In Stuttgart wurde der 7-Stunden-Tag gefordert
In Stuttgart forderte der Arbeiterführer, Spartakist und Vorsitzender des Stuttgarter Arbeiterrats Fritz Rück auf der Kundgebung am 4. November 1918 auf dem Schlossplatz vor 40000 Demonstranten den 7-Stunden-Tag. Auch in der „Roten Fahne“ vom 5. November, dem Mitteilungsblatt des Stuttgarter Arbeiter- und Soldatenrats, der sich am 4. November gegründet hatte, wird die siebenstündige Arbeitszeit als Forderung des Arbeiter- und Soldatenrates benannt – eine Besonderheit von Stuttgart.
Diese Besonderheit hängt sicher auch damit zusammen, dass in Stuttgart einige Großbetriebe schon kürzere Arbeitszeiten eingeführt hatten. So zum Beispiel Daimler, der 1906 nach harten Auseinandersetzungen die Arbeitszeit auf 9,5 Stunden reduzierte, davon war eine halbe Stunde Pause. 1911 wird der freie Samstagnachmittag eingeführt, allerdings ohne Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit. Noch besser war die Vereinbarung bei Bosch. Dort wurde 1894 der 9-Stunden-Tag und 1906 der 8-Stunden-Tag eingeführt.
Auch der 8-Stunden-Tag ist eine Errungenschaft der Novemberrevolution und feiert sein 100-jähriges Jubiläum. Er wurde vom Rat der Volksbeauftragten am 12. November 1918 beschlossen. Dieser Rat war vom 10. November an die amtierende provisorische Revolutions-Regierung. Er beendete am 11. November den Ersten Weltkrieg mit einem Waffenstillstand.
Gleich einen Tag später beschloss er den 8-Stunden-Tag, was zeigt, welche Bedeutung diese langjährige Forderung der Arbeiterbewegung für ihn hatte. Zum 1. Januar 1919 wurde der 8-Stunden-Tag eingeführt, und zwar mit vollem Lohnausgleich.
Dies war ein großartiger Erfolg der Revolution, stand die Forderung doch schon viele Jahrzehnte im Fokus der Arbeiterbewegung. Die üblichen Arbeitszeiten zu Beginn der Industrialisierung lagen zwischen 12 und oft sogar 14 Stunden an sechs Wochentagen. Diese konnten im Laufe des 19. Jahrhunderts reduziert werden, aber während der Kriegsjahre 1914 bis 18 stieg die tägliche Arbeitszeit wieder auf 12 bis 13 Stunden.
Auch im Stinnes-Legien-Abkommen, das unter anderem zwischen dem Rüstungsindustriellen Hugo Stinnes und dem Vorsitzenden der Gewerkschaft, Carl Legien, am 15. November 1918 beschlossen wurde, machte das Kapital Zugeständnisse wie die Einrichtung von Arbeiterausschüssen, Abschluss von Kollektivverträgen und eben auch den 8-Stunden-Tag. Aber im Gegenzug versprach Legien, dass die Eigentumsverhältnisse nicht angetastet und die Arbeiter-und-Soldaten-Räte verschwinden würden. Eine Zusage, die der Revolution in den Rücken fiel. Denn die Arbeiterbewegung wollte anderes.
Der zentrale Reichsrätekongress Mitte Dezember 1918 forderte die Sozialisierung der Schlüsselindustrien und die Kontrolle der Betriebe durch die Arbeiter. Der Preis, den der 8-Stundentag kostete, war also hoch. Aber gerade was man teuer bezahlt hat, muss man in Ehren halten und gegen alle Aufweichungstendenzen verteidigen. Wie zum Beispiel jetzt gegen den Vorstoß der baden-württembergischen CDU und von Arbeitgeberverbänden, insbesondere aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe, die tägliche Höchstarbeitszeit auf 12 Stunden auszuweiten.
Trotz dieses Abkommens bleibt der 8-Stunden-Tag ein großer Sieg der Revolution, ein großer Sieg im langen Kampf um eines der zentralen Elemente des Gegensatzes zwischen Kapital und Arbeit. Dem Kapital bleibt es ein verhasstes Symbol der Revolution.