Vor 60 Jahren flog mit Juri Gagarin der erste Mensch ins Weltall

108 Minuten für die Ewigkeit

Nina Hager und Melina Deymann

Achtung! Hier spricht Radio Moskau. Diese Meldung wird von allen Radiostationen in der Sowjetunion gesendet. Das erste Raumschiff der Welt, ‚Wostok‘, ist heute von der So-wjetunion mit einem Menschen an Bord in einen Orbit über der Erde gestartet worden. Der Kosmonautenpilot des Raumschiffs ‚Wostok‘ ist ein Bürger der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, Luftfahrtmajor Juri Gagarin.“ Diese Nachricht, gelesen von Juri Lewitan, dem Chefsprecher des sowjetischen Rundfunks, erreichte am 12. April 1961 die Sowjetunion und die ganze Welt.

Nach dem Satelliten Sputnik und den Hunden Laika, Belka und Strelka war die Sowjetunion wieder schneller als die USA: Nur 16 Jahre nach dem Sieg über den Faschismus war es gelungen, einen Menschen ins All zu schicken – und ihn wohlbehalten wieder auf die Erde zurück zu bringen.

„Pojechali!“ – „Auf geht‘s!“ war der simple Kommentar Gagarins, als die Bodenkontrolle ihm mitteilte, der Befehl für die Zündung der Triebwerke sei erfolgt. Ganz so, als würde er sich zu einem Spaziergang aufmachen und nicht einen der größten Schritte in der Geschichte der Menschheit tun.

Die Rakete startete in Baikonur um 9 Uhr 7 Minuten Ortszeit. Als sie die errechnete Flughöhe erreicht hatte, wurde die Wostok-Kapsel von der letzten Raketenstufe abgetrennt. Sie konnte ihren Flug um die Erde beginnen. Gagarin hatte – anders als spätere Kosmonauten und Kosmonautinnen – während des gesamten Fluges allerdings keine Möglichkeiten, in die technischen Abläufe einzugreifen. Wissenschaftliche Untersuchungen waren während der kurzen Zeit des Fluges und wohl auch aufgrund fehlender Ausrüstung an Bord nicht möglich. Juri war wohl kaum in der Lage, mehr als nur kurze flüchtige Eindrücke zu verarbeiten – und offenbar zugleich überwältigt vom Anblick unseres Heimatplaneten.

Gegen 10 Uhr und 25 Minuten – nach einer Erdumrundung – zündeten die Bremstriebwerke, der Abstieg begann. Gagarin sah durch die Bordfenster die Flammen, die die Kapsel umgaben. Er befand sich – wie er selbst formulierte – „in einer niederstürzenden Feuerkugel“. Nach der Zündung der Bremstriebwerke kam es zu Problemen. Das Raumschiff begann wild zu rotieren. Bis sich die bemannte Wostok-Kapsel dann doch noch vom größeren Geräteteil trennte.

Aus völlig anderen Sicherheitsgründen musste der Pilot – wie bereits vor dem Flug festgelegt und erprobt – während der Landung aus der Wostok-Kapsel aussteigen. Gagarin landete um 10 Uhr 55 Minuten am Fallschirm sicher auf einem Feld nahe der Stadt Engels, etwa 850 Kilometer südöstlich von Moskau. Wenige Kilometer weiter erreichte auch die Kapsel sicher ihren Zielort. Gagarin selbst musste sich nach seiner sicheren Landung erst einmal auf die Suche nach einem Telefon machen, um seine Einheit über seine Rückkehr zu informieren. Die ersten Menschen, die den soeben aus dem All zurückgekehrten Kosmonauten sahen, waren die Bäuerin Anna Tachtarowa und ihre Enkelin Rita. Gagarin beschreibt in seinen Erinnerungen, dass die beiden Angst vor ihm in seiner Raumfahrerkluft bekamen: „Jetzt habe ich mit den Händen gestikuliert und gerufen ‚Ich bin einer von euch, von uns, von uns, ein Sowjetmensch, habt keine Angst, kommt her‘ … Ich sehe: Sie kommt unsicher und langsam auf mich zu. Ich trat an sie heran und sagte, dass ich ein Sowjetmensch bin und aus dem Weltraum komme.“

Der Sowjetmensch Juri Alexejewitsch Gagarin war am 9. März 1934 in Kluschino nahe Gschatsk, dem heutigen Gagarin, zur Welt gekommen. Sein Vater war Zimmermann, seine Mutter Milchbäuerin in der örtlichen Kolchose. Sein Dorf wurde 1941 von den Faschisten besetzt, sein Bruder und seine Schwester, die beide älter waren als er, wurden zu Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt, überlebten aber und konnten nach Kriegsende zu ihrer Familie zurückkehren.

Seine Liebe galt ab früher Kindheit dem Fliegen. Das dafür ausschlagebende Erlebnis soll eine Beobachtung während des Krieges gewesen sein: Gagarin sah, wie ein sowjetischer Jagdflieger in seiner Nähe landete, um einen notgelandeten anderen Flieger mitzunehmen und so vor deutscher Gefangenschaft zu retten.

1955 ging Gagarin zur Armee. 1960 wurde er ausgewählt, an der Ausbildung künftiger Kosmonauten teilzunehmen und Anfang 1961 aufgrund seiner Fähigkeiten, seiner Zuverlässigkeit und Ruhe für den ersten Flug eines Menschen ins All.

Nach dem erfolgreichen Flug reiste Juri Gagarin durch die ganze Welt und wurde zum Botschafter des Friedens im Kalten Krieg.

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"108 Minuten für die Ewigkeit", UZ vom 9. April 2021



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