Wenn man über die Delivery Hero GmbH schreibt, bietet sich je nach politischem Standpunkt und Klassenzugehörigkeit eine der beiden Überschriften an: „Vom Start-up-Unternehmen zu einem börsennotierten DAX-Konzern“ oder „2.290 Jahre arbeiten für ein Vorstandsgehalt“. Aus dem Blickwinkel der Anhänger der „freien Marktwirtschaft“ ist die Geschichte des im Mai 2011 in Berlin gegründeten Unternehmens eine einzige große Erfolgsstory.
Die Geschäftsidee des Konzerns besteht darin, dass Tochterunternehmen unter unterschiedlichen Firmen- und Markennamen Online-Essensbestelldienste betreiben, bei denen Kunden an Restaurants und Lieferdienste vermittelt werden. Einnahmen werden durch das Auflisten der Lieferdienste auf den Seiten der Tochterunternehmen generiert, die hierfür Monatspauschalen verlangen und zusätzlich pro Bestellumsatz eine anteilige Provision berechnen. Das Geschäftsmodell boomt.
Delivery Hero hatte bereits Mitte 2016 200.000 Partner-Restaurants und wickelte monatlich 13 Millionen Bestellungen ab. Man ist inzwischen in etwa 40 Staaten aktiv. Nach dem Börsengang im Jahr 2017 wurde der Wert des Unternehmens mit 6,5 Milliarden Euro eingestuft. Das Jahreseinkommen des Vorstandsvorsitzenden und Firmengründers Niklas Östberg wurde 2020 auf 45,7 Millionen Euro geschätzt. Dies ist die Sicht auf den Konzern, wie man ihn in einem x-beliebigen Manager-Magazin hätte nachlesen können. Der Blick derjenigen, die durch den Einsatz ihrer Arbeitskraft die Werte und den wirtschaftlichen Erfolg geschaffen haben, ist sicher ein anderer.
Die Arbeitsbedingungen sind, wie in vielen Unternehmen der New Economy, prekär. Die bei den Subunternehmen von Delivery Hero beschäftigten Fahrradkuriere müssen ihre eigenen Räder und Smartphones für ihre Arbeit nutzen. Einen Betriebsrat gibt es nur an wenigen Standorten. Die Löhne liegen nur knapp über dem aktuellen Mindestlohn von 9,60 Euro. Der DGB hat kürzlich ausgerechnet, dass bei diesem Stundenlohn und einer 40-Stunden-Woche ein Fahrradkurier rund 2.290 Jahre in die Pedale treten muss, um einen Lohn in der Höhe des Jahreseinkommens des Vorstandsvorsitzenden Östberg zu erhalten. Dies ist nur eines von zahllosen Beispielen, wie Top-Manager und Spitzenverdiener sich von Jahr zu Jahr ein größeres Stück des Kuchens abschneiden, während gleichzeitig die Erwerbsarmut in der BRD kontinuierlich zunimmt.
Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen, dass die Armutsgefahr hierzulande noch nie so hoch war wie jetzt. So lebten im Jahr 2019 15,9 Prozent der Bevölkerung in Armut oder sind von Armut bedroht. Das ist der höchste Wert seit Erfassung der Zahlen im Jahr 2005. Um der (Erwerbs-)Armut zu entfliehen, hat unser Wirtschaftssystem den Betroffenen einen Ausweg bereitgestellt. Für ein besseres Leben müssen sie lediglich, wie die Kurierfahrer bei Delivery Hero, ihre Arbeitskraft für die nächsten 2.290 Jahre verkaufen. Wer Alternativen zu diesem vergifteten Angebot sucht, dem ist ein Blick in das Kommunistische Maifest zu empfehlen.