einkommensschwachen und Immigranten-Familien werden heute benachteiligt. Wie kann den Kindern eine Zukunft mit Perspektive ermöglicht werden?
Ali Ruckert: Wir haben festgestellt, dass gerade in den Gemeinden des Südens ein sehr großer Teil der Arbeiterkinder, seien es Luxemburger oder Immigranten, in der Arbeitslosigkeit landen und keinen Beruf erlernen. Das ist ein riesiges Problem. Daher sind wir der Ansicht, dass der Schulhaushalt um 30 Prozent erhöht werden muss. Da ist viel, aber wir wollen, dass gerade den Kindern aus Arbeiter- und Immigrantenfamilien besonders geholfen wird. Als ich vor 45 Jahren das Abitur gemacht habe, da haben 5 Prozent der Arbeiterkinder Abitur gemacht. Dieser Prozentsatz ist bis heute praktisch unverändert. Das heißt, die aus einer höheren Klasse kommen, die sind noch immer privilegiert. Das wollen wir abschaffen. Wir wollen eine Schule der Chancengleichheit schaffen, auch für Arbeiter- und Immigrantenkinder.
UZ: Luxemburg ist NATO-Mitglied. In diesem Rahmen beteiligt sich Luxemburg an Kriegen weltweit. Was sagt die KPL als Friedenspartei dazu?
Ali Ruckert: Auslandseinsätze lehnen wir grundsätzlich ab. Wir fordern, dass die Luxemburger Soldaten, die im Kosovo oder in Mali sind, zurückkommen. Vor allem wollen wir, dass die Luxemburger Soldaten, die unter deutschem Kommando an der Grenze zu Russland stationiert sind, unverzüglich nach Hause zurückkehren. Außerdem fordern wir, dass der Militärhaushalt radikal gesenkt wird. Die Luxemburger Armee soll als militärische Formation abgeschafft und ein allgemeiner Dienst für Entwicklungshilfe und Katastrophenhilfe geschaffen werden.
Wir treten seit jeher für den Austritt Luxemburgs aus der NATO und für die Auflösung aller imperialistischen Militärbündnisse ein. Wir sagen ganz klar nein zu der 2-Prozent-Forderung.
Wir haben in Luxemburg ein US-amerikanisches Militärlager und die größte Agentur für Ersatzteile der NATO. Wir wollen, dass diese militärischen Einrichtungen geschlossen werden.
Ebenso wie unsere deutschen Genossen fordern wir Abrüstung statt Aufrüstung. Die KPL in diesem Sinne tritt für ein Verbot aller Atomwaffen ein, unabhängig davon, wer im Besitz dieser Waffen ist.