Ein breites Bündnis aus Beschäftigten der landeseigenen Berliner Klinikkonzerne Vivantes und Charité und Unterstützern demonstrierte am 12. Mai, zum Tag der Pflege, vor dem Roten Rathaus. Die etwa 1.000 Teilnehmer übergaben eine Petition mit 8.397 Unterschriften, die zuvor in den Kliniken gesammelt worden waren. Sie protestieren gegen die Überlastung, die in der Corona-Krise noch zugenommen hat, und die ungleiche Bezahlung der Beschäftigten. Gleichzeitig stellten die Protestierenden der Berliner Krankenhausbewegung der Landesregierung ein Ultimatum. 100 Tage hat der Berliner Senat nun Zeit, ihre Forderungen zu erfüllen. Tut er dies nicht, wird es einen Erzwingungsstreik an den landeseigenen Kliniken geben – und das wenige Wochen vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus am 26. September. Es geht darum, für alle nichtärztlichen Beschäftigten dieser Kliniken eine Entlohnung im Rahmen des TVöD und eine wirkliche Entlastung zu erkämpfen.
Die Berliner Krankenhausbewegung hatte als Auftakt ihrer Kampagne am 27. April eine Videokonferenz mit über 400 Teilnehmern abgehalten. Teil des Bündnisses sind die ver.di-Betriebsgruppen, das Bündnis „Gesundheit statt Profite“, außerdem viele politische Gruppen und Gliederungen und zahlreiche Einzelunterstützerinnen und -unterstützer, darunter auch Beschäftigte aus den Tochtergesellschaften der Kliniken und aus anderen Krankenhäusern. Nach einem Austausch über die Arbeitsbedingungen wurde über Aktionen beraten. In den Stadtteilen der Klinikstandorte mobilisieren lokale Bündnisse beziehungsweise Arbeitsgruppen. Geplant ist auch, die Forderungen an Abgeordnete und Wahlkandidaten heranzutragen.
Seit der Rechtsformänderung der ehemals öffentlich-rechtlichen Krankenhäuser ab 2001 haben sowohl Vivantes als auch Charité viele Bereiche außerhalb der Pflege ausgegliedert, um die Lohnkosten zu senken. Nach der Tarifflucht des Landes Berlin, die mit der sogenannten „Entstaatlichung“ einherging, begannen Lohnkämpfe, um Anschluss an den Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD) zu bekommen. Diese Tarifauseinandersetzungen waren nach mehreren Anläufen für die nicht ausgegliederten Bereiche von Vivantes und Charité erfolgreich. Zeitgleich liefen Kämpfe gegen Ausgründungen von Servicebereichen und für die Rechte der Beschäftigten bereits ausgegründeter Bereiche. Die Entlohnung in den Tochtergesellschaften bleibt weit hinter dem TVöD zurück – genau darum wurden sie auch geschaffen. In vielen Auseinandersetzungen, besonders um die Charité Facility Management (CFM), standen Aktive aus der Pflege solidarisch an der Seite der ausgegründeten Kolleginnen und Kollegen.
In der Auseinandersetzung geht es um genau diejenigen Beschäftigten, die die Hauptlast der Versorgung von Corona-Kranken in Berlin tragen. Dagegen gehören die Träger der zahlreichen privaten und kirchlichen Kliniken zum Teil sogar zu den Krisengewinnern. Sie konnten – wie alle anderen – von Entschädigungen profitieren, haben aber nur einen geringen Teil der aufwendigen Versorgung von schwer an Covid Erkrankten übernommen. So ist es zu erklären, dass zum Beispiel der Sana-Konzern im Jahr 2020 in einer Klinik in Berlin 14 Millionen Euro Gewinn erwirtschaften konnte.
Der Kampf um einen Entlastungstarifvertrag an der Charité hat bundesweit Impulse gesetzt. Dennoch bleiben in der Umsetzung viele Schwierigkeiten. Die Leitung der Charité versuchte immer wieder, die erstrittenen Maßnahmen zur Entlastung des Personals zu verhindern. Darum hat es sich als notwendig erwiesen, breite Bündnisse zu schaffen, um mehr Druck auf die Landespolitik auszuüben. Aus den Senatsparteien SPD, Linke und Grüne kommen immer wieder zustimmende Äußerungen zum Anliegen der Krankenhausbewegung. Tatsächlich werden sich die Entscheidungsträger nicht von selbst bewegen. Gegenwind ist zu spüren an einzelnen Klinikstandorten. So versuchte die Geschäftsführung am Klinikum Hellersdorf, das Sammeln von Unterschriften für die Petition durch ver.di-Mitglieder zu unterbinden. Unter dem Motto „TVöD für alle“ wird die Kampagne mit Beginn der heißen Wahlkampfphase an Fahrt aufnehmen und zumindest den zukünftigen Berliner Senat vor eine große Herausforderung stellen.