Zum Klartext aus China

Überkommene Ordnung

Der Ukraine-Krieg findet im Kontext einer sich verschiebenden geopolitischen Ordnung statt. Beobachtern ist seit langem klar, dass in der Ukraine ein Stellvertreterkrieg zwischen Russland und dem Westen ausgetragen wird. Russland kämpft dabei nicht nur für sich und den Erhalt seiner staatlichen Souveränität, sondern auch für die Ablösung der westlichen, imperialistischen und kolonialistischen Ordnung. Das ist alles nicht neu. Neu ist, dass es nun auch in höchsten diplomatischen Kreisen so benannt wird.

Bei seinem Besuch in Brüssel musste sich Chinas Außenminister Wang Yi von der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas den üblichen Sermon anhören. China destabilisiere mit Hackerangriffen die EU, die chinesische Handelspraxis sei unfair, China unterstütze den Krieg in der Ukraine durch die Lieferung von Dual-Use-Gütern an Russland. Die EU glaubt, China Vorschriften machen zu können.

Doch dann fällt plötzlich ein Satz, der die Verhältnisse umkehrt. China hat kein Inte­resse daran, dass Russland den Krieg in der Ukraine verliert, sagte Wang Yi laut der in Hongkong erscheinenden „South China Morning Post“. Damit ist der Ukraine-Konflikt auf höchster diplomatischer Ebene plötzlich in seinen geopolitischen Kontext eingeordnet.

China und Russlands gestalten gemeinsam mit den BRICS-Staaten und den Ländern, die sich in zahlreichen anderen Organisationen wie beispielsweise der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit zusammengeschlossen haben, die sich herausbildende multipolare Weltordnung. Kern dabei ist die Demokratisierung der internationalen Beziehungen auf der Grundlage der Charta der UN.

Der Westen verteidigt die „regelbasierte Ordnung“, bei der er die Regeln macht, an die er sich dann anschließend nicht hält, die folglich von den Ländern außerhalb des kollektiven Westens als ungerecht und Ausdruck einer überkommenen kolonialen Ordnung verstanden werden.

Verliert Russland den Krieg in der Ukraine, bleibt die imperialistische westliche Ordnung für weitere Jahrzehnte zementiert. Man kann sich daher sicher sein, dass es nicht nur China ist, das kein Inte­resse daran hat, dass Russland den Krieg in der Ukraine verliert. Jenseits des westlichen Blocks hat daran kein Land ein Inte­resse.

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"Überkommene Ordnung", UZ vom 11. Juli 2025



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