In einer Vielzahl von bundesdeutschen Städten sind am „Internationalen Kampftag der Arbeiterklasse“ bundesweit insgesamt mehrere Tausend Menschen auf die Straße gegangen. Bei den weitestgehend von außerparlamentarischen linken Gruppen organisierten Protesten hielten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit wenigen Ausnahmen an den aufgrund der Coronapandemie geltenden Infektionsschutz, hielten Abstand zueinander und trugen den empfohlenen Mund-Nasen-Schutz.
In Düsseldorf hatten sich am 1. Mai rund einhundert Menschen versammelt, darunter nicht wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Krankenhäusern bzw. aus dem Gesundheits- und Pflegebereich. Ebenso stellten sich die Proteste in Duisburg dar. An der dortiigen Kundgebung beteiligten sich mehr als 60 Personen. In Freiburg folgten rund 500 Menschen dem Aufruf Antifaschistischen Linken Freiburg (iL) zu einer Kundgebung unter dem Motto „Solidarität für Alle“. „Wir können uns den Kapitalismus mit seiner Logik des Profits einfach nicht mehr leisten. Genau jetzt ist der Zeitpunkt, an dem wir über eine radikal andere Gesellschaft nachdenken müssen, in der Solidarität keine leere Worthülse mehr bleibt“, stellte Nils Bornstedt von der Interventionistischen Linken Freiburg dort klar.
In München versammelten sich rund 600 Menschen aus dem gewerkschaftslinken Spektrum unter dem Motto „Wir zahlen ihre Krise nicht – enteignet die Milliardäre“ vor dem DGB-Haus und zogen in einer kurzfristig doch noch genehmigten Demonstration zum Marienplatz. Gemäß Auflagenbescheid waren in München zunächst nur Versammlungen mit 50 Teilnehmern erlaubt und die Demonstration verboten worden. Die Organisatoren hatten dies vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof angefochten. In Nürnberg, wo die Behörden ursprünglich ebenfalls nur eine „Revolutionäre 1. Mai-Kundgebung“ mit 50 Teilnehmenden genehmigt hatten, ließen es sich bis zu 900 Menschen im Anschluss an die Kundgebung nicht verbieten, zu protestieren. In Berlin fanden den gesamten Tag über rund zwei Dutzend Kundgebungen und mehrere kleine Protestaktionen statt. Vor dem Urban-Krankenhaus in Kreuzberg demonstrierten Dutzende Teilnehmer für ein bedarfsgerechtes Gesundheitssystem und solidarisierten sich mit dem dortigen Personal. Ebenso auf dem Alexanderplatz, wo sich Mitglieder der DKP und kritische Gewerkschafter versammelt hatten, um unter anderem vor einer Zerschlagung der Berliner S-Bahn zu warnen und für eine Verstaatlichung des Gesundheitssystems zu werben.
Die Initiative „Corona-News-Leipzig“, die vom Leipziger Nachbarschaftsladen „ZweiEck“ ins Leben gerufen wurde, wies am 1.Mai mit dezentralen Aktionen und einer gemeinsamen Abschlusskundgebung auf die Probleme verschiedener Bevölkerungsgruppen hin. Unter dem Motto „Wir zahlen nicht für eure Krise“ wurden an acht Stellen im ganzen Stadtgebiet Infostände aufgebaut, an denen viele Interessierte, das Gespräch suchten. Die Passanten wurden ermutigt ihre Forderungen und Probleme auf Postkarte zu schreiben und zum Marktplatz zu bringen. Dort wurden die Forderungen in einer gemeinsamen Abschlussaktion präsentiert.
So erreichte ein Infostand von Beschäftigten aus dem Gesundheits- und Sozialwesen viele Pflegekräfte nahe dem Leipziger Uniklinikum. „Viele sind stehen geblieben und haben unseren Forderungen zugestimmt“, berichtete eine Pflegekraft, die sich bereits zuvor der Initiative angeschlossen hatte. Neben einem besseren Schutz für die Mitarbeitenden forderte die Gruppe mehr Personal und ein Gesundheitssystem, dass sich nicht an Profiten, sondern an den Bedürfnissen der Menschen orientiere. An einer anderen zentralen Stelle hat eine Gruppe von selbständigen Lehrkräften einen Infostand aufgebaut. „In der Erwachsenenbildung gibt es viele Solo-Selbständige, die jetzt durchs Raster fallen“, warnten dortige Teilnehmer. Zu den wichtigsten Forderungen dort gehörte die nach höheren Honoraren, da es gegenwärtig nicht möglich sei, notwendige Rücklagen für Krankheitstage und die Rente zu bilden. Am Nachmittag versammelten sich etwa 150 Menschen zu einer zentralen Abschlusskundgebung am Leipziger Marktplatz. Auf Vielen Schildern wurden die Probleme der Menschen sichtbar. In einer abschließenden Rede der „Corona-News-Leipzig“ wurde auch auf die Probleme von Erwerbslosen und Rentnern hingewiesen. Rentner seien am stärksten von der aktuellen Krise betroffen, stelle einer der Redner fest. „Auch die sogenannte Grundrente, ändert daran nichts. Um sie zu erhalten, müsste man 35 Jahre in die Rentenkasse einzahlen, was nicht viele schaffen.“ Abschließend wurde betont wie wichtig es sei, dass die Gewerkschaften die Rechte der Beschäftigten offensiv verteidigen. Dafür sei es jetzt wichtiger denn je, sich in den Gewerkschaften zu organisieren und gemeinsam für Verbesserungen zu kämpfen.
In Hamburg fand am Freitag eine Kundgebung, welche von der Initiative „Bildung ohne Bundeswehr“ organisiert und von Organisationen aus der Friedensbewegung, Migrantenverbänden, DKP und SDAJ unterstützt wurde, am Jungfernstieg statt. Obwohl ursprünglich von den Behörden nur zwei Kundgebungen mit jeweils 25 Teilnehmern genehmigt worden waren, wuchs die Zahl der Protestierenden schnell auf rund 200 Personen an.
In Hannover fanden am 1. Mai zahlreiche Aktionen statt, um gegen steigende Mieten, prekäre Arbeitsbedingungen in der Pflege und weitere soziale Missstände zu protestieren. Das „Bündnis für einen kämpferischen 1. Mai“ organisierte außerdem eine Radio-Kundgebung, die in Straßen und auf Plätzen der Stadt zu hören war. „Insbesondere in Linden und der Nordstadt sind viele Menschen unserem Aufruf gefolgt, um 13 Uhr Radio Flora einzuschalten und ihre Lautsprecherboxen ans offene Fenster zu stellen. Auch zentrale Plätze, wie der Küchengarten und die Lutherkirche wurden mit großen Anlagen beschallt. Zusätzlich zur Radio-Kundgebung, die aus politischen Reden, Musik und kreativen Beiträgen bestand, fanden auch dezentral Aktionen statt“, so Alex Koslowski, Sprecher des Bündnisses.
Am Nordufer des Maschsees protestierten knapp 20 AktivistInnen gegen die Rüstungsindustrie: „Das Rheinmetall-Werk bei Celle produziert trotz Pandemie weiter munter Rüstungsgüter. Gleichzeitig fehlt es überall an Schutzartikeln gegen den Virus. Das ist untragbar“, konstatierte eine der Organisatorinnen des dortigen Protestes.
In Siegen nahmen rund 50 Menschen an einer Kundgebung anlässlich des 1. Mai teil. „Dass wir sogar das Recht auf diese minimierte Kundgebung erst gerichtlich erkämpfen mussten, zeigt, dass die politische Gefahr mindestens so real ist, wie die gesundheitliche. Und dass die Kreispolizeibehörde uns die Benutzung von Masken untersagt, zeigt, dass für das kapitalistische System eine Bürgerschaft, die geschlossen für ihre Rechte demonstriert, gefährlicher ist als jedes Virus“, kritisierte ein Redner dort. Auch in einer Reihe von anderen Städten fanden Proteste statt.