Am 3. Oktober heißt es: Alle nach Berlin!

„Ein guter Tag, um Nein zu sagen“

Unter dem Motto „Nein zu Krieg und Hochrüstung! Ja zu Frieden und internationaler Solidarität“ findet am nächsten Donnerstag eine Großdemonstration in Berlin statt. Erwartet werden Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet. UZ sprach mit der Mitorganisatorin Jutta Kausch-Henken, Mitglied der Friedenskoordination Berlin (FRIKO).

UZ: Gemeinsam mit neun weiteren Personen aus der Friedensbewegung haben Sie die diesjährige Friedens-Demonstration am „Tag der deutschen Einheit“ in Berlin initiiert. Warum an diesem Datum?

Jutta Kausch-Henken: Wir haben einen Tag gesucht im Herbst, der sich für eine bundesweite Demo eignet. Und da bot sich der 3. Oktober an, weil danach ein Brückentag ist, somit eine gute Gelegenheit für alle, aus dem Bundesgebiet nach Berlin zu kommen. Außerdem ist eine Friedensaktion am Tag der deutschen Einheit doch mehr als sinnhaft. Denn seit der „Wiedervereinigung“ wird keine Zurückhaltung mehr geübt, ist eine beispiellose Aufrüstung und Militarisierung in Gang, strebt Deutschland danach, Führungsmacht zu werden. Ein guter Tag, um zu all dem Nein zu sagen, oder?

UZ: Was sind die zentralen Forderungen der Demonstration?

Jutta Kausch-Henken: Abrüstung, Keine Waffenlieferungen, weder in die Ukraine noch an Israel, noch sonstwohin, stattdessen alle politische Energie in Verhandlungen, Diplomatie und Deeskalation. Keine Atomwaffen auf deutschem Boden, keine Wehrpflicht und Militarisierung der Gesellschaft! Wir setzen die soziale Frage in Zusammenhang mit der Aufrüstung und verlangen, den Sozialstaat auszubauen. Und ganz prominent: Keine Stationierung von US-Mittelstreckenraketen, Marschflugkörpern und Hyperschallwaffen in Deutschland.

Als wir mit der Mobilisierung begonnen haben, hatte Bundeskanzler Scholz seinen Gang nach Washington noch vor sich und wir hatten noch keine Ahnung, mit welcher „Vereinbarung“ zur Stationierung von Mittelstreckenwaffen er zurückkommen würde. Diese Vereinbarung, weder in der Öffentlichkeit kommuniziert noch im Parlament im Vorfeld abgesegnet, ist eine Ungeheuerlichkeit und, sollte sie umgesetzt werden, eine große Gefahr für unsere Sicherheit. Wir sehen deshalb die Forderung nach Rücknahme dieser von Scholz gemachten Zusage als einen zentralen Punkt an, der viele Menschen bewegen wird zu kommen. Davon sind wir überzeugt. Der Widerstand in der Bevölkerung wächst, die Angst vor einem großen Krieg macht sich mehr und mehr Luft, trotz Brainwashing durch die Qualitätsmedien.

UZ: Sie sammeln auch einzelne Unterstützerinnen und Unterstützer. Aus welchen Organisationen kommt Zuspruch? Wen möchten Sie noch ansprechen und für die Teilnahme gewinnen?

390502 Interview Portrait - „Ein guter Tag, um Nein zu sagen“ - 3. Oktober, Friedensdemo, Friko Berlin, Internationale Solidarität, Jutta Kausch-Henken - Politik
Jutta Kausch-Henken

Jutta Kausch-Henken: Wir haben bewusst Unterstützerinnen und Unterstützer für die Demonstration gesucht und nicht primär für den Aufruf. Alle die Demo unterstützenden Gruppen sind eingeladen, eigene Aufrufe zu verfassen. Bis Mitte September haben über 2.200 Gruppen und Einzelpersonen ihre Unterstützung bekundet. Darunter Parteien wie „Die Linke“, BSW oder DKP sowie Gruppen der SPD: der „Erhard Eppler-Kreis ‚Frieden 2.0‘“ und das „Forum DL21 – Linke in der SPD“. Mit dabei sind auch die NaturFreunde Deutschlands, IPPNW, Pax Christi, das „Forum Friedensethik in der Evangelischen Landeskirche Baden“, die VVN-VdA und Gruppen der VVN-BdA, IALANA, attac AG Europa, Gewerkschaftsgruppen wie die Initiative „Gewerkschafter gegen Aufrüstung und Krieg“, Landesfachbereiche von ver.di, Einzelgliederungen der IG Metall und der GEW, um nur einige zu nennen. Die komplette Liste der Unterstützer kann man auf der Homepage einsehen.

UZ: Halten Sie Ihre Forderungen für mehrheitsfähig in der Bevölkerung, angesichts der massiven bürgerlichen Medienberichte und der Ausrichtung führender Politiker hin zu „Zeitenwende“ und „Kriegstüchtigkeit“?

Jutta Kausch-Henken: Sie müssen mehrheitsfähig werden, sonst sind wir am Arsch. Und wir tun alles dafür, gegen Zeitenwende und Kriegstüchtigkeit zu argumentieren.

UZ: Was tun Sie als Organisatorenkreis, um auch Menschen zu erreichen, die sich vor der Kriegsgefahr fürchten, aber sich vielleicht eher scheuen, auf Demonstrationen zu gehen?

Jutta Kausch-Henken: Das ist das Einfache, das schwer zu machen ist. Demonstrationen sind ja auch nicht alles, was wir machen. Es braucht Informationen, ein Miteinander-ins-Gespräch-Kommen, die gute alte Überzeugungsarbeit auf der Straße, in Versammlungen, auf der Arbeit, in den Unis und so weiter.

UZ: Für die gesellschaftliche Breite sorgen auch Redner wie Ralf Stegner (SPD) und Peter Gauweiler (CSU). Bewegt sich da etwas in den Reihen der bürgerlichen Parteien, deren Spitzen bekanntlich auf permanente Aufrüstung setzen?

Jutta Kausch-Henken: Ja, es bewegt sich was. In den Parteien, auch in den Gewerkschaften. Menschen, die an der Basis arbeiten, beginnen sich zu organisieren. Das sind alles noch zarte Pflanzen, aber wir, die wir uns schon länger in der Friedensbewegung engagieren, sind hoffnungsvoll.

UZ: An der Vorbereitung und dem Aufruf gibt es auch Kritik. Die DfG-VK hat in einer Stellungnahme kritisiert, dass die Forderung nach Schutz und Asyl für die Menschen aus Kriegsgebieten fehle. Außerdem würde Russland zu wenig kritisiert. Was entgegnen Sie dieser Kritik?

Jutta Kausch-Henken: In unserem Aufruf fehlt diese Forderung in der Tat. Es fehlen auch andere Forderungen. Aber wir sind uns sehr einig, dass Schutz und Asyl für Menschen aus Kriegsgebieten unbedingt nötig ist. Wir haben uns in unserem Aufruf bemüht, den breitesten Konsens zu finden, bei dem möglichst viele mitgehen können. Wie gesagt, jede Gruppe kann ihren eigenen Schwerpunkt setzen für eine Unterstützung der Demo. Und die DfG-VK sagte auch, dass sie nichts Falsches in unserem Aufruf gefunden hat. Warum unterstützt sie dann die Demo nicht? Übrigens ist das nicht die Meinung der DfG-VK insgesamt, sondern eine Aktion des Bundessprecherrats, die durch den Landesverband in Berlin-Brandenburg in einer unflätigen, diffamierenden Weise Unterstützung erfährt. Viele andere Landesverbände und Gruppen der DfG-VK haben sich davon öffentlich distanziert und rufen FÜR eine Beteiligung an der Demo auf.

UZ: Sie haben sich mit einer Stellungnahme gegen Rassismus, Antisemitismus und Faschismus klar abgegrenzt. Wie gehen Sie damit um, sollten Rechte versuchen, sich unter die Demonstration zu mischen und Einfluss zu nehmen?

Jutta Kausch-Henken: Wir haben ein gutes Ordnerkonzept und werden alles daransetzen, dass sich die Rechten in unserer Demo weder zu Wort melden noch ihre Transparente zeigen können. Das ist uns bei der letzten Demo ja auch ganz gut gelungen. Ins Herz gucken können wir niemandem.

UZ: Erfreulicherweise wird bundesweit für die erwartete Großdemonstration getrommelt. Wie kann ich mich einer Reisegruppe anschließen?

Jutta Kausch-Henken: Auf unserer Homepage sind Hinweise zu Bussen und gemeinsamen Bahnfahrten aus den verschiedenen Städten der Republik aufgelistet.

UZ: Was können Friedensfreundinnen und -freunde tun, die den Aufruf und die Aktion unterstützen, aber nicht anreisen können?

Jutta Kausch-Henken: Öffentlichkeitswirksam für diese Demo auf allen Kanälen werben, die ihnen zur Verfügung stehen, Stellungnahmen verfassen, Geld spenden.

Die Fragen stellte Henning von Stoltzenberg

Treffpunkte zu den Auftaktkundgebungen um 12.30 Uhr: Breitscheidplatz/Gedächtniskirche; Rathenower Straße/Ecke Alt Moabit; Gleisdreieck/Schöneberger Ufer. Die Abschlusskundgebung beginnt um 14.30 Uhr am Großen Stern. Weitere Infos: nie-wieder-krieg.org

Die DKP beteiligt sich mit einem Block und Lautsprecherwagen am Demonstrationszug, der an der Rathenower Straße/Ecke Alt Moabit startet. Ihr Motto „Kriegstüchtig – Ohne uns! US-Raketen stoppen! Frieden mit Russland und China!“

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"„Ein guter Tag, um Nein zu sagen“", UZ vom 27. September 2024



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