- 10.05.2025 18:39Wie war es?
Wir sagen: Tschüss, Messehalle Chemnitz! (Foto: UZ) Dieser Parteitag hat einiges gesehen. Eine Generaldebatte, die – auch dank Losglück – geprägt war von lauten Stimmen für den Frieden und gegen die Aufrüstung und die Vorbereitung eines neuen Ostlandritts. Die Delegierten mussten sich fragen lassen, wie viel Prozent des Jugendverbands sie denn geben wollen für die Schlachtfelder der Kriege der Herrschenden. Das führte zu Empörung, doch bei den Delegierten, die eine Aufrüstung gegen Russland befürworten, nicht zu einem Umdenken.
Das zeigte sich auch in der zeitlich begrenzten Aussprache zum Thema Krieg und Frieden. Hier waren die Stimmen der Vernunft deutlich in der Unterzahl – bei der Abstimmung über den Kompromissantrag zur Friedensarbeit der Linkspartei sah das dann erfreulicherweise anders aus. „Die Linke“ will sich engagieren gegen die Zeitenwende, gegen die Hochrüstung für den Krieg. Sie will an der Seite der Friedensbewegung stehen. Der Praxistest dafür steht aus. Das bisherige öffentliche Auftreten, insbesondere des Parteivorsitzenden Jan van Aken, zeigte in den vergangenen Monaten eine andere Richtung auf. Mit knapper Mehrheit konnte sich der Parteitag außerdem nicht dazu durchringen, die Minister und Senatoren aus Bremen und Mecklenburg-Vorpommern, die den Kriegskrediten zugestimmt hatten, zum Rücktritt aufzufordern. Die Friedensfrage balanciert in der „Linken“ weiter auf einem schmalen Grat – aber immerhin, sie balanciert noch.
Viel haben wir in diesen zwei Tagen in Chemnitz gehört: Dass „Die Linke“ wieder da sei, von der Klasse haben wir gehört, auch vom Klassenkampf und von „wir hier unten gegen die da oben“. Nichts oder nur wenig haben wir gehört vom Kampf in und um die Gewerkschaften, von Streiks, vom Kampf für Entlastung in den Krankenhäusern, vom Kampf gegen den Abbau demokratischer Rechte in diesem Land.
Lautstark war auf diesem Chemnitzer Parteitag die Solidarität mit Palästina vertreten, nachdem der Parteivorstand noch am Vorabend einen proisraelischen Antrag verabschiedet hatte, um die eigenen Mitglieder zur Räson zu rufen. Am Ende haben sich die Delegierten mit knapper Mehrheit gegen Parteivorstand und Parteitagsregie durchgesetzt. Die erzwungene Abstimmung des Antrags, der die „Jerusalemer Erklärung“ für die Linkspartei setzt, und die folgende Annahme des Antrags gegen den ausdrücklichen Willen des Parteivorsitzenden sind Siege für die Linken in „Der Linken. Zweifellos eine Momentaufnahme – aber eine wichtige.
In den nächsten Monaten wird sich zeigen, wie die Partei mit ihren eigenen Beschlüssen umgeht – und mit den vielen neuen Mitgliedern, die sie gewonnen hat.
Wir verabschieden uns, ausführliche Analysen und Stimmen gibt es in den nächsten Ausgaben von Unsere Zeit.
Vielen Dank fürs Mitlesen und -fiebern, auch für die tollen Gespräche, die wir mit vielen Delegierten und Gästen führen konnten. Danke an alle, die uns am Pressetisch besucht haben und die uns in E-Mails oder auf Social Media geschrieben haben.
Damit endet unser Live-Ticker aus Chemnitz. Bis bald!
- 10.05.2025 15:51Raus aus der Halle!
Zum Schluss singen alle die Internationale. Alle. Alle! Na gut, fast alle. (Foto: UZ) Der Parteitag endet mit einem Sieg über Parteitagsregie und Parteivorstand. Eine halbe Stunde nach der Zeit, die Delegierten und auch wir werden aus der Halle geworfen. Wir machen deswegen Schluss mit der Berichterstattung aus der Messehalle Chemnitz und fangen draußen noch die Stimmen von ein paar Delegierten ein. Denn dort läuft unter dem Motto „über:morgen“ noch eine kleine Festivität der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Im Laufe des Nachmittags werden wir euch mit ersten Analysen zum Chemnitzer Parteitag der Linkspartei versorgen.
Wer nach diesen zwei Tagen mehr von uns, über die Linkspartei, Deutschland und die Welt lesen möchte, kann die UZ sechs Wochen kostenfrei Probelesen. Das Abo endet automatisch. Aber das werdet ihr nicht wollen. Bis später.
- 10.05.2025 15:41Großer Erfolg für Palästina-Soli
Knapp aber eindeutig: Die Abstimmung zur Jerusalemer Erklärung. (Foto: UZ) Der Antrag „Antisemitismus, Repression und Zensur bekämpfen - Jerusalemer Erklärung umsetzen, tragfähiges Fundament schaffen!“ wird behandelt.
Während dieser Antrag in der Schublade lag, hätte man eine Beschlussfassung zu dieser Frage gut gebrauchen können, sagt der Antragssteller in der Einbringung. Er hat den Eindruck, dass „Pressestimmen einen viel größeren Einfluss haben, als ein tragfähiges Fundament“. Vermutlich bezieht er sich auf den Beschluss zur sogenannten „Antisemitismusresolution“ im Bundestag. Die Linke hatte sich enthalten.
Jan van Aken möchte diesen Antrag ablehnen. Man habe sich in Halle „dagegen entschieden“ eine der Antisemitismus-Definitionen aufzunehmen. „Ich bin dagegen, dass wir mittels eines Parteitagsbeschlusses eine wissenschaftliche Debatte“ beenden. Man könne sich nicht hinter eine Antisemitismus-Definition stellen. Es gebe auch Parteimitglieder, die sich für die IHRA-Definition einsetzen. Da hat die Cheffriedenstaube ein schlechtes Gedächtnis. In Halle hatte er dafür plädiert, in Ruhe im Parteivorstand zur Frage der Antisemitismusdefinition zu diskutieren. Das ist nicht passiert, so auch die Kritik der Antragsteller, die ihre Konsequenz daraus zogen und den Antrag noch einmal stellten.
Gegen Aken redetet die EU-Abgeordnete Özlem Demirel. Die Antisemitismusdefinition sei „keine akademische Frage, sondern eine konkrete Frage für tausende Menschen“ in der Palästina-Solidarität. Mit der IHRA-Definition werde Solidarität als antisemitisch diffamiert. „Wir sind Antifaschisten auf der Seite des jüdischen Lebens, aber wir sind auch auf der Seite des Lebens in Palästina.“
Und dann das, was in Augsburg keiner für möglich gehalten hätte: Der Parteitag nimmt den Antrag mit knapper Mehrheit an und macht damit auch der Bundestagsfraktion eine klare Ansage: „Die Linke stellt sich auch gegen die im Bundestag verabschiedeten Resolutionen ,Nie wieder ist jetzt - Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken‘ und ,Antisemitismus und Israelfeindlichkeit an Schulen und Hochschulen‘. Diese Resolutionen zeigen eindrücklich, dass sie nicht dem Schutz jüdischen Lebens dienen. Anders als die Überschriften versprechen, eröffnen diese Resolutionen den Weg zu einem autoritären staatlichen Vorgehen.“
Hartnäckig sein und standhaft bleiben zahlt sich aus. Glückwunsch!
- 10.05.2025 15:22Und doch noch Palästina
Und dann kam er doch noch der Dringlichkeitskompromiss zu Palästina. Für die Antragsteller weist eine Delegierte bei der Einbringung darauf hin, dass die angekündigte Einnahme und Besetzung des Gaza-Streifens durch Israel eine neue Eskalation des Krieges darstellt. Zwei Millionen Menschen seien durch Aushungern und Bombardierung bedroht. Die Waffen müssten endlich schweigen, so die Delegierte und: „Die israelische Regierung und ihre Handlanger müssen zur Rechenschaft gezogen werden!“ „Die Linke“ habe stark an Glaubwürdigkeit verloren. Ihr Auftreten werde dem Genozid in Gaza nicht gerecht. Eine Gegenrede traut sich, anders als noch in Augsburg und Halle, keiner mehr.
Die Fürrede kommt dann doch noch von der Cheffriedenstaube, groß inhaltlich wird er aber nicht. Er findet den Antrag gut, auf der Basis des Beschlusses von Halle werde auf die aktuelle Entwicklung reagiert.
Mit sehr wenigen Gegenstimmen wird der Antrag angenommen.
Und auch in diesem Antrag vermeidet es die Linkspartei, den Völkermord an den Palästinenserinnen und Palästinenser auch als solchen zu benennen. Stattdessen heißt es: „Die Linke verurteilt diese Kriegsverbrechen scharf und fordert die sofortige ausreichende humanitäre Versorgung der Zivilbevölkerung im Gazastreifen, den Wiederaufbau der Zivileinrichtungen und Infrastruktur, insbesondere Wohnhäuser, Krankenhäuser, Schulen, Universitäten und religiösen Stätten. Wir fordern die Aufklärung der Kriegsverbrechen aller Seiten und internationalen Player.“
Der Antrag hält weiter fest, „von den Grünen bis zur AfD stellen sich die Parteien hinter eine israelische Regierung, der selbsternannte Faschisten angehören, die einen Krieg führt, der von renommierten Wissenschaftlern wie beispielsweise Amos Goldberg, Lee Mordechai, Daniel Blatman und internationalen NGOs wie Human Rights Watch und Amnesty International als Genozid eingestuft wird und die sich für diese Völkerrechtsbrüche vor dem Internationalen Gerichtshof wegen des Tatvorwurf des Völkermordes verantworten muss. Während Kanzler Merz „Mittel und Wege“ sucht, damit Benjamin Netanjahu Deutschland besuchen kann und Bundespräsident Steinmeier sich mit dem mit internationalem Haftbefehl Gesuchten in Israel treffen will, fordert Die Linke die konsequente Umsetzung des Völkerrechts und stellt sich gegen den einseitig verzerrten Gaza-Diskurs in Deutschland. Der Haftbefehl des IStGH gegen den israelischen Regierungschef muss vollstreckt werden. Die Anklagen umfassen schwerste Kriegsverbrechen wie das Aushungern als Mittel der Kriegsführung und vorsätzliche Anstiftung zu einem Angriff auf die Zivilbevölkerung sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Mord, Verfolgung und weitere unmenschliche Handlungen.“
Diese Passage muss nach dem Parteivorstandsbeschluss vom Donnerstag als Erfolg für die Linken in der Linkspartei gewertet werden, soll sich die Partei von nun an doch gegen „gegen den verzerrten Gaza-Diskurs in Deutschland“ stellen. Am Donnerstag hatte der Parteivorstand noch vor dem rechten Israel-Mob gekuscht.
Den kompletten Dringlichkeitsantrag könnt ihr hier nachlesen.
- 10.05.2025 15:09Es geht weiter
Es wurde ein Dringlichkeitsantrag zu Gaza beschlossen, über den wir euch gleich noch genauer informieren. Hier herrscht gerade Verwirrung: Eigentlich ist die Antragszeit abgelaufen. Aber Özlem Demirel hat beantragt, einen Antrag zur Repression gegen die Palästina-Solidarität und zur „Jerusalemer Erklärung“ doch noch zu behandeln. Die Abstimmung über den Geschäftsordnungsantrag war sehr eng. Mit 198 zu 183 Stimmen wird beschlossen, den Antrag zu behandeln. Die Debatte geht weiter.
- 10.05.2025 14:40Worüber reden?
Geschäftsordnungsantrag: Ein Delegierter beantragt, die Debatte über Sexarbeit vorzuziehen. Der Geschäftsordnungsantrag wird abgelehnt. Es sollen drei Grußworte folgen.
Eine Delegierte drängt darauf, die Grußworte erst zu hören, wenn die Palästina-Anträge behandelt sind. Das sei kein Geschäftsordnungsantrag, sagt die Tagesleitung. Also wird das gleiche Anliegen noch einmal formal als Antrag eingebracht.
„Es ist in unserem Interesse, dass wir sie (diese kontroversen Themen) mal auf einem Parteitag diskutieren“, sagt ein Delegierter in der Fürrede. Es sei feige, das Thema immer und immer wieder zu schieben. Der Geschäftsordnungsantrag wird abgelehnt. Die Delegierten hören erstmal Grußworte, bevor sie über Palästina diskutieren.
- 10.05.2025 14:36Keine Konsequenzen!
Mit 192 zu 219 Stimmen ist der Antrag von Linksjugend und SDS abgelehnt. Es gab 39 Enthaltungen. Der Parteitag fordert die Minister und Senatoren, die den Kriegskrediten zugestimmt haben, nicht zum Rücktritt auf. Im Saal herrscht kurz Stille.
- 10.05.2025 14:30Keine Konsequenzen?
Unter dem Titel „Parteibeschlüsse binden – Mandate verpflichten“ gehen Linksjugend und Studierendenverband unter großem Jubel in den Frontalangriff. In dem Antrag geht es um die Kriegskredite und er gipfelt in der Forderung: „Deswegen fordert der Parteitag die Ministerinnen und Senatorinnen der Partei Die Linke in den Landesregierungen Bremen und Mecklenburg-Vorpommern zum Rücktritt von ihren Ämtern auf.“ Dem Kampf der Partei sei mit der Zustimmung im Bundesrat von „gut bezahlten Politikerinnen“ ins Gesicht geschlagen worden, sagt der Antragsteller. Dadurch, und nicht durch die heute erhobenen Rücktrittsforderungen, sei die Geschlossenheit der Partei zerschlagen worden.
Parteivorsitzende Ines Schwerdtner geht persönlich in die Gegenrede. Inhaltlich gibt sie dem Antragsteller recht, sagt sie. Auch der Parteivorstand habe sich klar positioniert und sie könne „den Unmut gut verstehen“. Nun habe man aber im Leitantrag ein Verfahren beschlossen, dass solche Abweichungen zukünftig verhindern soll. Deswegen dürfe man heute „kein Exempel statuieren“.
„Alle wollen regieren, wir wollen verändern“, erinnert die Fürrede an den Wahlslogan der „Linken“ im Bundestagswahlkampf. „Ohne Not“, hätten sich die Landesregierungen in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern über die Partei hinweggesetzt. Wer so etwas mache, habe „kein Ministeramt in einer sozialistischen Partei verdient“.
Die Abstimmung wird richtig eng: Die Stimmen müssen per Open Slides ausgezählt werden.
- 10.05.2025 14:22Partei der Arbeitenden?
„Keine Partei für die, sondern der arbeitenden Klasse“, unter dem Titel fordert die Linksjugend eine Quote für Menschen aus der Arbeiterklasse und somit eine gezielte Förderung in der Partei, die hier in Chemnitz das Wort Klasse oft in den Mund genommen hat.
Eine Gegenrede gibt es nicht, eine Fürrede aber genauso wenig. Mit vielen Gegenstimmen ist er angenommen. Jetzt ist der Parteivorstand aufgefordert ein entsprechendes Modell zu entwickeln. Wie lang das wohl dauert?
- 10.05.2025 14:16Ganz dringend
Nun werden Dringlichkeitsanträge behandelt. „Die Linke“ solidarisiert sich mit den Beschäftigten bei HKM in Duisburg. Dort sind 3.000 Jobs in der Stahlbranche gefährdet.
Im Anschluss fordern die Delegierten Gerechtigkeit für den in Oldenburg von Polizisten von hinten erschossenen jungen Afrodeutschen Lorenz A. „Dieses Muster ist nicht neu, das hat System“, sagt der Antragsteller. Lorenz wäre heute 22 Jahre alt geworden – Anlass genug, um ein Signal des Parteitags zu senden. Aber der Parteivorstand wird auch unter Applaus aufgefordert, nach Oldenburg zu fahren und mit den Leuten zu reden.
Der nächste Dringlichkeitsantrag stammt vom Migrantischen Plenum. Der Titel: „Die Linke leistet Widerstand – gegen Ausgrenzung, Entrechtung und den autoritären Rechtsruck“. Nun gibt es folgendes Problem: Uns hätte sehr interessiert, was genau da gefordert wird. In den Antragsheften, die wir haben, sind die Dringlichkeitsanträge jedoch nicht enthalten. In der Begründung wurde vor allem über reaktionäre und rassistische Vorhaben der neuen Regierung gesprochen. In der Fürrede lag der Schwerpunkt auf Polizeigewalt und AfD-Verbot.
Ein Dringlichkeitsantrag zu Palästina befindet sich immer noch in der Abstimmung zwischen Antragstellern und Parteivorstand.
- 10.05.2025 14:00Gegen Wehrpflicht
„Die Linke“ ist gegen die Wehrpflicht. Alles andere wäre auch eine irre Überraschung gewesen. Nun hat der Parteitag mit überwältigender Mehrheit den Antrag „Gegen eine Wiedereinführung der Wehrpflicht und anderer Zwangsdienste – für die Selbstbestimmung der Jugend!“ beschlossen. Eine Gegenrede gab es nicht, auch der Parteivorstand rief zur Zustimmung auf.
Wenig kontrovers auch der Antrag: „Drohende Atomtransporte von Jülich nach Ahaus verhindern!“ Große Zustimmung, keine Gegenrede, wenig Interesse an einer Debatte.
Dann geht es um den Antrag: „Anerkennung der Jenischen als nationale Minderheit in Deutschland“, laut Antragsteller heute eine der „Hauptbetroffenengruppen von Antiziganismus“. „Die Anerkennung wäre für uns ein großer Schritt hin zur Selbstorganisation“, sagt der Delegierte, der selbst aus einer jenischen Familie stammt. Auch hier gibt es keine Gegenrede, nur eine Fürrede von Petra Pau. Letzteres erwähnen wir nur, weil wir Petra Pau noch gar nicht erwähnt haben.
Das geht alles verhältnismäßig schnell, aber die Uhr für die entscheidenden Weichenstellungen läuft weiter ab.
- 10.05.2025 13:51Je später der Tag, desto kontroverser
Die Pause ist vorbei und die Antragskommission hat sich etwas ausgedacht: Aus jedem inhaltlichen Block sollte ein Antrag behandelt werden. Alle schafft man sowieso nicht mehr. Man beginnt mit dem eher unverfänglichen Antrag zur Wehrpflicht. Palästina und Nahost kommen erst spät, zusammen mit anderen eher kontrovers diskutierten Themen wie der Aufforderung an die „Ministerinnen und Senatorinnen der Partei Die Linke in den Landesregierungen Bremen und Mecklenburg-Vorpommern“ von ihren Ämtern zurückzutreten. Ob irgendwas davon kurz vor Schluss der Antragsberatung noch vernünftig diskutiert werden kann, darf bezweifelt werden.
- 10.05.2025 13:21Komm ich jetzt ins Fernsehen?
Um auf Phoenix übertragen zu werden, spricht Pellmann vor der Mittagspause. Wir sehen ihn auf der Bühne - und im Fernsehen gleichzeitig. (Foto: UZ) Die Mittagspause wurde weiter verschoben. Der Grund: Der Vorsitzende der Bundestagsfraktion Sören Pellmann spricht und soll das noch tun, solange die Live-Übertragung auf „Phoenix“ läuft. Der Parteitag ist nicht glücklich, aber verständnisvoll.
„Die Fraktion ,Die Linke‘ ist wieder da“, beginnt Pellmann. Man habe viel gemeinsam geschafft. Nun habe man es mit einer „tiefschwarzen und blassrosa Koalition“ zu tun. Der Koalitionsvertrag sei ein „Instrument der sozialen Kälte“. Man wolle die Koalitionäre daran erinnern, wie soziale Politik gemacht wird. „Wer aus Angst vor den Rechten rechte Politik macht, kann nur verlieren“, sagt er. Das kommt gut an.
Nun habe man die schwierige Phase als Gruppe im Bundestag überwunden. Den „Linken“ im Bundestag wurden in dieser Zeit zahlreiche Rechte genommen. Nach dem Bruch der Ampel hatten Union, SPD und Grüne die Tagesordnungen unter sich aufgeteilt, erfährt man aus dem Bericht der Bundestagsfraktion.
Die neue Fraktion sei die jüngste und weiblichste Fraktion, die man jemals hatte, freut sich Pellmann. Er macht das Programm, das erwartet wird und noch ein bisschen mehr: Er dankt den Mitarbeitenden, erzählt von den großen Schwierigkeiten, mit denen man vor der Wahl zu kämpfen hatte.
Dann wird es ein bisschen schwierig. Pellmann sagt, „Die Linke“ im Bundestag habe klar gegen die Aufhebung der Schuldenbremse für Militärausgaben gestimmt. Dann überzieht er: „Wir haben als Linke als einzige gegengehalten und bis zuletzt gekämpft“, so Pellmann. Wer sich erinnert: Auch das BSW (Ja, wir haben im Linkspartei-Ticker „BSW“ gesagt.) hatte gegen die Kriegskredite gestimmt und die „Linke“ aufgefordert, eine Neukonstituierung des Bundestags zu beantragen und dadurch das Zusammenkommen des alten Bundestags möglicherweise zu verhindern. Das war juristisches Neuland – das „Die Linke“ trotz aller kämpferischer Attitüde lieber mied.
Dann kommt Pellmann zur nächsten kleinen Schwierigkeit: Merz. Der sei im ersten Wahlgang gescheitert. „Mehr als nur ein blaues Auge“, so Pellmann. Das habe die Linksfraktion in eine schwierige Situation gebracht. „Wie demütig CSU und CDU, die uns sonst mit dem Arsch nicht angucken, auf uns zugegangen sind“, das habe es so noch nicht gegeben. Man war sich in der Fraktion einig, dass man es sich nicht leicht damit mache. Aber es war klar: „Keine einzige Stimme für Friedrich Merz“. Hm.
„Wir sagen doch immer: Auf die Barrikaden“, erinnert Pellmann zum Schluss. Das sei die richtige Orientierung, vor allem müsse man aber „auf einer Seite der Barrikade“ kämpfen. „Alle gemeinsam geschlossen und entschlossen“. Standing Ovations. Abgang. Doch noch Mittagspause.
- 10.05.2025 13:14Doch noch Palästina?
Während weitere Anträge, unter anderem zu Finanzen, verhandelt werden, verlässt eine kleine Abordnung aus Linken in der Linkspartei mit Mitgliedern des Parteivorstands, darunter Rechtsausleger und Internationalismusverantwortlicher Wulf Gallert, den Saal. Vermutlich diskutieren sie einen Kompromissvorschlag zu den beiden Anträgen zu Palästina, die noch nicht behandelt wurden.
Eine Delegierte informiert uns, dass es wohl noch einen Dringlichkeitsantrag zu den neuen Verbrechen Israels in Gaza geben wird. Ob es dann auch nochmal um die Solidarität innerhalb der eigenen Partei geht, ist abzuwarten. Wahrscheinlich ist es nicht. Auseinandersetzungen sind auch auf diesem Parteitag nicht gewünscht. Und wo doch nach den tollen Wahlerfolgen die Presse wieder so zahlreich erschienen ist, watscht man lieber die eigenen PV-Mitglieder ab, als sich schützend zwischen sie und den rechten Mob zu stellen. So oder so wird es nochmal spannend an diesem Nachmittag in Chmnitz.
Die Zeit bleibt allerdings knapp. Auf eine verkürzte Mittagspause haben sich die Delegierten nicht eingelassen. Um 15 Uhr soll Schluss sein mit der Beratung.
- 10.05.2025 12:50„Immer Frühling“
Cheffriedenstaube mit Tax-the-Rich-Shirt: Jan van Aken (Foto:UZ) „Liebe Genossinnen und Genossen, rastet aus für Jan van Aken,“ feuert Kathrin Vogler für das Tagespräsidium die Delegierten an. Die folgen ihr eher mäßig begeistert.
Aken fängt damit an, dass er lange überlegt habe, wie er anfangen soll – und nimmt dann den selben Auftakt wie bei seiner Bewerbungsrede um den Parteivorsitz in Halle. Er sei Jan van Aken und er findet, es sollte keine Milliardäre geben.
Im Wahlkampf habe man bei den Haustürbesuchen gemerkt, dass die Einsamkeit grassiert in diesem Land. Und diese Einsamkeit komme von Arbeitslosigkeit, von der Angst um die Wohnung und der Angst, den Kindern am Ende des Monats kein warmes Essen mehr auf den Tisch stellen zu können. „Mit dieser Einsamkeit muss endlich Schluss sein“, ruft Jan van Aken den Delegierten zu. Deren Stimmung kocht immer noch nicht so richtig, von Ausrasten keine Spur.Dann nimmt sich Aken die Koalition vor, die wissen schließlich gar nicht, was hier unten los ist. Im Koalitionsvertrag kein Wort von hohen Lebensmittelpreisen oder anderen Alltagssorgen der Menschen. Aken schlussfolgert: „Wir müssen Merz und Klingbeil stoppen!“
Nach der Debatte gestern ist es ganz nett, dass Aken wenigstens die Profitmacherei von Rheinmetall kritisiert und eine Übergewinnsteuer für Rüstungskonzerne fordert. „Denn keiner darf am Leid verdienen“. Ansonsten sagt er zum Frieden nichts. Ist auch besser so, sonst hätte er vielleicht wie in jedem Radiointerview wieder von der russischen „Schattenflotte“ und den Sanktionen geredet, die er sich wünscht.
Also lieber was fürs Herz der Linkspartei: Millionär Merz hole sich andere Millionäre ins Kabinett, um Politik für Millionäre zu machen. All das Gerede über zu wenig Geld: nur Ablenkung, um das Geld von unten nach oben zu schaufeln, so Aken. Man dürfe sich nicht spalten lassen, die Grenze verlaufe nicht zwischen Menschen mit und ohne deutschem Pass, nicht zwischen arm und ärmer, nicht zwischen Kuh- oder Hafermilchtrinkern, sondern „die Grenze verläuft immer zwischen oben und unten!“
Und weiter geht es mit den Kernthemen: Die CDU habe das Nest für die AfD gebaut. „Die Linke“ habe gezeigt, dass man mit dem richtigen Wahlkampf und den richtigen Themen gegen die AfD gewinnen kann. Von der AfD geht es zum Lieblingsthema: Mietendeckel. Der wird kommen, verspricht Aken. „Vielleicht nicht dieses Jahr, vielleicht nicht nächstes Jahr, aber er wird kommen.“ Zudem wolle die Linkspartei den Mietwucher bekämpfen. Schnell noch ein paar Worte zur menschengemachten Klimakrise und dem CO2-Ausstoß der Superreichen und da ist die Zeit schon um.
Also noch mal was fürs Herz, aber diesmal richtig. Jan van Aken wünscht sich „ein Land, in dem immer Frühling ist … in dem die Hoffnung wächst und nicht die Angst … in dem keiner mehr entscheiden muss zwischen einem warmen Essen und einer warmen Wohnung.“ Und er versichert den Delegierten: „Wir werden den Menschen wieder Hoffnung geben!“
Und dann ist doch mal Stimmung in der Bude. Das erste Mal in Chemnitz erhebt sich der Parteitag geschlossen und klatscht dem Vorsitzenden zu. Linke Slogans kommen an, auch, weil Aken jedes strittige Thema gemieden hat. Auffällig: Bei Jan van Aken gibt es – anders als bei Ines Schwerdtner und Heidi Reichinnek – weder Klassen noch Kapitalismus in der Rede. Doch solange es „Hoffnung“ gibt, sind die Delegierten zufrieden. - 10.05.2025 12:31Lieber unberaten
Die Linksjugend und der Studierendenverband wollen durchsetzen, dass die Vorstandsmitglieder der anerkannten Jugend- und Hochschulverbände auf künftigen Parteitagen als Delegierte mit beratender Stimme teilnehmen können. Die Jugendverbände seien schon gut genug vertreten, heißt es in der Gegenrede.
Die Mehrheit der Delegierten lehnt den Vorstoß der Jugend ab.
- 10.05.2025 12:23Mittagspause, Mittagspause! Aber noch nicht jetzt
Nun ist der Verzug im Zeitplan bei der Tagesleitung angekommen. Und die kommt mit einer „Zumutung“ um die Ecke: Die Mittagspause müsste verkürzt werden. Zuvor sollen aber noch ein paar Satzungsanträge diskutiert werden. Dagegen regt sich Widerspruch: Der Parteitag beschließt, die Mittagspause durchzuziehen. Damit ist der Versuch, den Zeitplan zu retten, gescheitert.
Was sonst geschehen ist? Der Parteivorsitzende Jan van Aken hat gesprochen und ich beneide die Kollegin nicht, die gerade daran arbeitet, das Gesagte zusammenzufassen. Wir melden uns.
- 10.05.2025 12:02Mukke statt Debatte
Nebenwiderspruch - so heißt das Rap-Duo aus Halle, das nun den Parteitag unterhält. (Foto:UZ) Und jetzt ist wieder Zeit für Stimmung. Querfeministischer Rap aus Halle an der Saale übernimmt die Bühne, der „Nebenwiderspruch“. Schlecht zu verstehen sind sie, aber man hört was von Maria Magdalena, Kindererziehung und davon, von weißen Cops erschossen zu werden.
Wer hätte gedacht, dass die Frage nach dem Haupt- und Nebenwiderspruch hier in Chemnitz so eine große Rolle einnimmt. Auch den religiösen Themen hätten wir weniger Platz zugetraut. Erst packt Ramelow nicht nur einen, sondern gleich zwei Päpste aus, und auch beim „Nebenwiderspruch“ geht es im zweiten Lied schon wieder um Maria Magdalena, selbst armen Heidenkindern ein Begriff aus der Bibel. Selbst Judas krieg noch einen Auftritt, denn „Judas und Maria Magdalena werden heute poppen.“
Das können sie ja gern machen. Die Delegierten hätten wahrscheinlich lieber diskutiert, vor allem über drängende Themen wie Nahost und die Frage, ob sich die Linkspartei endlich von einer rechten Antisemitismusdefinition distanziert. Stattdessen gibt es ein drittes Lied von „Nebenwiderspruch“, eine Hymne auf die FDP.
Der Zeitplan ist weiterhin schwer in Verzug.
- 10.05.2025 11:36Keine Zeit mehr für Nahost?
Die künftigen Bundesfinanzrevisoren und die, die es werden wollen, stellen sich vor. Der Zeitplan ist längst brutal gerissen. Eigentlich hätte die Wahl um 10.45 Uhr enden sollen. Einige Delegierte sorgen sich, dass insbesondere die Anträge zur Palästina-Solidarität, die durch den israelfreundlichen Beschluss des Parteivorstands vom Donnerstag neue Aktualität gewonnen haben, nicht mehr behandelt werden können. Das würde zu diesem Parteitag passen, auf dem kontroverse politische Diskussion bislang mit Kompromissvorschlägen abmoderiert wurden. Zum Komplex Palästina und Nahost liegt ein solcher Kompromissvorschlag dem Vernehmen nach bislang nicht vor. Ein Hinweis darauf, dass man das Thema vielleicht ganz absagen oder mit möglichst wenig Zeit diskutieren will.
- 10.05.2025 11:23Heraus zum 1. Mai
Die Wahl der Bundesfinanzrevisionskommission verzögert sich, weil die Liste geschlossen wurde, bevor alle Kandidaturen bekanntgegeben worden waren. Das wirft nun auch technische Probleme mit der Abstimmungssoftware auf. Aber gar kein Problem, sagt die Tagesleitung, das komme auf „den besten Parteitagen vor“. So gucken die Delegierten jetzt zusammen einen Werbeclip ihrer Partei. Thema: „Heraus zum 1. Mai“! Der Saal jubelt, die Mobilisierung läuft.
- 10.05.2025 11:09Business as usual
Die Schiedskommission ist gewählt und beweist direkt Selbstbewusstsein. Per Geschäftsordnungsantrag wird der gesamte Parteitag darauf hingewiesen, dass sich die neugewählten Mitglieder an Mikrofon 4 treffen. Wer es nicht gehört hat: MIKROFON 4! Hin da! Es sei denn, du hast dich in der Fragerunde gegen den Ausschluss von Ramsis Kilani ausgesprochen. Dann bist du nicht gewählt und musst nicht mehr zu Mikro 4.
Nun kommen Bericht und Wahl der Bundesfinanzrevisionskommission.
- 10.05.2025 10:58Was ist denn nun mit Ramsis?
Nun wird die Personaldebatte doch noch interessant: Zwei Delegierte sprechen das Ausschlussverfahren von Ramsis Kilani an und fragen, wie die Kandidierenden dazu stehen. Die Tagesleitung weist schnell darauf hin, dass sich die Kandidaten aus Befangenheitsgründen nicht zu einzelnen Verfahren äußern können. Aber das Thema ist gesetzt – und natürlich ist es auch Kandidaten für die Schiedskommission möglich, die ihrer Meinung nach gültigen Maßstäbe zum Ausschluss von Parteimitgliedern darzustellen.
Die Kandidieren sprechen über ihre Erfahrungen mit Satzungen und Geschäftsordnungen. Nur ein Kandidat geht auf die konkrete Frage ein. Er kenne nicht alle Hintergründe des Verfahrens gegen Ramsis, empfinde den Ausschluss, so wie bislang darüber berichtet wurde, aber als fragwürdig.
- 10.05.2025 10:38Von Krieg und Wassersteuer
Die Liste zur Einhaltung der Mindestquotierung für die Bundesschiedskommission wurde ohne größere Aufreger gewählt. Nun geht es an die unquotierte Liste.
Für uns ein wenig Zeit, um noch einmal auf gestern zurückzukommen. In der Debatte über die Friedensfrage sind uns mehrere Beiträge einer Delegierten aus Wiesbaden besonders gruselig vorgekommen. Stichwort: Der böse Russe. Erst später ging uns ein Licht auf: Na klar, Wiesbaden! Das ist doch die Stadt, in der „Die Linke“ mitregiert. Dort haben die Genossinnen und Genossen gemeinsam mit SPD, Grünen und Volt eine Steuer auf Trinkwasser eingeführt und das ohnehin schon überdurchschnittlich teure Wasser noch teurer gemacht. Und plötzlich macht alles Sinn!
Über den ganzen Vorgang und seine Bedeutung für die Daseinsvorsorge berichten wir in der aktuellen UZ: Sekt oder Selters?
- 10.05.2025 10:11Wo seid ihr?
Die Personaldebatte für die Bundesschiedskommission plätschert vor sich hin, die Kandidatinnen und Kandidaten stellen sich vor. Größere Skandale erwartet hier keiner.
Wäre eine Gelegenheit für die Delegierten, die uns schon in Halle und Augsburg gern im Pressebereich besucht haben, mal vorbeizukommen. Nicht, dass wir uns nicht auch über die vielen neuen Besucher gefreut haben. Aber wo seid ihr vom Jugendverband, aus Stuttgart Bad Cannstatt und aus Hamburg? Ihr werdet euch den Ausflug nach Chemnitz doch nicht geklemmt haben?
- 10.05.2025 09:58Jeder nur einen Ausschluss
Die Bundesschiedskommission berichtet: „Zwar machen die Parteiausschlussverfahren weiterhin einen Großteil der Verfahren aus, insgesamt ist jedoch auch hier ein Rückgang der Verfahrenszahl zu verzeichnen.“
Die Zahl der Verfahren mag auf der Bundesebene zurückgehen, das liegt aber laut Berichterstatterin vor allem daran, dass viele ehemalige Genossinnen und Genossen die Partei verlassen und „nicht mehr um ihre Rechte“ gekämpft haben. Ausschlüsse gab es trotzdem, vor allem wegen „konkurrierenden Kandidaturen“. Auch politische Verfahren habe es gegeben. „Aussagen, die gegen die Menschenwürde verstoßen, können wir nicht dulden“, so die Berichterstatterin.
Nicht erwähnt wird das klar politisch motivierte Verfahren gegen den Palästina-Aktivisten Ramsis Kilani, der im vergangenen Jahr aus der Partei geworfen wurde. Nur vor der Messehalle hat sich eine Handvoll Demonstranten versammelt, um gegen diesen Akt der Anbiederung an die „Staatsräson“ zu protestieren.
Im UZ-Interview hat Ramsis im vergangenen Jahr ausführlich über die Hintergründe gesprochen. Es kann hier nachgelesen werden: „Ein Angriff auf die gesamte Parteilinke“.
Nun beginnt die Neuwahl der Schiedskommission.
- 10.05.2025 09:43Überraschung
Es geht doch nicht um Prostitution vs. Sexarbeit sondern um – Überraschung – einen Kompromissantrag zu mehreren Anträgen zu den Rechten querer Menschen in der Linkspartei. Für den Punkt waren im neuen Zeitplan insgesamt 15 Minuten vorgesehen. Für Krieg und Frieden gab es gestern nur 15 Minuten mehr. Die Zeit wird aber nicht gebraucht. Nach einer Fürrede ist der Antrag beschlossen.
- 10.05.2025 09:39Alles für eine Rede
Die Linkspartei hat Peter Sven Schulze dereinst zum Beigeordneten gewählt. Heute ist er Oberbürgermeister und bedankt sich mit einer Parteitagsrede. (Foto: UZ) Da muss der Zeitplan halt mal weichen. Der Oberbürgermeister von Chemnitz kann nur Samstag morgens – und auf Sven Schulze (SPD) will der Parteitag nicht verzichten.
Der freut sich, dass der Bundesparteitag der „Linken“ in Chemnitz stattfindet, die Stadt stehe schließlich immer ein bisschen im Schatten und das seien ja nun eindeutig Parallelen zu den Themen der Linkspartei. Sich um die zu kümmern, die nicht im Scheinwerferlicht stehen.
Dann folgt Werbung für die Kulturhauptstadt, die dafür da ist, gegen rechts zu sein. Er sagt, was man so sagen muss: ehrlich, bodenständig, gute Zusammenarbeit mit der Linkspartei, die Stichworte sind alle dabei. Und dann kommt Schulze noch mit einer Enthüllung um die Ecke: Die Linkspartei habe ihn mal mit zum Beigeordneten gewählt – „sonst stände ich jetzt nicht hier“.
Dann wird er nochmal deutlich: „Der Feind steht nicht im linken Lager, der steht woanders.“ Sollte ein flammender Abschluss werden, aber die Delegierten sind noch müde, der Applaus ist verhalten.
Es folgt der Bericht aus dem Frauenplenum und endlich passiert mal so etwas richtig typisch Linkes: Das Frauenplenum hat sich gespalten, weil sich nicht alle daran teilnehmenden Delegierten unter der Kategorie „Frau“ versammeln wollten. Also wurde eilig ein TINA-Plenum (Trans, Inter, nicht-binär und Agender) einberufen. Auch hier wird berichtet.
Es folgt eine kurze Antragsdebatte. Wir sind gespannt und erwarten die Anträge, die sich vordergründig mit der Frage Prostitution oder Sexarbeit beschäftigen, in denen es aber darum geht, dass die Linkspartei sich für oder gegen das nordische Modell entscheiden soll.
- 10.05.2025 09:36Schwierige Bedingungen
Ein Bundestagsmandat direkt zu erringen schützt vor Unbill nicht. Der Abgeordnete Pascal Meiser aus Berlin hat die Frühschicht in der Tagesleitung abbekommen und eröffnet den Tag. Er gratuliert den Delegierten, die heute Geburtstag feiern. Dann geht es los.
Zuerst wird aus dem Migrantischen Plenum berichtet. Die Umstände der Tagung waren schwierig: kein vernünftiger Raum, keine Technik und ein sehr langes vorangehendes Frauenplenum. Auch die Ansetzung des Plenums ganz am Ende des ersten Tages sorgt für Unmut: Wer weder Frau noch Migrant sei, habe drei Stunden früher Feierabend gehabt.
Aber es gab auch inhaltliche Punkte: „Klare Kante gegen rechts“, fordert der Neuköllner Bundestagsabgeordnete Ferat Kocak. Deshalb wird eine neue Struktur der migrantischen „Linken“ in der Partei aufgebaut. Zudem gibt es einen Dringlichkeitsantrag aus dem Plenum, der sich mit dem Koalitionsvertrag und der Forderung nach einem AfD-Verbot befasst. Er soll später eingebracht werden.
Am Ende gedenken die beiden Berichterstatter der gestern verstorbenen Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer und des kurdischen Rappers Giwar „Xatar“ Hajabi.
- 10.05.2025 08:30Guten Morgen!
Wir sind in Karl-Marx-Stadt. Was für ein Symbolbild sollen wir denn sonst posten? (Foto: UZ) Um 9 Uhr geht es weiter. Den Anfang machen die Berichte aus dem Frauen/FLINTA*-Plenum und dem Migrantischen Plenum. Das kennen wir schon von den vergangenen Parteitagen und wagen die Prognose, dass sich die Spannung auch bei den Delegierten in Grenzen hält.
Der gestrige Tag lässt uns hingegen etwas ratlos zurück. Was wir erlebt haben: Verbalradikalismus („Kapitalismus abschaffen“), Bekenntnisse zur „Friedenspartei“ und den im Leitanatrag beschlossenen Vorsatz, „Glaubwürdigkeit und Anti-Establishment“ zu verkörpern. Was wir in den vergangenen Wochen von der „Linken“ erlebt haben: die Zustimmung zu den Kriegskrediten im Bundesrat, die Mithilfe bei der Wahl von Friedrich Merz zum Bundeskanzler und einen Parteivorsitzenden, der jedes Interview mit Sanktionsforderungen gegen Russland überschattet. Und nun?
Papier ist geduldig und die bisherige Beschlusslage gibt keinen grundsätzlichen Kurswechsel her – der wäre aber bitter nötig, um insbesondere die Vorsitzenden und die Parlamentarier der Partei an die Kandare (ja, so schreibt man das) zu nehmen. Noch seltsamer wird das Ganze dadurch, dass diejenigen, die etwas zur politischen Klärung beitragen könnten, sich auffallend zurückhalten. Kritik von Delegierten gibt es ja durchaus, aber aufgenommen oder gar diskutiert wird sie nicht.
Bodo Ramelow behauptete nach der Merz-Wahl auf allen Kanälen: „Wir haben Friedrich Merz nicht gewählt. Aber wir haben den Wahlgang ermöglicht, um die Demokratie zu schützen.“ Auf dem Parteitag sprach er als Bundestagsvizepräsident zu den Delegierten, auf einem zuvor gesetzten Redeplatz in der Generaldebatte. Sein Thema: Der Papst, der neue, der alte und wie schön doch alles mit den Päpsten ist. Wer sich so offensiv der Debatte über das eigene Handeln verweigert, verschärft das Zwei-Welten-Problem zwischen Parteitag und politischem Alltagsgeschehen.
Ob der zweite Tag heute zur Klärung beitragen kann? Wir haben Zweifel, aber bleiben dem Parteitagsmotto treu und organisieren die Hoffnung. Auch hier im Ticker.
- 09.05.2025 20:05Bis morgen Genossen!
In den kleinen Fernsehstudios hinter uns wird noch fleißig Auskunft über die glorreiche Zukunft der Linkspartei gegeben. (Foto: UZ) Während ein Teil der Delegierten im Plenum sitzt, diskutieren viele an ihren Tischen noch weiter. Die Debatte um Krieg und Frieden ist auch an ihnen nicht spurlos vorbeigegangen. Auch ein Teil der Journalisten arbeitet noch, hinter uns versucht der MDR, etwas aufzunehmen. Ein Studio weiter macht sich eine Kollegin der Tagesschau bereit für die Kamera, und auch wir wollten euch eigentlich noch ein paar Eindrücke, Überlegungen und Analysen zur Verfügung stellen. Aber die Linkspartei ist heute streng. Um acht muss der Saal geräumt sein, dann wird sauber gemacht.
Damit wir nicht rausgekehrt werden, sagen wir also Tschüss. Und: Bis morgen! Um 9 Uhr geht es weiter und vielleicht bringt der Tag ja nochmal eine zeitlich begrenzte Aussprache. Zumindest hoffen einige Delegierte drauf, dass es zur Frage Solidarität mit Palästina noch eine geben wird. Wir sind gespannt, melden uns ab und suchen uns einen Ort, um die Debatten von heute zu verarbeiten. Gute Nacht!
- 09.05.2025 19:59Friede den Schrankwänden
Eines vorweg: Der beschlossene Antrag zur Friedensfrage ist weniger furchtbar, als es die Debatte vermuten ließ. Der Kompromissantrag hat den Rechten in der Partei „Die Linke“ einige Zugeständnisse abverlangt – vielleicht erklärt das auch den Run auf die Mikros in der gerade zu Ende gegangenen Debatte. Muss so ein Antrag doch möglichst schnell vereinnahmt werden, wenn man mit seinen Positionen nicht als derjenige gelten möchte, der gegen Beschlüsse verstößt. Obwohl, das scheint den Rechten in der Frage Krieg und Frieden ja egal zu sein, siehe Erfurter Programm. Aber Uminterpretation von Fakten gehört dazu. So wird in der Debatte aus Russland ein angriffswütiges Monster und aus der im Antrag beschlossenen Friedenskonferenz, eine Tagung, auf der endlich mal Tacheles geredet werden soll über die verstaubten Ansichten der Friedensbefürworter in der Partei. Dabei steht im Antrag eindeutig, dass die Konferenz eingebettet sein soll in die Arbeit der Linkspartei gegen die Kriegstüchtigkeit: Die Linkspartei „wird öffentlichkeitswirksam gegen die Zeitenwende aktiv, unter anderem mit einer vom Parteivorstand organisierten Friedenskonferenz.“ Wulf Gallert wird das anders sehen, aber das hat der Parteitag beschlossen.
Eine entscheidende strategische Orientierung hat es allerdings nicht in den Kompromissbeschuss geschafft: Die Orientierung auf die Gewerkschaften im Friedenskampf. In ihrem Antrag „Opposition gegen Zeitenwende und Kriegstüchtigkeit“ hatten die Kreisverbände Schwabach-Roth, Erlangen/Erlangen-Höchstadt, Nürnberg Stadt & Land und weitere die Aufgabe formuliert: „Mit den Gewerkschaften gezielt gegen die Militarisierung der Wirtschaft zusammenzuarbeiten und Proteste gegen die Umstellung ziviler Produktion auf Rüstung zu unterstützen.“ Änderungsanträge daran forderten explizit, dies auch gegen die Gewerkschaftsführung durchzusetzen, wenn nötig. Darauf verzichtet die Linkspartei nun. Immerhin will man sich wenigstens „aktiv an regionalen und überregionalen Aktionen der Friedensbewegung gegen die Hochrüstung“ beteiligen. Wulf Gallert kann dann gern zu Hause bleiben und mit seiner Schrankwand über den Russen reden. Die hört vielleicht zu.
- 09.05.2025 19:22Hoffnung organisieren
Knappe halbe Stunde, das war es mit der Debatte um den Frieden. Der Kompromissantrag wurde mit großer Mehrheit angenommen, die Debatte hinterlässt mehr als einen schalen Geschmack. Sind die Befürworter der NATO-Politik tatsächlich auf dem Vormarsch oder rennen sie nur schneller ans Mikro, um ihre wirren Gedanken über Russland, China und den Globalen Süden, der Dank des Konflikt zwischen Indien und Pakistan jetzt auch ein schlimmer Finger sein soll, in die Welt zu schreien? Wir wissen es nicht und hoffen auf letzteres.
Für uns ist der erste Tag des Chemnitzer Parteitags der Linkspartei zu Ende. Zumindest was den Teil in der Halle angeht. Hier tagen jetzt noch nacheinander das Frauen/FLINTA*-Plenum und das Migrantische Plenum. Wir schauen uns noch den Kompromissantrag an und versuchen uns an einer Einschätzung.
Draußen findet ein kleines Fest der Rosa-Luxemburg-Stiftung statt. Ob es Potential hat, unser Trauma aus der Friedensdebatte zu bekämpfen? Wir glauben es fast nicht. Aber vielleicht gibt es ja ein Getränk. Oder zwei.
- 09.05.2025 18:56Nicht länger über Frieden reden
Eigentlich sollte die Debatte nach dem starken Auftritt einer jungen Delegierten, die sich klar für Frieden und Abrüstung aussprach, enden. Doch der Diskussionsbedarf ist groß. Stimmen gegen die Militarisierung waren unterrepräsentiert. Deshalb beantragt eine Delegierte die Verlängerung der Redezeit. Unterstützung erfährt sie von Ellen Brombacher von der Kommunistischen Plattform. Man sollte sich mehr Zeit nehmen für dieses wichtige Thema.
Der Parteitag sieht das anders. Die Debatte wird beendet, der Antrag abgestimmt und angenommen.Den beschlossenen „Kompromissantrag“ findet ihr hier im Wortlaut:
- 09.05.2025 18:55EINE Stimme der Vernunft
Gegenwind gibt es von Inge Höger. Es werde ein Stellvertreterkrieg auf Kosten der Ukraine und auf dem Boden der Ukraine ausgetragen. Und wenn es heißt, dass es für Butter und Kanonen nicht reicht, müsse „Die Linke“ klar sagen: „Wir wollen Butter statt Kanonen!“. Man sei gegen die Aufrüstung, setze sich für Frieden und Völkerverständigung ein und müsse den Kriegstreibern in den Arm fallen.
Nach Höger geht es im NATO-Sprech weiter. Man sei von „revolutionären Taten“ weit entfernt, weil man nicht sage, was ist, sagt ein Delegierter. Man habe ein „Russland, das immer aggressiver und immer offener Kriege führt“. China rüste auf und bedrohe Taiwan. Man brauche leider „ein Potential, das dafür sorgt, das wir nicht angegriffen werden.“
Als ob das alles nicht schon schlimm genug wäre, tritt Wulf Gallert ans Mikrofon. Er macht deutlich: Der Kompromissantrag sei erfolgreich mit allen Antragsstellern verhandelt worden. Da stünden auch Sätze drin, die nicht vom ganzen Parteitag geteilt werden ….
Während Gallert redet, kommt eine Delegierte an unserem Tisch vorbei: „Seid gnädig“, sagt sie. Na gut, wir brechen die Berichterstattung über Gallert-Beitrag an dieser Stelle ab.
- 09.05.2025 18:48Und der Nischel weint
In der Aussprache zu Krieg und Frieden schmeißt sich als erstes wieder die Delegierte Brigitte Forßbohm aus Wiesbaden in die Arena. Als würde sie von NATO und Rheinmetall bezahlt, haut sie einen Gassenhauer der antirussischen Propaganda nach dem anderen raus. Kostprobe gefällig? „Der schlimmste Krieg seit dem Zweiten Weltkrieg“, „brutaler Eroberungskrieg Russlands“, hybride Kriegsführung Russlands“ – alles ist dabei! Forßbohm plappert nach, was sie von der Tagesschau gehört hat und beschuldigt die Delegierten, die Mär von dem Angriff Russlands auf NATO-Territorium als „Narrativ abzutun“, um von der Schuld Russlands abzulenken. „Hört ihr etwa kein Radio?“, ruft sie den Delegierten zu und behauptet, die an Russland „angrenzenden baltischen Staaten sind doch hoch gefährdet.“
Und die Delegierten? Einige klatschen. Viel zu viele.
„Ob es uns gefällt oder nicht, die Welt verändert sich ziemlich rasch“, sagt Christoph Spehr aus Bremen. Die Regierungsmitglieder seines Landesverbandes hatten den Kriegskrediten im Bundesrat zugestimmt. Es werde eine „langanhaltende, asymmetrische Konfliktlinie“ zwischen der ökonomisch überlegenen EU und Russland geben. Da könne man nicht so weiter machen wie früher. Dem „westlichen Imperialismus“ in den Arm zu fallen, funktioniere nicht mehr, weil es keine „Guten“ auf der Welt mehr gebe. Wer sagt, dass der globale Süden sich emanzipiere habe eine „romantische Sicht“. Nun müsse man eine Diskussion über „Verteidigungsfähigkeit“ führen, alles andere sei Nostalgie
Wir warten auf vernünftige Stimmen zum Frieden. Diese Debatte hätte sie bitter nötig.
- 09.05.2025 18:31Alle einig?
Auch hier herrscht der Kompromiss. Es gibt nun doch einen gemeinsamen Antrag der verschiedenen Antragsteller und dem Parteivorstand zur Friedensfrage.
Nach der Einbringung folgt eine zeitlich begrenzte Aussprache zum Thema.
„Nicht mit uns“, ruft Özlem Demirel zur Frage der Kriegskredite. Dabei schont sie die „Linken“-Politiker, die im Bundesrat nicht gegen das Kriegspaket gestimmt haben. Sie seien unter Druck gesetzt worden. Doch es habe der Linkspartei und ihrer Glaubwürdigkeit geschadet.Während sie spricht, steht Christoph Spehr aus Bremen schon an der Schlange vor dem Mikrofon an. Da darf man gespannt sein.
- 09.05.2025 18:20Schlechte Nachrichten
In wenigen Minuten geht es weiter mit einer kurzen Beratung weiterer Anträge. Die Tagesleitung hat gerade verkündet, um welche es sich handelt. Es sind die um die Frage Krieg und Frieden, die hier schnell verhandelt werden sollen.
Zu erwarten sind dabei Auftritte wie von Rechtsausleger Wulf Gallert, der schon eben das Erfurter Parteiprogramm abgewatscht hat. Ein „kollektives Sicherheitssystem“ mit Russland könne es angesichts des Kriegs in der Ukraine nicht mehr geben. Er wird sicherlich in der Debatte für den Parteivorstand die NATO-Position vertreten.Zu allem Übel gibt es – auf ausdrücklichen Wunsch der Veranstalter – vor 20 Uhr keinen Alkohol zu kaufen. Wir bleiben tapfer.
- 09.05.2025 17:49Leitantrag angenommen
Kurzer Prozess: Der Leitantrag ist angenommen. (Foto: UZ) Das ging ja fix. Mit sehr, sehr wenigen Gegenstimmen und ebenfalls wenigen Enthaltungen ist der Leitantrag angenommen. Die Tagesleitung freut sich sehr. Man ist früher im Zeitplan, kann heute sogar noch über inhaltliche (so richtig politische!) Anträge beraten. Ist ja ein Ding!
- 09.05.2025 17:40150.000 – oder nicht?
Der Studierendenverband will aus dem Leitantrag das Ziel streichen lassen, in vier Jahren 150.000 Parteimitglieder zu haben. „Ist das wirklich das Maß, bei dem wir denken: Wir sind politisch gescheitert, wenn wir nicht 150.000 Mitglieder sind?“, fragt einer der Antragsteller. Man sollte die Mitglieder zu Opposition und politischer Tätigkeit befähigen, das sei die bessere Zielsetzung, findet er. Eine Delegierte unterstützt den Antrag: „Wir sind eine Partei und kein Unternehmen.“ Es komme darauf an, klassenbewusste, mündige Menschen zu schaffen.
Was diskutieren die da, fragt ihr euch? Wir haben es angekündigt: Der Leitantrag gibt nicht so furchtbar viel her und ein Großteil der politischen Auseinandersetzungen wurde im Vorfeld aus der Antragsdebatte genommen.
Der Parteitag stimmt jedenfalls zu: die 150.000 wird gestrichen.
- 09.05.2025 17:27Gegen das Programm
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Frieden und internationale Politik will mit der Bedrohungslüge aufräumen und ein friedliches Zusammenleben mit Russland:
„Wir lehnen das Denken und Handeln in Abschreckungs-, Bedrohungs- und Kriegführungskategorien ab und treten für radikale Abrüstung, Entspannungspolitik und Völkerverständigung ein. Wir fordern die Auflösung der NATO und ihre Ersetzung durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands, das Abrüstung als ein zentrales Ziel hat.“
Wulf Gallert vom Parteivorstand spricht dagegen. Die konkrete politische Situation werde „durch den Ukraine-Krieg“ bestimmt. Da könne man kein Kollektives Sicherheitssystem mit Russland wollen, auch wenn es so im Parteiprogramm stehe.
Die Delegierten folgen Gallert: Der Antrag ist abgelehnt.
- 09.05.2025 17:21Jetzt auch noch wir
Es geht nebenbei auch um uns. Weil sie sich nicht davon distanziert hätten, dass es einen Haupt- und mehrere Nebenwidersprüche gibt, und sich in Folge Homosexuelle und Frauen woanders organisiert hätten, „sitzen die Kommunisten immer noch am Rand der Gesellschaft“, argumentiert ein Delegierter. Der hat ja keine Ahnung, es ist viel schlimmer gekommen: Wir sitzen am Rande des Linkspartei-Parteitags – und hören staunend zu.
Und ja, wir finden immer noch, dass der Hauptwiderspruch der zwischen gesellschaftlicher Schaffung und privater Aneignung ist. Das heißt nicht, dass alles andere nicht auch scheiße ist. Aber die Scheiße hat halt Ursachen.
- 09.05.2025 17:12Enge Kiste
Nur ein Bruchteil der insgesamt 211 Änderungsanträge wird noch beraten.
Die Linksjugend versucht dennoch, einige Ausführungen zum Faschismus durchzusetzen. Der Abschnitt, der eingefügt werden soll, lautet:
„Die politische und wirtschaftliche Vorherrschaft der bürgerlichen Klasse steckt in einer tiefen Krise. Aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung ist diese Klasse nicht in der Lage, Lösungen für die drängenden Menschheitsfragen unserer Zeit umzusetzen. Stattdessen greifen ihre Vertreter vermehrt zu Spaltung, Hass, Hetze und Gewalt, um ihre Macht und die Ausbeutung autoritär abzusichern. Der Faschismus ist die extremste Form dieses Vorgehens: historisch zeigte er sich als terroristische Herrschaft gegen die Ausgebeuteten nach innen und kriegerische Politik nach außen.“
Die Gegenrede des Parteivorstands hebt auf Höcke und Co. ab, die nicht mit den Konservativen zu vergleichen sein. Anders kann man auch nicht argumentieren, wenn die AfD weiterhin der alleinige Hauptfeind bleiben soll.
Die Abstimmung sieht von unserem Platz sehr, sehr eng aus. Das Präsidium erklärt jedoch: Der Antrag ist abgelehnt, wenn auch knapp.
- 09.05.2025 16:56Start der Antragsdebatte
Zur Einführung in die Debatte um die Änderungsanträge zum Leitantrag stellt Ates Gürpinar, der das Wort für die Tagesleitung hat, das Verfahren vor. Es ist symptomatisch für das Bemühen der Parteiführung und lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Kompromiss. Behandelt werden nur Anträge, bei denen die Antragsteller nicht zu einer Formulierung zu bewegen war, die dem Parteivorstand in den Kram passt. Jetzt haben Antragsteller, Für- und Gegenredner je eine Minute Zeit, um sich zu den Anträgen zu äußern.
Die Karl-Marx-Probeabstimmung ist beendet. 14 Prozent der Delegierten haben daneben getippt und abgestimmt, dass Karl Marx nicht in Trier geboren ist.
- 09.05.2025 16:42Generaldebatte beendet
Die Generaldebatte ist vorbei. War es Losglück oder ein Hinweis auf die Mehrheitsverhältnisse, dass es verhältnismäßig viele Beiträge zur Friedensfrage gab? Natürlich neben den üblichen Seltsamkeiten, die Generaldebatten immer mit sich bringen. Die kommende Beratung über die zahlreichen Änderungsanträge wird vielleicht einen Hinweis geben. Erstmal müssen die 70 Delegierten, die es noch nicht hinbekommen haben, das Abstimmen mit der Parteitagssoftware Open Slides üben. Die Probefrage dreht sich um den Geburtsort von Karl Marx. Ob wir das Ergebnis überhaupt sehen wollen, wissen wir noch nicht so genau.
- 09.05.2025 16:36Klare Worte
Christina Theresa Kunkel mit einem flammenden Plädoyer gegen den Genozid in Palästina. (Foto: UZ) Christina Theresa Kunkel aus Bayern findet klare Worte. Wer sich im Namen der Regierungsverantwortung zum Sondervermögen bekennt, kämpfe nicht für unsere Klasse, sondern gegen sie.
Mit dem Hinweis, dass eine sozialistische Partei auch immer eine internationalistische Partei sein müsse, leitet sie zu dem Thema über, das den Parteitag hinter den Kulissen bewegt. Sie habe oft damit gehadert, ob sie ihr Parteibuch hinschmeißt, weil diese Partei „es nicht geschissen bekommt“, einen Völkermord auch als einen zu bezeichnen. Doch das ist noch nicht einmal der Gipfel des Eisbergs, wie die Mitglieder der Linkspartei gestern feststellen mussten. Jetzt, so Kunkel, solidarisiert sich die Partei auch noch mit den Tätern. Die Erklärung des Parteivorstandes von gestern sei eine Schande, sagt sie und fragt: „Seit wann solidarisiert sich eine sozialistische Partei mit einem kapitalistischen Staat, (…) mit einem kapitalistischen, genozidalen Apartheidsstaat?“ Wie soll die Linkspartei die „Hoffnung organisieren“, spielt Kunkel auf das Parteitagsmotto an, wenn sie noch nicht einmal das Leid Gazas anerkennen?
Leider zeigt sich auch in dieser Frage, dass der Parteitag bisher nur bereit ist, für die Selbstfeierei laut zu werden. Doch die, die Kunkel applaudierten, taten das lang.
- 09.05.2025 16:20Zwischenmeldung
Ulrike Eifler vom Parteivorstand, die bis in die eigene Partei hinein mit einer Schmutzkampagne überzogen wird, weil sie sich solidarisch mit Palästina zeigt, kann leider nicht selbst am Parteitag teilnehmen. Dank „etos.media“ kann sie sich trotzdem in einem Interview zu Wort melden. Schaut gerne rein.
- 09.05.2025 16:17Immer wieder Frieden
Einen guten Beitrag hielt Thorben Schulz aus Hamburg, der daran erinnerte, dass der Faschismus nicht zur Erringung einer bürgerlich-parlamentarischen Demokratie besiegt wurde. Ziel müssten Verhältnisse sein, die den Faschismus unmöglich machen. Die Entmilitarisierung Deutschlands seien „wir uns selbst und unseren Vorkämpfern schuldig“. Und wenn ein Delegierter der Linkspartei Thälmann zitiert, wie er Goethe zitiert, geht UZ-Redakteuren das Herz auf.
Die Mehrheitsverhältnisse sind schwer zu bestimmen. Es gibt gleichzeitig Applaus, Zwischenrufe und umherlaufendes Desinteresse. Auch die Delegierten, die mit uns sprechen, wissen nicht recht, was vom Rest des Tages zu erwarten ist. Mal klatscht eine Seite des Saals, mal die andere. Um zu sehen, wie das hier ausgeht, werden wir die Antragsdebatte abwarten müssen.
- 09.05.2025 16:05Kopfschütteln in Chemnitz
Mehrere Delegierte haben deutliche Worte zum Krieg gefunden, auch zur ethnischen Säuberung im Gaza-Streifen. Dann tritt Christoph Speer aus Bremen ans Pult, der sich beim letzten Parteitag noch als Freund Israels geoutet und die Besetzung Palästinas als „Narrativ“ bezeichnet hatte. Diesmal hat er ein anderes Thema. Es sei richtig gewesen, dass die Bundestagsfraktion den Weg für Merz frei gemacht habe. Sonst hätte man der AfD eine Bühne geboten. Die Begeisterung im Saal hält sich in Grenzen.
Man habe es nicht geschafft, der Partei klarzumachen, dass der „Antimilitarismus eine entscheidende Klassenfrage ist“, sagt hingegen Sebastian Stark aus Baden-Württemberg mit Blick auf die Zustimmung der Linkspartei zu den Kriegskrediten im Bundesrat. Es müsse doch klar gesagt werden: „Wir hier unten sterben nicht für eure Kriege!“ – Szeneapplaus. Er fragt die Delegierten, wie viele Mitglieder des Jugendverbandes die Partei zur Verfügung stellen möchte, um sie von Friedrich Merz im Krieg verheizen zu lassen.
Brigitte Forßbohm aus Hessen antwortet, dass wohl niemand im Saal junge Menschen für den Krieg opfern wolle. Die Situation in Europa und der Welt stelle „uns aber vor neue Herausforderungen“. Dafür brauche es einen „lösungsorientierten Diskurs“ innerhalb der Partei. Stattdessen gebe es in der Partei aber ein „notorisches Festhalten an Glaubenssätzen“. Anträge, die sich „ohne wenn und aber“ gegen Kriegstüchtigkeit wenden, seien vielleicht gut gemeint, aber kritisch zu hinterfragende Glaubenssätze. Es werde „suggestiv“ eine Militarisierung der Gesellschaft behauptet und der „russische Überfall“ auf die Ukraine ausgeblendet. Es sei irreführend auf die Lehren aus zwei Weltkriegen zu verweisen. Das seien doch Angriffskriege gewesen. So was plane man in Deutschland heute nicht mehr. Es gibt Buh-Rufe und kaum Applaus. Beim Versuch einer Luxemburg-Liebknecht-Auslegung geht ihr die Redezeit aus. Zum Glück!
- 09.05.2025 15:37Zweimal gut, einmal seltsam
War es nötig, Merz drei Tage früher zum Kanzler zu machen? Naisan Raji stellt spannende Fragen. (Foto: UZ) Die Generaldebatte läuft. Mal wird die Überwindung der Krise der Partei beschworen, mal erzählt, wie gut „Die Linke“ in Hannover abgeschnitten hat. Wie es üblich ist, wird erzählt, was gerade wichtig erscheint.
Lukas Hof vom Studierendenverband SDS durchbricht die Allgemeinheit. „Die Zeichen stehen auf Krieg“, beginnt er. Die Regierung sei „für die Durchsetzung ihrer Weltmachtansprüche bereit gegen Russland, vielleicht auch gegen China in den Krieg zu ziehen.“ Es sei die Aufgabe der „Linken“ darüber aufzuklären, dass ein Krieg vorbereitet werde. Dabei soll ausgerechnet Russland unser Feind sein? „80 Jahre nach der Befreiung?“, fragt Hof. Ein Teil der Delegierten klatscht. Nie wieder Krieg und nie wieder Faschismus gehören zusammen, macht er klar. Das gelte auch an den Hochschulen. Antifaschistische Hochschulpolitik bedeute, gegen „jede Instrumentalisierung der Wissenschaft für Krieg“ einzutreten.
Naisan Raji vom Parteivorstand spricht anschließend über die Zustand der bürgerlichen Demokratie weltweit. Dass die in einer Krise ist, sehe man auch daran, dass Merz im ersten Wahlgang durchgefallen ist. Merz stehe auch dafür, dass im 80. Jahr der Befreiung vom Faschismus wieder gen Russland geschossen werden soll. Und sie fragt, ob es denn wirklich nötig war, Merz drei Tage früher als unbedingt nötig zur Kanzlerschaft verholfen zu haben. Sie geht auf die „verwirrten“ Ministerinnen und Minister in den Landesregierungen ein, die den neuen Kriegskrediten zugestimmt haben.
Zum Ende spricht Raji kurz über ihre Kuba-Reise, die vor nicht 24 Stunden endete. Dort sei sie gefragt worden sei, ob „Die Linke“ gegen die Aufrüstung in Europa ist. „Wie wir agieren in Deutschland wird international wahrgenommen“. Für den globalen Süden sei es extrem wichtig, dass es in den imperialistischen Kernländern eine echte Opposition gibt.
Auf Raji folgt Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow. Er sieht „Die Linke“ als „gewichtige Kraft“. Dann spricht er über den Papst. Franziskus sei zwar kein Feminist gewesen, habe den Satz geprägt, dass diese Wirtschaft tötet. Wer sich daran gewöhne, nehme den Menschen die Hoffnung. Dann freut er sich noch über den neuen Papst Leo XIV., der sei ein Ami außerhalb des Trump-Lagers. Er selbst sei jedoch kein Katholik und werde auch keiner. Wir gucken uns an. Was sind wir hier hörend?
- 09.05.2025 15:16Nächstes Thema
Die Parteivorsitzende Ines Schwerdtner tritt ans Pult. Den Kapitalismus zu überwinden, sei „keine Phrase“, sondern der „Glutkern unserer Politik, liebe Genossinnen und Genossen.“ Im Wahlkampf habe man „viel gewonnen“. Man stehe für Internationalismus und Solidarität. „Niemals allein!“, ruft sie den Delegierten zu. „Immer gemeinsam!“, erschallt die Antwort. Hat was Traditionelles. Es folgen linke Evergreens, aber auch persönliche Worte.Schwerdtner wirbt für „revolutionäre Freundlichkeit“. Man werde sich hart kritisieren, und auch um identitätsstiftende Positionen ringen. Aber man sollte niemals an einzelnen Genossinnen oder Genossen ein „Exempel statuieren“. Interessant zu hören, nach dem der Parteivorstand sich gestern auf Distanz zu palästinasolidarischen PV-Mitgliedern geeinigt hat.
Auch auf den Völkermord in Gaza geht Schwerdtner ein, ohne ihn so zu nennen. Dort werden Kinder ausgehungert. „Wir sind der Widerstand dagegen“. Man kenne keine „doppelten Standards bei Kriegsverbrechern“. Nächstes Thema.
„Die CDU ist diese Woche das erste Mal auf uns zugekommen“, das sei für alle schwer gewesen. Das könne man ihr glauben. Man werde jede Verbesserung erstreiten müssen – aber nicht als Selbstzweck, sondern für „unsere Leute“. „Wir sind die soziale Opposition im deutschen Bundestag.“ Die neue Regierung sei die „Regierung der Hoffnungslosigkeit. Wir dagegen werden die Hoffnung organisieren.“ Jubel. Abgang. Die Generaldebatte beginnt.
- 09.05.2025 15:11Siegerehrung
So sehen Sieger aus... Schalalala. (Foto: UZ) Sich selber feiern, das kann die Linkspartei. Und so holt Heidi Reichinnek Helden des Bundestagswahlkampfs auf die Bühne: Die Erringerinnen und Erringer von Direktmandaten. Fünf an der Zahl, Gregor Gysi hat Parteitag nicht nötig, auch den in Halle hatte er nur mit einem Blitzbesuch zur Verkündigung seiner Kandidatur und der „Mission Silberlocke“ geehrt. Und so jubeln die Delegierten, schwingen ihre Tax-the-Rich-Handtücher, die die Partei für den nächsten Freibadbesuch hat springen lassen und klatschen fröhlich im Takt der Musik.
Aber dann wird es ernst. Ines Schwerdtner bringt den Leitantrag ein.
- 09.05.2025 14:57Einigkeitsshow
Alle vier auf einer Bühne: Sören Pellmann, Heidi Reichinnek, Ines Schwerdtner und Jan van Aken. (Foto: UZ) Die fantastischen Vier haben die Bühne betreten: Heidi Reichinnek, Jan van Aken, Ines Schwerdtner und Sören Pellmann. Alle vier! Auf einmal! Die Delegierten sind aus dem Häuschen. Es werden Schultern geklopft. Wir sind super, ihr seid super! Die kommenden Kommunalwahlen werden super. Die Landtagswahlen sowieso.
„Die Linke will den Kapitalismus abschaffen“, zitiert Heidi Reichinnek sich selbst, wie sie von Medienmachern zitiert wurde. „Das muss einer von euch gesagt haben“, witzelt sie. Vielleicht muss man aber auch „radikal sein in diesen Zeiten“. Die Demokratie werde von denen gefährdet, die Arbeitende, Arme und Migranten gegeneinander ausspielen. „Wir lassen uns nicht spalten!“ Stattdessen wolle man die Eigentums- und Verteilungsfrage stellen.
Die Show, begleitet von Eminem-Musik, soll zum ersten Höhepunkt führen: Der Einbringung des Leitantrags, der die Eigentumsfrage nicht stellt. Wohl aber die Verteilungsfrage: Das Papier schießt sich vor allem auf den Kampf gegen Milliardäre ein.
„Wir sind die Hoffnung!“ – das ist der Titel des Leitantrages. Mit inhaltlichen oder gar politischen Festlegungen hält sich der Text zurück. Das hat einen guten Grund. Rund 50.000 neue Mitglieder hat die „Linke“ in den vergangenen Monaten aufgenommen. Wer weiß schon so genau, was die wollen? Also gilt es, sich heranzutasten.
Wir erfahren, dass die „Linke“ eine „sozialistische Mitgliederpartei“ sein soll und außerdem eine „treibende politische Kraft“. Zudem hat man sich zum Ziel gesetzt „dieses Land zu verändern“. Dafür braucht man eine „organisierende Klassenpartei“ und so weiter und so weiter. Vor allem mit den Milliardären will man sich anlegen. Das erklärte Ziel nach innen: Mehr Verankerung in Betrieb und Kommune, mehr Kampagnenfähigkeit und noch mehr Mitglieder. 150.000 sollen es bald sein.
In kritischen Fragen, wie Krieg und Frieden oder Nahost, äußert man sich eher vorsichtig. Mit Sätzen wie: „Die Linke ist und bleibt eine Friedenspartei, insbesondere in Zeiten zunehmender Militarisierung. (…) Wir wollen hier die Positionen, die uns vereinen, in den Mittelpunkt stellen.“ Toll! Auch zu den ganz großen Fragen findet man gewählte Worte: „Freiheitlich-demokratisch bedeutet für uns mehr Miteinander und Füreinander.“ Natürlich gibt es zahlreiche Änderungsanträge. Wie viele davon behandelt werden können, werden wir erleben.
- 09.05.2025 14:39Konstituiert
Katina Schubert fliegt in Rekordtempo durch die Formalia der Konstituierung des Parteitages. Auch der geänderte Zeitplan, der wenig Raum für Debatten lässt, wurde mit wenigen Gegenstimmen angenommen. Debatten gibt es, wie zu erwarten war, jetzt noch nicht. Auch in der Generaldebatte soll die Redezeit nur drei Minuten betragen. Von den gesetzten Redebeiträgen geht einer an Bodo Ramelow, der andere wegen der anstehenden Kommunalwahl in NRW an Kathrin Vogler. Das Interesse der Delegierten an den Formalia ist überschaubar, mehr wird sich über das Essensangebot ausgetauscht oder testweise durch die Parteitagssoftware Open Slides gescrollt. Wenigstens sind – im Gegensatz etwa zum Parteitag in Augsburg – schon alle Delegierten in der Halle statt an der Anmeldung zu stehen. - 09.05.2025 14:28Wenig Raum für Debatte?
Zum Zeitplan liegt ein Änderungsantrag des Parteivorstands vor. War ursprünglich die Beratung von Änderungsanträgen bis heute Abend um 22 Uhr geplant, so soll nun nach dem Frauen/FLINTA*-Plenum das migrantische Plenum stattfinden – und danach Feierabend sein. Für weitere Anträge, zum Beispiel zu umstrittenen Fragen wie Solidarität mit Palästina und Krieg und Frieden soll nach Willen des Parteivorstandes morgen Zeit sein – zwei Stunden lang, unterbrochen von der Mittagspause und der Rede des Parteivorsitzendem Jan van Aken.
- 09.05.2025 14:24Alle gegen Merz. Ab heute. Bestimmt!
„Jetzt, jetzt sind wir wieder da!“, sagt Bundesgeschäftsführer Janis Ehling in seiner Begrüßungsrede. Jubel! „Wir sind standhaft geblieben, während alle Politiker plötzlich eine Partei von Vor-Vorgestern unterstützt haben.“ Man habe sich gegenseitig den „Stolz auf das Linkssein“ zurückgegeben. Das tolle Bundestagswahlergebnis habe aber auch einen „Beigeschmack“: die AfD und Friedrich Merz. Merz sei insgesamt ein furchtbarer Typ, lässt sich das folgende zusammenfassen. „Diesem Kanzler werden wir dieses Land nicht überlassen“, sagt Ehling. Was er nicht sagt: Merz ist heute wahrscheinlich nur Kanzler, weil die Linksfraktion im Bundestag ihm am Dienstag einen zweiten Wahlgang ermöglicht hat. Das könnte aber auch die Stimmung trüben.
- 09.05.2025 14:22Richtig fetzig!
Die eigentliche Eröffnung kommt dann von Susanne Schaper, der Landesvorsitzenden der Linkspartei in Sachsen. Die findet, früher hatte die Stadt, in der der Parteitag stattfindet, einen „fetzigeren Namen. Karl-Marx-Stadt.“ Und Schaper setzt den Ton, der hier zu erwarten war: „Die Linke“ ist wieder da, sie ist stark und hat in Sachsen nun auch wieder über 10.000 Mitglieder. Auch darf ein kleiner Seitenhieb auf das „Strohfeuer“, auf das einige reingefallen seien, nicht fehlen. Probleme mit den neuen staatstragenden Eigenschaften ihrer Partei hat sie nicht. „Was wir jetzt nicht brauchen, ist dieses alberne Spiel: Ene mene muh, ich bin viel linker als du“, erteilt sie Debatten um die Rolle einer linken Opposition eine Absage. Der Rest der Rede ist Werbung für Chemnitz, soll schön hier sein. Ist uns jetzt noch nicht so aufgefallen, aber der Nischel ist einen Besuch wert.
- 09.05.2025 14:17Musikalischer Einstieg
Rap zum Einstieg: Flaiz eröffnete den Parteitag zusammen mit einem Chor von Parteimitgliedern. (Foto: UZ) „Letzter Gong! Bitte kommt jetzt herein“, verkündet Katina Schubert im Stile eines Kirmes-Karussell-Ansagers. „Wir fangen jetzt an“, schnauzt sie die Delegierten noch in dem ihr ganz eigenen Ton an. Und dann geht es auch los, dunkler Saal, Menschengrüppchen auf der Bühne und zwei Rapper verkünden etwas ungewohnte Töne für die Linkspartei: „Hoch die Faust für die Proleten!“ Flaiz, so der Name des rappenden Linksparteimitglieds, kommt bei den Delegierten gut an, genauso wie das „Alerta, alerta, fight the power“.
- 09.05.2025 13:44Unruhe, bevor es losgeht
Nach Angriffen von ultrarechten Israelfreunden wie Volker Beck oder dem israelischen Militärsprecher Arye Sharuz Shalicar gegen die Gewerkschafterin und „Linken“-Parteivorstandsmitglied Ulrike Eifler hat der Parteivorstand gestern mehr als unsouverän reagiert. Ulrike hatte in einem Post auf der Plattform X Freiheit für Palästina gefordert. In einem völlig unsolidarischen Beschluss stellte der Parteivorstand – ohne Ulrike beim Namen zu nennen – fest, „der Parteivorstand distanziert sich von jedem Aufruf, jedem Statement und jedweder bildlichen Darstellung, die unter dem Deckmantel der Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung die Existenz Israels negiert oder die Auslöschung Israels propagiert“ und forderte Mitglieder auf, „derartige Darstellungen nicht zu veröffentlichen und bereits veröffentlichte umgehend zurückzuziehen (etwa in sozialen Medien zu löschen).“
Unsolidarisch mit dem eigenen PV-Mitglied und unsolidarisch mit Palästina wird es rechten Hetzern mit diesem Beschluss recht gemacht. Das Thema wird auf dem Parteitag eine Rolle spielen, gemunkelt wird über einen Dringlichkeitsantrag, in dem sich der Parteitag mit Ulrike solidarisch erklärt. Diese bleibt im Gegensatz zur Mehrheit des Parteivorstands standhaft und hat ihren Post nicht gelöscht.
Wir sind solidarisch mit Ulrike Eifler!
- 09.05.2025 13:21Herzlich Willkommen!
Auf der Pressebank laufen die Vorbereitungen. Das öffentliche Interesse ist groß. (Foto: UZ) Strahlenden Sonnenschein spendiert uns der Tag des Sieges in Karl-Marx-Stadt (inzwischen Chemnitz). Genau das richtige Wetter, um sich in eine abgedunkelte Messehalle zu verziehen, wo unter dem Motto „Die Hoffnung organisieren“ über die Zukunft der Linkspartei diskutiert wird. Die Käsebrötchen beim Pressebrunch haben wir schon erfolgreich gemieden. Die ersten Delegierten sind begrüßt, direkt vor uns haben Fernsehstudios ihre Regie-Monitore aufgebaut. Denn der Andrang ist groß. Stand der letzte Parteitag in Halle noch unter dem Eindruck des sicher geglaubten Niedergangs der Partei, soll heute der Überraschungserfolg bei den Bundestagswahlen gefeiert werden. Ein Parteitag der (Wahl-)Sieger? Oder doch einer, auf dem kritische Fragen diskutiert werden? Wir sind gespannt.
- 08.05.2025 17:51Bald geht’s los
Ab Freitag, den 9. Mai um 14 Uhr berichten Melina Deymann und Vincent Cziesla hier live vom Bundesparteitag der Linkspartei in Chemnitz.