Am 16. März 2014 fand auf der Krim ein Referendum zum Beitritt zur Russischen Föderation statt, das am 18. März vom russischen Präsidenten Putin bestätigt wurde. Liane Kilinc, Vorsitzende von Friedensbrücke-Kriegsopferhilfe e. V., schrieb UZ zum 10. Jahrestag des Beitritts der Krim zur Russischen Föderation folgenden Beitrag. Darin weist die Antifaschistin, die heute in Russland lebt, nicht nur die Lüge von Besatzung und Annexion der Krim durch Russland zurück, sondern erinnert auch an ihr Heimatland, die DDR. Ein Land, das für Frieden mit Russland und Völkerfreundschaft stand. In diesem Sinne leistet der Verein Friedensbrücke-Kriegsopferhilfe seit 2015 politische und materielle Solidarität mit dem Donbass.
Ich gratuliere zum 10. Jahrestag des Beitritts der Krim zur Russischen Föderation. Dieser Tag war kein Geschenk, sondern die Erfüllung eines lang gehegten Wunsches und das Ergebnis eines dreißig Jahre anhaltenden Kampfes. Heute können wir uns alle sehr gut vorstellen, was es bedeutet hätte, wäre die Krim damals, wie geplant war, zum NATO-Stützpunkt geworden – das hätte nicht nur die vollständige Unterdrückung der russischen Sprache und Kultur bedeutet, sondern eine Herrschaft blanken Terrors. Der Überfall auf die Anti-Maidan-Demonstranten der Krim noch vor dem Putsch in Kiew zeigte überdeutlich, was zu erwarten war; und ich sage es mit Beschämung, dass die Schläger der ukrainischen Partei Udar, die an diesem Überfall beteiligt waren, mit deutschem Geld finanziert wurden; ohne die Unterstützung der Konrad-Adenauer-Stiftung hätte es diese Partei niemals gegeben.
Es wird der Tag kommen, an dem die Ereignisse hier auf der Krim vor zehn Jahren ihren angemessenen Platz nicht nur in der Geschichte Russlands, sondern der Geschichte der Menschheit finden werden. Die Regierung meines Landes ist auch heute daran beteiligt, dass die Bewohner der Krim nicht wirklich in Frieden leben können. Wobei ich das ungern so schreibe, denn dieses Deutschland ist nicht wirklich mein Land. Würden wir, die Bürger der DDR, eine andere Sprache sprechen, wäre sie mit Sicherheit verboten. Ich kann nachfühlen, wie das ist, wenn die eigene Geschichte und Kultur ausgelöscht werden, denn mit unserer Geschichte und Kultur ging es genauso. Man kann keine Zeitung aufschlagen, ohne dass sich die westliche Republik darin anpreist und die DDR zur finsteren Diktatur erklärt wird.
Dass sich mittlerweile Deutschland selbst ukrainisiert, von der Verfälschung der Geschichte bis hin zur wirtschaftlichen Selbstzerstörung, geschieht so einfach, weil all die Jahre seit der Annexion meines Vaterlandes, der DDR, mit uns ähnlich verfahren wurde wie mit ihnen. Unzählige Straßen, Plätze, Schulen wurden umbenannt, unzählige Denkmäler zerstört. Selbst all das, was erhalten bleiben müsste, die Ablehnung des Nazismus, ist bedroht – seit Jahren wird daran gearbeitet, das Berliner Denkmal für Ernst Thälmann zu zerstören.
Offiziell wird behauptet, man ehre den deutschen Widerstand gegen den Hitlerfaschismus. Aber man identifiziert sich im jetzigen Deutschland lieber mit den britischen Bombern, die deutsche Städte in Schutt und Asche legten, als mit einem deutschen Kommunisten, der durch seine Standhaftigkeit zum Symbol der anderen deutschen Nation wurde, der weltweit dafür stand, dass Nazideutschland nicht ganz Deutschland erfasst hat. Thälmann stört, weil er sich auch den Vereinigten Staaten nicht unterworfen hätte, weil er daran erinnert, dass Freiheit und Souveränität nicht voneinander zu trennen sind, sowie daran, dass die Wahrheit Standhaftigkeit erfordert. Traurig ist nur, dass der westliche Teil zu großen Teilen nicht begreift, dass ein derartiges Auslöschen der Erinnerung auch sie der Identität, des Bewusstseins beraubt, das die Voraussetzung wäre für die Wiedererringung der eigenen Souveränität.
Der Blick auf die Entwicklung auf der Krim, die wirklich eine Wiedervereinigung war, erinnert mich immer wieder daran, dass das, was wir erlebten, eben keine war. Nach bald 35 Jahren sind nach wie vor 90 Prozent der Leitungsstellen in allen Verwaltungen mit Menschen aus der westlichen Bundesrepublik besetzt. Unsere Löhne sind niedriger, die großartige Infrastruktur, die wir bis ins letzte Dorf hatten, mit Kulturhäusern, mit Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe, mit Schulen in der Nähe, wurde zerstört. Im Grunde dienen wir immer noch nur als Nachschubproduzenten für den Arbeitsmarkt im Westen. Es wird uns immer wieder vorgebetet, wie dankbar wir doch für die Wiedervereinigung sein sollten, aber das war keine, ist keine und wird keine sein. Es bleibt eine Annexion.
Vor dieser Annexion, als es mein Heimatland noch gab, wäre es für die Westrepublik noch undenkbar gewesen, etwas wie die Organisation Udar aufzubauen. Sie redeten von Zusammenarbeit und Verständigung; es brauchte nicht lange nach der Annexion, da verschwand all das in der Mülltonne.
Die ganze Osterweiterung der NATO begann im Grunde mit dieser Annexion, denn weder die Bevölkerung unserer noch die der westlichen Republik wurde jemals gefragt, ob sie denn Teil dieses Bündnisses sein oder bleiben wolle. Und inzwischen ist klar, dass Deutschland, die deutsche Regierung, nicht nur in der jetzigen Aggression und als Kriegsbeteiligter eine wichtige Rolle spielt, es ist auch sichtbar, dass sie dies um den Preis einer völligen Aufgabe ihrer Souveränität tut.
Die DDR musste sich damals sehr bemühen um ihre Souveränität, denn Bodenschätze und industrielle Anlagen waren nur zum Teil vorhanden. Von den Pipelines, die aus der Sowjetunion verlegt wurden und an der auch viele Jugendliche aus der DDR mitgebaut hatten, profitierten am Ende die Räuber, die unsere Heimat gestohlen haben, gerade in dem Moment, in dem das große Problem der Energieversorgung, das unsere Entwicklung behinderte, endlich gelöst worden wäre.
Ihr kennt diese Probleme nur zu gut. Und wie mit dem Überfall auf die Busse der Demonstranten bekamt ihr als erste zu spüren, wie sich dieses Putsch-Regime in Kiew mit der Blockade der Wasserversorgung verhalten hat. Eine Handlung, die nach geltendem Völkerrecht ein Kriegsverbrechen ist und die sich in der einen oder anderen Weise später dutzendfach wiederholen sollte, mit Angriffen auf die Wasserversorgung, auf Stromleitungen, auf Krankenhäuser.
Unser Verein Friedensbrücke-Kriegsopferhilfe e. V. leistet seit 2015 humanitäre Hilfe im Donbass. Als Vorsitzende dieses Vereins habe ich öfter Transporte dorthin begleitet und Projekte durchgeführt, ich habe seit Februar 2015 all das gesehen.
Es ist erfolgreich gelungen, acht Jahre Krieg im Donbass so tief hinter einer Nebelwand zu verbergen, dass die deutsche Außenministerin Baerbock ihre liebste Phrase vom „unbegründeten russischen Angriffskrieg“ aussprechen kann, ohne dass das deutsche Publikum widerspricht. Immer weniger wagen es auch deshalb, weil das Aussprechen der Wahrheit zu Strafverfolgung führen kann.
In meinem verlorenen Heimatland war allgegenwärtig, wie kostbar der Frieden ist. Schon in den Kinderliedern. Und es war immer gegenwärtig, wie dieser Friede errungen wurde, um welchen Preis und von wem. Freundschaft mit Russland zu halten, war für einen Staat, den deutsche Antifaschisten gegründet hatten, eine Selbstverständlichkeit. Denn nicht nur der Frieden, auch die Freiheit im täglichen Dasein hätte es nicht gegeben, hätte nicht die Rote Armee den Hitlerfaschismus besiegt. Diese Friedensliebe wurde ebenso zerstört wie das meiste andere, das wir hatten. Im heutigen Deutschland wird offen ausgesprochen, man müsse „Russland zerstören“. Und gleichzeitig gibt es bis heute keine Reaktion der deutschen Regierung auf die Zerstörung von Nord Stream. Sie sind so lächerlich, wie sie entsetzlich und bösartig sind. Eine Mischung, die gerade den ganzen Westen prägt, mit all seiner Kriegstreiberei, seiner Überheblichkeit und Russophobie. Auch das gab es schon in der deutschen Geschichte.